# taz.de -- Olympiabau von ArcelorMittal: Gedenken ist anderswo
       
       > Der Olympiabau des Stahlriesen ArcelorMittal in London sorgt in Bosnien
       > für Ärger: Dort, auf deren Konzerngelände, befindet sich ein einstiges KZ
       > – ohne Gedenkstätte.
       
 (IMG) Bild: Der Orbit Tower ist das neue Wahrzeichen Londons. Um dessen Finanzierer, den Stahlriesen ArcelorMittal, gibt es jetzt Ärger im Bosnien
       
       SARAJEVO taz | Sudbin Music starrt gebannt auf den Bildschirm. „Siehst du
       das?“, fragt der 38jährige Bosnier. „Den Orbit, das neue Wahrzeichen
       Londons. Den hat ArcelorMittal mit rund 20 Millionen Pfund finanziert. Aber
       für uns hier in Prijedor und Omarska haben sie kein Geld. Sie haben uns
       gegenüber alle Versprechungen gebrochen.“
       
       Der ArcelorMittal Orbit Tower überragt mit seinen 115 Metern das London
       Olympiastadion. Die Kombination von Skulptur und Hochbau ist ein
       vielbeachtetes Bauwerk geworden, bei dessen Realisierung architektonisches
       Neuland betreten wurde. Die größte Stahlfirma der Welt hat sich als
       Hauptsponsor der Olympischen Spiele 2012 sichtbar engagiert.
       
       Um die Frage zu beantworten, was er an dem tollen Bauwerk auszusetzen habe,
       braucht Sudbin nicht lange zu überlegen. „Mit dem Bauwerk selbst habe ich
       kein Problem. Aber Mittal hat 2005 versprochen, in seinem Erzbergwerk
       Omarska eine Gedenkstätte für die Opfer von 1992 einzurichten, das nur
       einen Bruchteil des Orbits kosten würde. Deshalb sind wir aktiv geworden.“
       
       Subin ist einer der Überlebenden der Konzentrationslager in Westbosnien von
       1992, deren schockierende Bilder damals die Weltöffentlichkeit
       aufrüttelten. Er gehört zu den Aktivisten der Opferorganisationen in
       Prijedor, einer knapp 60.000 Menschen zählenden Gemeinde in der Republika
       Srpska, dem serbischen Teilstaat von Bosnien und Herzegowina.
       
       ## Lager für die nichtserbische Oberschicht
       
       Als 1992 serbische Truppen und Freischärler begannen, die mehrheitlich
       nichtserbische Bevölkerung aus der Region Prijedor zu vertreiben, sammelten
       sie die Gefangenen in Lagern. Im 10 Kilometer von Prijedor entfernten
       Erzbergwerk Omarska wurde vor allem die nichtserbische Oberschicht
       gefangengehalten: Ärzte, Rechtsanwälte, Parlamentsabgeordnete und andere
       Politiker, Unternehmer und die Verwaltungsspitzen.
       
       Mindestens 800 Gefangene wurden bestialisch ermordet. Insgesamt fielen im
       Bezirk Prijedor über 3.300 Menschen, meist Muslime, dem serbischen Terror
       zum Opfer.Nach dem Krieg gab es keine Entschuldigung der serbischen
       Führung. Einige Täter wurden verhaftet und nach Den Haag gebracht, doch
       „viele laufen noch frei herum“, sagt Sudbin.
       
       Die täglichen Anfeindungen aus der serbischen Bevölkerung machen Sudbin und
       seinen Mitstreitern bis heute zu schaffen. „Deshalb hatten wir doch so
       große Hoffnungen, als Mittal 2004 das Erzbergwerk Omarska kaufte, um wieder
       Eisenerz zu fördern.“
       
       Vielleicht war der Firma damals nicht so klar, welche Bürde mit dem Namen
       Omarska verbunden war. Auf einer Pressekonferenz 2005 jedoch versprach
       ArcelorMittal, eine Gedenkstätte auf dem Gelände des Bergwerks
       einzurichten. Das weiße Haus, das 1992 das Folterzentrum war, sollte den
       Mittelpunkt bilden.
       
       ## Seilschaften verhindern Denkmal
       
       Die bosnisch-serbischen Behörden meldeten Einspruch an. Prijedors
       Bürgermeister Marko Pavic, der 1992 an der Organisation der „ethnischen
       Säuberungen“ beteiligt gewesen sein soll, freundete sich mit den indischen
       Mitarbeitern der Firma an. Der indische Hauptaktionär Lakshmi Mittal ließ
       den Serben in Indien einen großen Empfang zuteil werden, und aus der
       Gedenkstätte wurde nichts.
       
       „Das große Kapital ist vor ein paar Provinznationalisten in die Knie
       gegangen“, bedauerte Ed Vulliamy bei einem Treffen der Kriegsreporter vor
       wenigen Monaten in Sarajevo. Der einstige Guardian-Reporter und die
       damalige Fernsehjournalistin Penny Marschall hatten mit ihren Reportagen
       über die Konzentrationslager großes Aufsehen erregt.
       
       Ihre Veröffentlichungen vom 5. August 1992 hatten direkten Einfluss auf das
       Schicksal der Gefangenen. Schon einen Tag später wurde Omarska auf Befehl
       des bosnischen Serbenführers Radovan Karadzic aufgelöst.
       
       Ed Vulliamy war es auch, der jetzt zu Aktionen gegen ArcelorMittal in
       London aufrief. Doch die Aktivisten aus Prijedor hatten Schwierigkeiten,
       Visa für Großbritannien zu erhalten. Die Pressekonferenz fiel ins Wasser.
       
       ## Täter müssten zustimmen
       
       Immerhin hat das Internationale Olympische Komitee an Sudbin einen Brief
       geschrieben, in dem steht, man unterstütze alle Aktivitäten für Versöhnung,
       und das Orbit sei ein Projekt der Stadt London und gehöre nicht zu den
       Olympischen Spielen.
       
       Am 6. August begingen Tausende von Menschen den 20. Jahrestag der Auflösung
       des Lagers auf dem Gelände des Erzbergwerkes in Omarska, unter ihnen
       angereiste Bosnier aus London. Sie ließen weiße Ballons zum Gedenken an die
       Toten in den Himmel aufsteigen. ArcelorMittal sagte in einer Stellungnahme,
       man sei „immer noch bereit, den Bau einer Gedenkstätte zu unterstützen,
       wenn die Parteien sich einigen“. Die Täter müssen also zustimmen.
       
       8 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erich Rathfelder
 (DIR) Erich Rathfelder
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
       
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