# taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Vorhautneid und Peitschenhiebe
       
       > Willkommenim Killer-Porno-Schmerz-und-Lust-und-Penis-Sommer. Machen Sie
       > es sich gemütlich, denn es wird hart.
       
 (IMG) Bild: Begierde, Schmerz, Körperteile – die Themen dieses Sommers.
       
       Überall heißt es gerade: Das ist doch kein Sommer. Richtig. Ist es nicht.
       Ihnen kann ich es ja sagen: Der Sommer wurde in diesem Jahr ersetzt durch
       ein riesengroßes Sex-and-Crime-Programm. Bisschen trashig, bisschen ernst,
       mehr oder weniger sorgfältig angeordnet um die Themen Begierde, Schmerz,
       Körperteile.
       
       Es begann damit, dass ein kanadischer Pornodarsteller seinen Liebhaber
       zerhackte und per Post verschickte. Im Juni fand man den Typen in Berlin
       und nahm ihn fest, also nicht den Liebhaber, den hatte man ja zumindest
       teilweise schon gefunden, sondern den mutmaßlichen Mörder – den
       „Porno-Killer“ (Bild), äh, sorry, den „mutmaßlichen Porno-Killer“ (Bild),
       na ja, jedenfalls den „Porno-Kannibalen“ (Bild). 
       
       Oder nein, eigentlich begann das alles sogar schon im Mai, als das
       Landgericht Köln die Sache mit der Beschneidung entschied. Seitdem gibt es
       in Deutschland eine – ich schätze mal hierzulande historisch beispiellose –
       öffentliche Diskussion über Penisse, Selbstbestimmung und Körperverletzung.
       Das Thema Penis auf Titelseiten, wann gab es das zuletzt? Das geht so weit,
       dass ebenjene Zeitung, deren Webseite Sie gerade lesen, neulich fragte:
       „Gibt es ein Menschenrecht auf Vorhaut?“
       
       Natürlich gibt es keine dummen Fragen, sondern nur dumme Antworten. Aber
       falls die Frage mit Ja beantwortet wird, freue ich mich schon auf meine
       Entschädigung für die 26 Jahre, in denen ich bisher ohne Vorhaut leben
       musste. Vorhäute für alle, Wahnsinn.
       
       Weil mich diese Vorhautdebatte aber ansonsten nur indirekt betrifft, habe
       ich zwischendurch „Shades of Grey“ gelesen, diesen
       Sadomaso-Porno-Bestseller, von dem jetzt alle reden. Sex and Crime mit
       hohem Schöner-wohnen-Anteil. Kurz gefasst: Eine schüchterne und etwas
       dämliche Literaturstudentin verliebt sich in einen superattraktiven
       Millionär, der nicht nur einen Privatjet, einen Hubschrauber, mehrere Autos
       und einen Diener besitzt, sondern auch einen gigantisch großen Piephahn.
       Und eben eine Vorliebe für harten Sex, aber natürlich nur, weil er einen an
       der Waffel hat, weil seine Mutter böse war. Jedenfalls auch hier wieder
       unsere sommerlichen Leitthemen: Sex, Gewalt, Sex, Gewalt.
       
       Genau wie in „Guilty of Romance“ (warum übersetzt eigentlich niemand die
       Titel? „Schmieriges Grau“ und „Schuldiges Stöhnen“ wären meine Vorschläge),
       einem Blut-und-Tränen-Gemisch, das gerade im Kino läuft und in dem es
       hauptsächlich darum geht, dass drei Frauen ein Doppelleben führen, nämlich
       einerseits als Hausfrau/Dozentin/Detektivin und andererseits als
       Pornodarstellerin/Prostituierte. Ein elendig langer Film, der sich in einem
       Satz zusammenfassen lässt: Huch, was ist denn hier los, oh nein, ich will
       nicht, oh doch, ich will, aua, aua.
       
       Was das alles soll, weiß ich auch nicht. Ich persönlich könnte auf diesen
       Porno-und-Schmerz-Sommer mit seinem Peitschenkitsch voll verzichten. Ein
       normaler Sommer würde mir genügen. Aber man will ja immer das, was man
       nicht hat. Vielleicht finde ich es sogar geil, ein bisschen zu leiden. Ja,
       wahrscheinlich ist es das. Ist ja nicht so, dass ich aus dem Guilty- und
       Grey-Zeug nichts gelernt hätte.
       
       25 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Margarete Stokowski
       
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