# taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Bei echten Sexisten im Hirn
       
       > Wie hätten Sie diese Kolumne denn gerne? Gepiepst? Geheult? Gekeift?
       
       Klar, im Großen und Ganzen läuft es ganz gut mit der Gleichberechtigung.
       Eigentlich ist alles schon erledigt. Feminismus, come on, Schnickschnack!
       Wozu noch kämpfen?
       
       Frauen dürfen doch heute alles machen, was sie wollen. Sie dürfen Hosen
       tragen und studieren (sogar was mit Technik), ein Bankkonto eröffnen, Auto
       fahren, wählen oder sich wählen lassen, rauchen, abtreiben, sich
       prostituieren (und das Geld behalten), andere Frauen heiraten, Witze machen
       (sogar über Männer, hihi) oder schlimme Wörter sagen (Ficken! Fotze!
       Frauenfördermittel!).
       
       Frauen dürfen sogar unaufgefordert in der Öffentlichkeit sprechen oder
       eigene Texte veröffentlichen. Also in Deutschland jedenfalls, und in vielen
       anderen Ländern auch. Natürlich gibt es dabei ein paar kleine Regeln. Wenn
       eine Frau ihre Meinung äußert, dann läuft das in den meisten Fällen wie
       folgt: Sie kann grundsätzlich eine von drei Tonlagen wählen – piepsen,
       heulen oder keifen. Dabei gibt es wiederum drei Nuancen: naiv (bis 35
       Jahre), verbittert (ab 35 Jahre) oder hysterisch (geht immer).
       
       Tonlage und Nuance sind frei kombinierbar. Wenn in einer Arbeitsbesprechung
       eine Frau etwas nicht kapiert hat, kann sie gerne nachfragen, am besten
       naiv piepsend: „Mimimi, kann mir das mal jemand erklären, bitte?“ Das ist
       zielführender und auch femininer, als groß herumzudiskutieren. Oder wenn
       einer Frau nicht passt, dass ein Mann seine Zuneigung durch spontane
       Berührungen ausdrückt, dann sollte sie hysterisch keifen: „Hallo? Das ist
       ja wohl mein Arsch und nicht deiner?“
       
       Die Sache mit der Hysterie ist ein Klassiker, funktioniert aber immer
       wieder. Diskutierende Männer sind energisch, konsequent, manchmal
       aggressiv. Frauen: hysterisch. Schon mal einen hysterischen Mann gesehen?
       Eben.
       
       Wer jetzt sagt, dass das schon seit ein paar Jahrzehnten nicht gilt, kann
       mal eben den Praxistest machen. Man braucht dazu nur die Reaktionen zu
       beobachten, wenn eine Politikerin sich öffentlich äußert oder wenn eine
       Frau in einer Talkshow auftritt oder einen Meinungstext verfasst. Es ist
       leider so: Frauen, die in der Öffentlichkeit ihre Meinung sagen, lösen
       immer noch Verwirrung aus. Deswegen ist es total praktisch, sie als
       piepsende Mäuschen, heulende Zicken oder keifende Furien einzuordnen. Weil
       Ordnung muss sein, auch online. Klar, Onlinekommentare sind genrebedingt
       oft gehässig und gar nicht schön, aber dafür lässt sich an ihnen die volle
       Bandbreite möglicher Reaktionen studieren. (Vorausgesetzt, die Debatte
       verläuft sich nicht in Meinungen über Frisur/Kleidung/Figur/Schminke der
       jeweiligen Frau. Aber auch das kann spannend sein.) Man kann online sogar
       echten, überzeugten Sexisten quasi direkt ins Hirn gucken, und das ist
       schon ziemlich interessant. Ekelhaft, aber auch interessant. So gesehen ist
       es total nett, dass diese Typen so gerne Auftritte oder Texte von Frauen
       kommentieren. Im Offlineleben ist es nämlich gar nicht so leicht,
       ausführlich zu erfahren, wie perverse, frauenfeindliche Schweine denken.
       Das geht mir jedenfalls so. Ich muss dann immer keifen.
       
       29 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Margarete Stokowski
       
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