# taz.de -- Bürgerkrieg in Syrien: Freitags gibt’s kein Taxi in den Tod
       
       > Syrische Flüchtlinge kämpfen ums Überleben. Sie sehen Freunde sterben und
       > haben wenig Hoffnung. Eine Ausreise scheitert an den strengen
       > Visa-Bestimmungen.
       
 (IMG) Bild: Eine zerbombte Stadt aus der es kaum ein Entkommen gibt: Damaskus.
       
       BEIRUT taz | „Verdammt, mein Cousin ist gerade erschossen worden, ich muss
       zum Begräbnis nach Damaskus!“ schrie Aischa, nachdem sie einem Anruf ihrer
       Familie am Freitagmittag erhalten hatte. Ihr entfernter Bekannter Maher,
       26, hatte es über die umkämpfte Straße, die von Damaskus nach Beirut führt,
       am Tag zuvor geschafft, die Hölle der syrischen Hauptstadt hinter sich zu
       lassen.
       
       Nun saß er mit anderen Aktivisten, Flüchtlingen, normalen jungen Syrern
       aller Konfessionen, beim starken schwarzen Kaffee und vertrieb sich die
       Zeit mit Zigarettenrauchen, Austausch von Informationen, den neuesten
       Al-Assad-Witzen und natürlich der permanenten Diskussion über den Fortgang
       der Revolution. „Einen Scheiß wirst du tun, wir lassen dich jetzt am
       Freitag nicht zum Begräbnis nach Damaskus fahren. Es sei denn, du willst
       gleich dein eigenes Grab schaufeln, dann komm, dann lassen wir alle das
       Leben sein und fahren mit Dir in den Tod.“
       
       Aischas Cousin war auch Christ, aber wie so viele junge Syrer komplett
       unreligiös, abgetörnt und genervt von allem, was mit Religion zu tun hat.
       Leider vereint die Religion im Nahen Osten die Menschen nicht in ihrer
       Liebe zu Gott, viel mehr stiftet sie zum ständigen, sublimen Kampf an, um
       den besseren Gott und die wahrere Religion.
       
       In den letzten Monaten seines Wehrdienstes war er für die staatliche
       syrische Armee und zusammen mit einigen Kameraden für einen Checkpoint
       verantwortlich. Statt den Checkpoint, wie die Rebellen und viele Soldaten
       Al-Assads auch in der Gluthitze des Tages zu verlassen und sich im Schatten
       abzulegen, nahm er seinen Job, für die Sicherheit der syrischen Staates zu
       sorgen, ernst. Andernfalls wäre er von seinen eigenen Leuten gleich
       erschossen worden. Jetzt war es aber die Freie Syrische Armee, die ihn bei
       dem Sturm auf die Straßensperre tötete.
       
       ## Alptraumgedanke: Erntehelfer, für 15 Dollar pro Tag
       
       Aischas WG-Mitbewohner hielten sie von der Fahrt in den sicheren Tod ab, um
       einem von rund 20.000 Begräbnissen der letzten 16 Monate beizuwohnen.
       Ohnehin hätte sie an diesem Freitag im Ramadan, der die sonst so quirlige
       libanesische Hauptstadt tagsüber in eine Art Dauersiesta versetzt, kein
       Taxi in den Krieg gefunden. Es wäre auch zu Schade um sie gewesen – die
       schöne moderne Aisha ist 34 und lebt seit längerem in Beirut, natürlich
       nicht als Flüchtling, sondern als Aktivistin im Exil.
       
       Zusammen mit ihrem Freund, einem diplomierterten Programmierer, mietete
       Aischa eine für die beiden viel zu große Wohnung, um ein sicheres Haus für
       verängstigte, traumatisierte Freunde, Freunde von Freunden und Bekannte von
       Freunden von Freunden zu haben. Obwohl die 140-Quadratmeter-Wohnung für
       Beiruter Verhältnisse nur spott-billige 600 Dollar kostet, müssen diese
       erst einmal verdient werden. Natürlich kommt ein Job als Erntehelferin bei
       ca. 50 Grad Hitze, den viele syrische Saisonarbeiter traditionell in der
       fruchtbaren Bekaa-Ebene des Libanon ausführen, für die moderne viersprache
       Frau nicht in Frage.
       
       Die Syrer, die bei ihr ankommen, haben noch Macintosh-Computer,
       Ray-Ban-Sonnenbrillen und echte Levis-Jeans aus besseren Zeiten – Syrien
       befand sich im Aufschwung, und wer das Glück hatte mit ausländischen
       Stiftungen oder internationalen Organisationen arbeiten zu können, konnte
       in Damaskus gut und gerne 1.500 Dollar pro Monat verdienen. Ein
       Universitätsprofessor verdiente zwischen 250 und 700 Dollar, je nach Alter
       und Hochschule.
       
       Aber einen vernünftigen Job im Libanon zu finden, ist nicht einfach – dem
       Land geht es wirtschaftlich schlecht, die reichen saudischen Touristen und
       ihre Nachbarn aus den Golfstaaten, die Beirut im Sommer und besonders im
       Ramadan gerne zu Tausenden als Refugium vor der Hitze und dem religiösen
       Wahn nutzen, sind in diesem Jahr aufgrund von Reisewarnungen ihrer
       Regierungen fortgeblieben. Nicht, weil der Libanon jetzt so gefährlich ist,
       aber weil es hier immer knallen kann. Und der Evakuierungsweg gen Golf
       führt nun einmal über Syrien.
       
       ## Deutsche Visapolitk skandalös
       
       Derzeit wissen Aischa und ihr Freund nicht einmal, wie viele Menschen genau
       in der luftigen und geräumigen Altbauwohnung mit den beiden Terrassen
       wohnen. Die Betten, Schlafplätze und Sofas sind belegt, umschichtig, von
       jungen Menschen, die tolle Ausbildungen und internationale Berufserfahrung
       haben, die ihnen in vielen Städten der Welt sofort zu gut bezahlten Jobs
       verhelfen würden würden. Aber niemand hat das Interesse, ihnen ein Visum zu
       geben. Dabei wäre ihnen fast jedes Land recht.
       
       Es kann dieser Tage schon vorkommen, dass man als Deutsche beschimpft wird,
       da unsere Visapolitik in Bezug auf die syrische Flüchtlinge weniger als
       bescheiden ist. Wer sich für ein deutsches Visum im Libanon bewerben will,
       muss bis November warten, nur um einen Termin in der Deutschen Botschaft zu
       bekommen, die einem Hochsicherheitsgefängnis gleicht. Selbst Syrer, die mit
       Deutschen verheiratet sind, werden abgewiesen. Über die skandalöse Deutsche
       Visapolitik in der Region lesen Sie bald mehr – hier auf taz.de, auf dass
       sich etwas ändern möge.
       
       28 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Leila Djamila
       
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 (DIR) Schwerpunkt Syrien
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