# taz.de -- Ausländerbehörde greift durch: Abschiebung aus dem Feriencamp
       
       > Eine Hamburger Behörde will eine Roma-Familie abschieben. Die Mutter soll
       > durch Wegnahme des Babys genötigt worden sein, den Aufenthaltsort der
       > Geschwister preiszugeben.
       
 (IMG) Bild: Warten auf die Abzuschiebenden: Polizisten in Hamburg.
       
       HAMBURG taz | Die 12-Jährige Dvevrija Aliji sitzt gerade in den Dünen der
       nordfriesischen Insel Föhr am Lagerfeuer. Das Roma-Mädchen ist mit ihren
       kleineren Schwestern Sibela (11), Nazira (9) und Sajda (7) ins Sommercamp
       der SPD-nahen Jugendorganisation „Die Falken“ gereist. Sie singen Lieder
       der Arbeiterbewegung und der Hoffnung. „Sie sangen gerade ’Unter dem
       Pflaster, ja da liegt der Strand‘, als um 20.30 Uhr mein Handy klingelte“,
       berichtet der Landeschef der Hamburger Falken, Tilmann Dieckhoff.
       
       Eine Mitarbeiterin der Hamburger Ausländerbehörde ist in der Wohnung der
       Alijis, will den Aufenthaltsort der vier Mädchen wissen und fordert, dass
       sie zur Abschiebung abholbereit sein sollen. „Allein die Tatsache, dass die
       Kinder nicht mehr mit der Fähre ans Festland gebracht werden konnten,
       verhinderte vermutlich die Abschiebung aus dem Ferienlager“, sagt
       Dieckhoff.
       
       Kurz zuvor hatte nach Bewohnerangaben ein Polizei-Kommando imt Auftrag der
       Ausländerbehörde die Flüchtlingsunterkunft Billstieg im Stadtteil Billstedt
       gestürmt. Vor der Tür steht ein Bus von „Hanse-Rundfahrt“, der die Familie
       zum Abschiebeflieger nach Düsseldorf bringen soll. Als die Mitarbeiterin
       der Ausländerbehörde merkt, dass die Kinder gar nicht zugegen sind,
       entreißt sie der Mutter Sajda Aliji nach eigenen Angaben den 15 Monate
       alten Sohn Andrejas und droht, das Baby zusammen mit Vater Sebastijan
       allein nach Mazedonien abzuschieben, falls die Mutter nicht den
       Aufenthaltsort der vier Töchter preisgebe.
       
       Die Mutter selbst hat noch eine Duldung bis zum Dienstag dieser Woche. „Die
       Sachbearbeiterin hat der Mutter einen Zettel mit einer Telefonnummer aus
       der Hand gerissen“, sagt der herbeigeeilte Reimer Dorn, der als
       Angehörigenberater die Familie betreut, seit sich Vater Sebastijan wegen
       Depressionen in psychiatrischer Behandlung befindet.
       
       Dass es dann doch zur Duldung der Kinder kommt, ist wohl eher dem Zufall
       geschuldet. „Die Ausländerbehörde wollte wohl einen totalen Imageschaden
       verhindern, wenn die Kindern direkt aus dem Ferienlager abgeholt worden
       wären“, sagt die Hamburger Falken-Sprecherin Lea Wengel der taz. Und ein
       Hubschraubereinsatz hätte die gesamte Touristeninsel aufgerüttelt. „Die
       Ausländerbehörde hätte wissen müssen, dass die Kinder auf Föhr sind“, sagt
       Wengel. Denn sie habe ja selbst die Residenzpflicht für das Sommercamp
       aufgehoben.
       
       „Die aus dem kaltblütig inszenierten Drama für die Kinder und ihre Eltern
       erwachsenden Belastungen und seelischen Schäden sind unabsehbar“, schimpft
       die innenpolitische Sprecherin der Linkspartei, Christiane Schneider. Ihre
       Kollegin Antje Möller (Grüne) kündigt an, den „rechtsstaatlich
       unerträglichen und inhumanen Vorgang“ in den Bürgerschafts-Innenausschuss
       zu bringen.
       
       Dies ist bereits der dritte Fall in kurzer Zeit, der zu Kontroversen über
       die Hamburger Ausländerpolitik führt. Ende Juni wurde die fünfköpfige
       Roma-Familie Racipovic nach Serbien ausgewiesen, obwohl die drei Kinder
       hier geboren sind. Zwei von ihnen wurden Mitte Juni von SPD-Schulsenator
       Ties Rabe ausgezeichnet – und abgeschoben.
       
       Seit 13 Jahren lebt die 43-jährige Armenierin Armine Sarkissian in Hamburg.
       Ihre 17-jährige Tochter Melania steht kurz vor dem Abitur, die 11-jährige
       Anna ist gebürtige Hamburgerin, beide gelten als bestens integriert. Laut
       Ausländerbehörde ist die Identität der drei aber nicht zweifelsfrei
       geklärt. Deshalb stellte sie im März sämtliche Unterhaltszahlungen ein.
       Mutter und Töchter leben seitdem von Spenden. Wegen dieser Fälle hat der
       grüne Fraktionschef in der Bürgerschaft, Jens Kerstan, der SPD eine
       Flüchtlingspolitik „wie einst der Rechtspopulist Ronald Schill“
       vorgeworfen.
       
       Innensenator Michael Neumann (SPD) konnte am Sonntag keine Stellungnahme
       abgeben. Die Sachbearbeiterin hatte den Vater Sebastijan Aliji höchstselbst
       Samstagmorgen nach Mazedonien gebracht und sei fernmündlich nicht
       erreichbar. Ihr angebliches Vorgehen sei aber, so Neumanns Sprecherin
       Swantje Glissmann, „nicht vorstellbar“.
       
       29 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) K. von Appen
 (DIR) S.-M. Veit
       
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