# taz.de -- Moderation von Online-Petitionen: Eigene Meinung bleibt draußen
       
       > Ob Vorratsdatenspeicherung oder Hebammenversorgung: Bei einer
       > Onlinepetition zu einem kontroversen Thema haben die Moderatoren gut zu
       > tun.
       
 (IMG) Bild: Echt modern: Petitionen an den Bundestag können seit 2008 auch elektronisch geschickt werden.
       
       BERLIN taz | Am Arbeitsplatz von Werner Helbrecht* tobt gerade wieder der
       Streit. Es geht um Asylpolitik und die Frage: Sollen Asylsuchende
       Einzelunterkünfte bekommen, einen Anspruch auf anwaltschaftliche
       Vertretung, Deutschkurse, eine Arbeitserlaubnis?
       
       Helbrecht hat das hier egal zu sein. Und selbst wenn nicht – am
       Arbeitsplatz muss er es schaffen, seine Meinung auszuschalten. Denn er ist
       nur der Moderator. Er schaut auf die Beiträge der Nutzer und überlegt: Geht
       es am Thema vorbei? Löschen. Beleidigung? Auch löschen. Fäkalsprache?
       Sowieso löschen. Darunter immer ein netter Hinweis: „Bitte beachten Sie die
       Richtlinie.“
       
       Seit vier Jahren ist Helbrecht einer von drei Moderatoren im Sekretariat
       des Petitionsausschusses. Wobei die Bezeichnung Sekretariat reines
       Understatement ist. Die Menschen, die hier sitzen, sind vielmehr der Kopf
       des Petitionsausschusses, die Kraft, die organisiert, moderiert und
       irgendwie alles zusammenhält, damit sich die Abgeordneten, wenn sie zu den
       Ausschusssitzungen zusammenkommen, ganz auf die Inhalte konzentrieren
       können.
       
       „Bei den ersten Beiträgen eines Nutzers ist man immer etwas großzügiger“,
       sagt Helbrecht. Er sitzt in einem Konferenzraum im Bundestagsgebäude, in
       dem die Mitarbeiter des Ausschusses ihre Arbeitsplätze haben. Dunkelblauer
       Teppich, grau-beiges Mobiliar, im Hintergrund meterweise Aktenschränke.
       
       ## Reden ja, Namen nennen nein
       
       In einer Ecke steht ein überdimensionaler gelber Postkasten, für
       öffentlichkeitswirksame Aktionen mit gedruckten Petitionen. Die Klimaanlage
       surrt leise. Seinen echten Namen möchte Helbrecht nicht in der Zeitung
       lesen, denn als Moderator mache man sich mitunter ziemlich unbeliebt. Reden
       ja, Namen nennen nein.
       
       Seit dem 18. Oktober 2008 können Petitionen an den Bundestag auch
       elektronisch eingereicht werden, nach schottischem Vorbild. Während anfangs
       noch einige tausend Nutzer diskutierten und Petitionen einreichten, ist die
       Petitionsgemeinde inzwischen angewachsen: Mehr als 1,3 Millionen Menschen
       sind heute dabei, im Schnitt kommen 125 Posts täglich. „Den ersten richtig
       großen Schub an Nutzern hat uns die Petition zum bedingungslosen
       Grundeinkommen gebracht“, so Helbrecht.
       
       50.000 Unterstützer, das ist die magische Grenze. Wer so viele Menschen
       mobilisieren kann, der darf selbst in den Petitionsausschuss zu den
       Abgeordneten kommen und sein Anliegen vorbringen. Nicht viele schaffen das.
       
       Unter den Petitionen, die bereits abgeschlossen sind, war eine dabei, neun
       weitere befinden sich noch in der parlamentarischen Prüfung. Mit dabei
       unter anderem Petitionen zur wohnortnahen Versorgung durch Hebammen, gegen
       die Vorratsdatenspeicherung und zu einer Reform der Verwertungsgesellschaft
       Gema.
       
       ## Weniger als zwei Prozent werden gelöscht
       
       Das mit der Moderation funktioniert so: Helbrecht klickt sich durch die
       Diskussionen, liest die Beiträge und markiert sie anschließend als
       „gelesen“. Oder er geht auf „löschen“ und fügt einen Hinweis ein. Die
       meisten Nutzer, darauf legt Helbrecht Wert, benehmen sich gut. „Wir löschen
       weniger als 2 Prozent der Beiträge.“
       
       Dass die Moderatoren Kommentare im Nachhinein löschen und nicht aktiv
       veröffentlichen, macht es den Mitarbeitern leicht und schwer gleichzeitig.
       Leicht, weil sie nicht morgens an einen Arbeitsplatz gehen, wo erst einmal
       ein Schwall über Nacht angelaufener Kommentare auf sie wartet.
       
       Schwer, weil die Diskutanten sich nicht um Büroarbeitszeiten kümmern. „Wenn
       ich da am Sonntagmorgen sehe, da brennt was an, dann setze ich mich an den
       Schreibtisch und greife ein“, sagt Helbrecht. Zwei, drei Stunden seien da
       schnell vorbei, vor allem bei einer spannenden Diskussion.
       
       Ein einziges Mal passierte es bislang, dass die Moderatoren wirklich
       überfordert waren. Das war die Petition von Franziska Heine, die sich gegen
       die geplante Sperrung und Indizierung von Internetseiten wehrte. 134.015
       Mitzeichner waren es am Ende. „Die haben schneller geschrieben, als wir
       moderieren konnten“, erzählt Helbrecht. „Diese Diskussion zu moderieren war
       schlichtweg unmöglich.“ Man habe sie dann einfach laufen lassen.
       
       *Name von der Redaktion geändert
       
       7 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
       
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