# taz.de -- Bürgerkrieg in Syrien: Angst vor Sippenhaft
       
       > In den „befreiten“ syrischen Städten herrscht Furcht vor der Rückkehr der
       > Armee. Viele Soldaten desertieren nicht – aus Angst um die Sicherheit
       > ihrer Familien.
       
 (IMG) Bild: In den befreiten Gebieten wächst die Angst vor einer Rückkehr der Armee.
       
       SALKIN taz | „Aleppo, Damaskus, Deraa! Wir opfern unser Leben für euch!“,
       rufen die Demonstranten, die sich auf dem Uhrenplatz im Zentrum der
       syrischen Kleinstadt Salkin versammelt haben. Ein Mann im weißen Hemd
       klettert auf das Podest. Er sagt der Menge, die Armee, die die Umgebung des
       Ortes 65 Kilometer westlich von Aleppo kontrolliert, sei auf dem Vormarsch
       in die Stadt. „Ihr müsst gehen“, ruft er und wedelt mit den Armen, wie um
       die Leute zu verscheuchen. Niemand beginnt zu diskutieren. Innerhalb von
       Minuten ist der Platz leer.
       
       Die Auflösung der Demonstration zeigt das prekäre Verhältnis zwischen den
       30.000 Einwohnern von Salkin und dem Regime von Präsident Baschar al-Assad.
       „Hau ab, Baschar“ steht auf einer Schulwand. Nach einem dreiwöchigen Kampf
       ist die Armee größtenteils abgezogen. Aber sie kann jederzeit wiederkommen.
       
       „Unser Unmut über die Diktatur ist seit 50 Jahren gewachsen“, sagt Siad
       al-Sajed, ein Kommandant der Freien Syrischen Armee. „Was in Deraa und Homs
       geschehen ist, hat dazu geführt, dass unsere Wut explodiert ist.“ Er
       bezieht sich auf den Beschuss von Wohngegenden durch die Regierungstruppen
       in beiden Städten, wobei Hunderte, wenn nicht Tausende Menschen getötet
       wurden. „Bei dieser Revolution geht es nicht um Brot, sondern um Würde.“
       
       Der Kampf um die Befreiung von Salkin begann Ende Juni. Die Gefechte gingen
       hin und her, beide Seiten machten Geländegewinne und verloren es wieder.
       Jedes Mal, wenn die Armee das Stadtzentrum zurückeroberte, übermalten die
       Soldaten die gegen Assad gerichteten Graffiti. Am 17. Juli zog sich die
       Armee schließlich in die Hügel oberhalb von Salkin und in das Tal entlang
       der Grenze zur Türkei zurück.
       
       ## Panzersalven auf die Moschee
       
       Zum Abschied feuerte ein Panzer auf die wichtigste Moschee der Stadt und
       zerstörte sie. Die Geschosse schlugen ein riesiges Loch ins Dach, dabei
       kamen zwei Betende um, zehn weitere wurden verletzt. Angesichts solch einer
       Feuerkraft ist es überraschend, dass die Armee das Zentrum von Salkin heute
       nicht besetzt hält.
       
       Es ist bekannt, dass die Armee aus anderen Landesteilen Truppen für den
       Kampf um Aleppo abgezogen hat. Aber einer der Rebellen, der sich Sakur
       nennt, sagt, es habe noch einen Grund für den Rückzug gegeben: die Armee
       habe ihren Kampf mit der Bevölkerung nicht fortsetzen wollen, weil sie
       Überläufer in den eigenen Reihen befürchte.
       
       Sakur sagt, im vergangenen Monat hätten sich fünf Soldaten seiner Einheit
       angeschlossen. Einer von ihnen ist der 22-jährige Gefreite mit dem
       Kampfnamen Abu Stajef. Er sagt, es gäbe zahlreiche Soldaten, die überlaufen
       wollten, „aber sie haben Angst um ihre Familien“. Verwandte von Überläufern
       werden in Syrien bestraft. Als er nach Salkin geschickt worden sei, hätten
       seine Kommandanten gesagt: „Die Feinde sind Terroristen. Wenn du nicht
       tötest, wirst du getötet.“ Aber als Abu Stajef sich den Demonstranten von
       Angesicht zu Angesicht gegenübersah, habe er ein anderes Bild wahrgenommen:
       „Die jungen Leute sind gute Menschen.“
       
       7 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jasper Mortimer
       
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 (DIR) Schwerpunkt Syrien
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