# taz.de -- Kinofilm „Prometheus“: Die DNA schwarz anmalen
       
       > Ridley Scotts „Alien“-Prequel „Prometheus“ ist der beste Alien-Film, den
       > es je gab. Trotzdem überzeugt er weder als Schauspieler- noch als
       > Thesenfilm.
       
 (IMG) Bild: Michael Fassbender, als Android ausgestattet mit der Fähigkeit, die Träume der Teilnehmer per „neuro vision“ holografisch zu materialisieren.
       
       Ridley Scotts „Alien“-Prequel „Prometheus“ hebt an mit einem raunenden
       Prolog vor dramatischer Naturkulisse: Ein humanoides Wesen,
       alabasterfarben, fast transparent die Haut, tritt an einen gigantischen
       Wasserfall und nimmt leicht fremdgesteuert einen Gifttrunk ein. Über dem
       weiß leuchtenden Lendenschurzmann hat sich ein klassisch untertassiges
       Raumschiff unter die Wolken gemischt und überwacht den zeremoniellen
       Vorgang, der sich als Opferhandlung erweisen wird.
       
       In rasanter Kinetik folgt die Kamera der pechschwarzen Flüssigkeit in das
       Körperinnere des Trinkers, den es nun buchstäblich und nicht eben
       schmerzfrei in seine Elementarbestandteile zerlegt. Eine stolze Doppelhelix
       schwebt als 3-D-Bild skulptural im Zuschauerraum, färbt sich schwarz,
       zerbirst, um sich dann in eine rasche Zellteilung zu übersetzen. Sie leben!
       Proliferation setzt Destruktion voraus.
       
       In etwa so hatten wir uns das schräge Gedankengut der
       Intelligent-Design-Bewegung immer vorgestellt. Höheres Wesen befahl: DNA
       schwarz anmalen. Weniger gefallen dürfte dem neo-kreationistisch
       informierten Betrachter, dass sich die vermeintlichen Urheber menschlicher
       Existenz weder als gütig noch als sonderlich intelligent herausstellen.
       Nicht jede Zurückweisung Darwins läuft auf den Schöpfungsbegriff der
       evangelikalen Rechten hinaus.
       
       Durch diesen Überbau-Prolog muss man als „Prometheus“-Zuschauer also erst
       mal durch. Anschließend lassen die fragwürdigen Durchsagen deutlich nach,
       sieht man vom Christuskreuz ab, das an einer Halskette der ansonsten gut
       orientierten Wissenschaftlerin Dr. Elizabeth Shaw (Noomi Rapace) baumelt.
       
       ## Expedition ins All
       
       Shaw erkennt in urzeitlichen Höhlenzeichnungen den Spuk, aus dem Prolog für
       die Nachwelt figuriert, schlägt Alarm, benötigt jedoch Drittmittel, um ihre
       Forschungshypothese verifizieren zu können. Wie so oft bleibt nur die
       Privatwirtschaft. Deshalb findet die Expedition ins All im Auftrag eines
       freudlos nach Lebensverlängerung gierenden Konzernführers (hinter
       greisenhafter Gummimaske: Guy Pearce) statt. Die Wissenschaftler sollen
       klären, ob die opferbereiten Existenzstifter nicht auch Getränke im
       Kühlschrank haben, die ewiges Leben gewähren.
       
       Die korporatistischen Interessen während der Reise vertritt eine wenig Spaß
       verstehende Eisblondine im knallengen Jump-Suit, die allerdings schnell
       rumzukriegen ist, falls ihr auch in sexueller Hinsicht roboterhafte
       Frigidität unterstellt wird. So viel zum, nun ja, „Genderdiskurs“ von
       „Prometheus“. Sigourney Weavers hart erarbeitete feministische Ermächtigung
       aus den späten 70er Jahren ist hier nicht mal mehr Deckerinnerung.
       
       Verkörpert wird die aktuelle Raumschiffleitung von Charlize Theron, die als
       Befehle von oben weitergebende Kapitalmarionette eine gute Figur auf den
       Laufstegen der Mission macht. Auf Ripleys klaren Dezisionismus hätte sie
       vermutlich mit einem epischen Cat Fight reagiert.
       
       ## Gestenvorbild: Lawrence von Arabien
       
       Ebenfalls nichtmenschlich agiert Michael Fassbenders Figur David. Er ist
       der eigentliche Android der Expedition und ausgestattet mit der Fähigkeit,
       die Träume der Teilnehmer per „neuro vision“ holografisch zu
       materialisieren. Um die Mitreisenden nicht zu verschrecken, wurde ihm ein
       hart an der Grenze zum bloßen Running Gag gebauter Phänotyp verpasst, der
       unter dem beträchtlichen Programmierfehler leidet, Peter O’Tools Lawrence
       von Arabien nicht nur als Gestenvorbild, sondern auch als Idee vom
       Menschsein zu interpretieren. Fassbender verzieht keine Miene und spielt
       seinen Stiefel runter. Chargieren kann man bei Bedarf auch ohne Rumpf.
       
       Als Schauspielerfilm ist „Prometheus“ so limitiert wie als inspirierte
       Bearbeitung der einstmals zeitgeistdynamischen „Alien“-Reihe, die von Paul
       W. S. Anderson, einem Vordenker des heutigen B-Actionkinos, auf der Grenze
       zwischen Konzeptkunst und nach außen gestülpter Blockbusterwarenform
       präzise abgestellt worden war. „Alien vs. Predator“ (2004) hieß das
       seinerseits mit einem unnützen Sequel (Requiem, 2007) bedachte Fusionswerk,
       das überzeugend den Eindruck vermittelte, die beiden Marken seien nun für
       einige Zeit in der kommerziellen Sackgasse einer Meta-Begegnung ohne
       genuines Branding-Potenzial parkiert.
       
       Dass am Ende von „Prometheus“ dann doch noch Hansruedi Gigers
       Ur-Alien-Design sein zweizahnreihiges Haupt erheben darf, hat wohl nicht
       nur mit der finalen Sicherung des Prequel-Status’ zu tun, sondern ist auch
       Voraussetzung für die lizenzwirtschaftliche Verwertung des Films als
       vollwertiges Mitglied eines lange Zeit relativ brachliegenden Franchise.
       
       ## Solide Genremechanik
       
       Auch als spekulativer Thesenfilm dürfte „Prometheus“ niemanden wirklich aus
       der (anti-)metaphysischen Reserve locken. Wie auch, wenn das Erzählgerüst
       trotz titelgebender Fährte in Richtung antike Mythologie starke Anleihen
       bei Erich von Dänikens „Erinnerungen an die Zukunft“ hat. Drehbuchautor
       Damon Lindelof hat immerhin eine solide Genremechanik in den Film
       eingelassen, ein insgesamt etwas zu routiniert funktionierendes Gespür für
       Spannungsamplituden und vom produzierenden Auftraggeber fraglos erwartete
       Standards der Reihe.
       
       Dass man dennoch diesen Sommer wohl keinen wesentlich interessanteren
       Franchisefilm sehen wird, hat denn auch nicht mit Dänikens lustiger
       Techniktransferidee (Außerirdische als Nachhilfelehrer antiker
       Zivilisationen) oder erzählerischen Volten zu tun, sondern mit einigen
       viszeral-ästhetisch herausragenden Set Pieces.
       
       Der in den 80er Jahren ausgiebig theoretisierte „Body Horror“ der
       „Alien“-Reihe, das filmisch zelebrierte Unheimlichwerden eines
       (Brut-)Körpers unter forcierten Entfremdungsbedingungen, findet in
       „Prometheus“ eine denkwürdige Zuspitzung, wenn sich Noomi Rapace in einen
       vollautomatisierten Operationssarg einsperrt. In der Wissenschaftlerin
       wächst nämlich ein fremdartiger Aggrowurm heran, der schleunigst entfernt
       werden muss.
       
       Mit Rapace wird man als Zuschauer in einen maximal klaustrophobischen
       Terrorraum eingeschlossen, gegen den sich jeder filmgeschichtlich
       überlieferte Panic Room wie eine Großraumwohnung ausnimmt. In fiesen
       3-D-Ausgreifbewegungen schwenkt chirurgisches Hightech-Besteck auf einen
       zu, um schließlich einen menschlichen Fehlleistungen enthobenen
       Bauchdeckenpräzisionsschnitt zu setzen. Nicht nur Shaw braucht einige
       Minuten, um sich von diesem Gemetzel zu erholen. Sieht so etwa die Zukunft
       der Chefarztbehandlung aus?
       
       ## Eine prospektive Wunschmaschinenwelt
       
       Nicht nur im blutgetränkten OP-Automat, sondern auch in vielen anderen
       Schlüsselmomenten der Expedition sind die Crew-Mitglieder zur
       Selbstaufklärung auf bildtechnologische Prothesen verwiesen, die mehr und
       anderes sehen als das menschliche Auge. Fast enzyklopädisch dekliniert
       Scott auf dieser Ebene die zeitgenössischen Techno-Fantasien
       allgegenwärtiger Visualisier- und Speicherbarkeit durch.
       
       Wie eine autonome digitalästhetische Textur ziehen sich die vielen
       Hologramme, Raumvermessungssonden, Traumvisualisierungs-Displays durch
       „Prometheus“. Eine multimediale Science-Fiction-Landschaft für die
       Generation der „augmented reality“ entsteht dabei, eine prospektive
       Wunschmaschinenwelt der Unterhaltungsindustrie.
       
       Als 3-D-Kino auf der technikideologischen Höhe der Zeit wird „Prometheus“
       somit doch noch selbstreferenziell und erhaben: Raumbilder, die auf
       Raumbilder blicken, um dem allgemeinsten Seinsgrund auf die Spur zu kommen.
       Jenem grenzenlosen Universum, in dem immer „etwas“, nie „nichts“ ist. Jenem
       Weltraum, in dem dich immer noch niemand schreien hört.
       
       „Prometheus“. Regie: Ridley Scott. Mit Noomi Rapace, Michael Fassbender,
       Charlize Theron u. a. USA 2012, 124 Min.
       
       8 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simon Rothöhler
       
       ## TAGS
       
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