# taz.de -- Kritik an Discounter-Schließung: Netto: Filial-Schließungen als Strafe?
       
       > Der Discounter Netto schließt in Göttingen vier von sieben Filialen "aus
       > wirtschaftlichen Gründen". Das will die Gewerkschaft Ver.di nicht
       > glauben: Sie sieht einen Angriff auf gewerkschaftlich organisierte
       > Mitarbeiter.
       
 (IMG) Bild: Ausverkauft: In Göttingen wurden vier von sieben Netto-Filialen geschlossen.
       
       Piet* weiß von nichts. Der Obdachlose, der vor dem Netto-Markt in der
       Göttinger Fußgängerzone Passanten um ein paar Cent bittet, hat noch nicht
       mitbekommen, dass der Discounter seit Ende Juni in Göttingen eine Filiale
       nach der anderen geschlossen hat. Eine Frau, die mit Plastiktüten beladen
       aus dem Geschäft kommt, will sich zunächst gar nicht dazu äußern. „Machen
       kann man da ja sowieso nichts“, ruft sie dann aber und schiebt ihr Fahrrad
       davon.
       
       Vier von sieben Göttinger Netto-Märkten wurden innerhalb weniger Wochen
       dicht gemacht. Kurzfristig, ohne Kundschaft und Beschäftigte vorab zu
       informieren. Die insgesamt rund 40 betroffenen MitarbeiterInnen erfuhren
       erst am Samstagabend nach Dienstschluss, dass die Geschäfte am folgenden
       Montag nicht mehr öffnen würden. Und bekamen mitgeteilt, dass sie zunächst
       bei einem der anderen Märkte im Stadtgebiet unterkommen oder ins Umland
       versetzt werden sollen. „Uns wurden neue Arbeitsverträge mit anderen
       Netto-Filialen vorgelegt, die viele aus Angst, den Arbeitsplatz zu
       verlieren, auch gleich unterschrieben haben“, erzählt eine Kassiererin.
       
       „Man kann das Ganze nur als Nacht- und Nebelaktionen bezeichnen“,
       kritisiert Ver.di. Die Gewerkschaft spricht von „überfallartigen
       Schließungen“, „unternehmerischer Willkür“ und davon, „dass wir das so
       nicht hinnehmen werden“. Ver.di-Sekretärin Katharina Wesenick wähnt
       politische Motive hinter dem Schritt des Unternehmens. In den geschlossenen
       Geschäften seien vergleichsweise viele Beschäftigte gewerkschaftlich
       organisiert, in einer betroffenen Filiale gleich zwei
       Ver.di-Vertrauensleute im Discounter-Bereich tätig gewesen. „Wir werten
       diesen Angriff durch den Arbeitgeber als klaren Versuch, die Märkte mit
       vielen tarifgebundenen und gewerkschaftlich aktiven Beschäftigten gezielt
       zu schließen“, konstatiert Wesenicks Kollegin Julia Niekamp.
       
       Unsinn, kontert Netto. Die Schließungen seien ausschließlich wegen
       mangelnder wirtschaftlicher Rentabilität erfolgt, sagt ein Sprecher. Die
       jetzt aufgegebenen Märkte in der Südstadt und Weststadt hätten keine
       positive Entwicklung erwarten lassen.
       
       SPD, Grüne und Die Linke haben sich mit den Beschäftigten solidarisiert.
       Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, die SPD-Politiker Thomas Oppermann und
       Hubertus Heil sowie Linken-Chef Bernd Riexinger übernahmen „Patenschaften“
       für Ver.di-Vertrauensleute bei Netto in der Region Südniedersachsen.
       
       Die Sozialdemokraten äußern ihre Sorge auch um ältere Menschen und
       Alleinerziehende aus den betroffenen Vierteln, die zum Einkaufen nun den
       Bus nehmen oder sich die Ware nach Hause liefern lassen müssten. Beides sei
       mit Mehrkosten verbunden.
       
       Ver.di lud zu einer Unterstützerkonferenz für die Betroffenen. Die
       Versammlung verlangte unter anderem, dass die geschlossenen Märkte wieder
       geöffnet werden. Die Netto-Geschäftsleitung solle sich mit der Gewerkschaft
       auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und den Erhalt der
       Arbeitsplätze verständigen. Und sich außerdem zum Grundrecht auf
       Koalitionsfreiheit bekennen sowie ein deutliches Bekenntnis zur legitimen
       gewerkschaftlichen Präsenz im Unternehmen ablegen.
       
       Die meisten Forderungen blieben bislang unerfüllt, doch ganz ohne Ergebnis
       sind die Proteste nach Ansicht von Ver.di nicht gewesen. So habe Netto
       immerhin versichert, dass in Göttingen keine weiteren Filialen geschlossen
       würden. Auch der Forderung nach Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen
       aufgrund der Schließungen komme Netto zumindest vorübergehend nach.
       
       Die Gewerkschaft will sich nun wieder „alten“ Streitthemen mit dem
       bayerischen Unternehmen widmen, kündigt Ver.di-Sekretärin Wesenick an:
       „Unbezahlte Mehrarbeit, Ausbeutung von Auszubildenden, mangelnde Einhaltung
       der Arbeitsschutzgesetze, Arbeitsverdichtung und Personalmangel.“
       
       *Name geändert
       
       8 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reimar Paul
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Discounter
       
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