# taz.de -- Neue Youtube-Serie „H+“: Wenn Computerviren Menschen töten
       
       > In der neuen Webserie „H+“ wird das Internet Ausgangspunkt einer
       > Apokalypse. Menschen surfen per implantiertem Chip im Netz – und werden
       > von einem Computervirus getötet.
       
 (IMG) Bild: Direkt in die Wirbelsäule eingesetzt: Eine Frau bekommt das Netz-Implantat.
       
       BERLIN taz | Im dritten Kellergeschoss des Parkhauses gibt es keinen
       Empfang mehr. Während der Fahrt nach unten plant die namenlose Beifahrerin
       die Urlaubswoche: Vor ihren Augen erscheinen blau glühende Symbole, mit
       ihren Fingern tippt sie eins an – die Wettervorhersage für San Francisco.
       Ihr Begleiter scheint nicht zuzuhören, fährt langsam weiter. „Schaust du
       schon wieder Football?“ herrscht die Frau ihn an. „Entspann dich,“ erwidert
       er. „Ich hab die Transparenz auf fünf Prozent heruntergestellt.“ Sie
       parken, steigen aus, laufen Richtung Ausgang, vor ihnen fallen ein Dutzend
       Menschen tot um.
       
       „Hunderte Millionen Menschen standen heute in langen Schlange um als die
       Ersten den Computer im Gehirn auszuprobieren“, erzählt ein
       Nachrichtensprecher zu Beginn der ersten Folge [1][der Webserie „H+“]. Ein
       Drittel der Menschheit hat den Chip implantiert, der ihnen das mühelose
       Surfen ohne Geräte erlaubt. Man klatscht, um die Anzeige einzuschalten, die
       Bilder werden direkt ins Gehirn übertragen, steuert sie mit Gesten,
       klatscht wieder, um sie auszuschalten. Beim Autofahren Fernsehen zu
       schauen, ist illegal.
       
       Und dann kommt der Virus, der sich fast augenblicklich durch das Netzwerk
       verbreitet und alle, die das Implantat tragen, tötet. Fahrerlose Autos
       fahren aufeinander auf, Flugzeuge stürzen ab. Verschont bleiben nur
       diejenigen, die kein Implantat haben – und diejenigen, die keinen Empfang
       haben, wie das Paar im Parkhaus.
       
       H+ ist ein weiterer Baustein aktueller Technikfantasien: Beflügelt von dem
       Erfolg von Smartphones und den Möglichkeiten des ständigen Online-Seins
       scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis der Mensch mit
       Maschine und Internet verschmilzt. Einen ersten Schritt in diese Richtung
       hat Google ja bereits mit dem „Project Glass“ gemacht, bei dem der Rechner
       in der Hand von einer Datenbrille ersetzt wird. Im kürzlich erschienenen
       [2][Kurzfilm „Sight“] tragen Menschen Kontaktlinsen, mit denen sie Surfen,
       die triste Realität um sie herum aufhübschen und von denen sie für die
       alltäglichsten Dinge abhängig sind.
       
       „H+“ denkt diese Entwicklung spannend und dennoch realistisch weiter. Was
       wären die Vorzüge einer solchen Verschmelzung – und was die Gefahren? Trotz
       des Science-Fiction-Szenarios bleiben die Folgen einfach gemacht und
       alltäglich und bietet viele Anknüpfungspunkte für die jetzige, weniger
       aufregende Realität.
       
       „Angelpunkt der Geschichte ist dieses Ereignis und die Folgen wippen
       zwischen der Vergangenheit und der Zukunft. Eine Folge könnte fünf Jahre
       nach dem Ereignis stattfinden, die nächste wiederum zehn Jahre zuvor“,
       sagte der Drehbuchautor John Cabrera der US-Zeitschrift Wired. Der Vertrieb
       über Youtube soll es Nutzern ermöglichen selbstständig durch die Geschichte
       zu navigieren: Statt der Erscheinungsfolge könnten sie die Serie in
       chronologischer Folge anschauen oder aus den Augen bestimmter Protagonisten
       verfolgen.
       
       Doch zunächst müssen Zuschauer darauf warten, dass die Folgen überhaupt
       veröffentlicht werden. Zum Serienstart am Mittwoch wurden gerade einmal
       zwei der fünfminütigen Folgen veröffentlicht, nun erscheinen wöchentlich
       zwei Folgen, insgesamt 48. Die kurzen Happen sind etwas unbefriedigend –
       nach den ersten zehn Minuten der Pilotfolgen will man eigentlich mehr
       sehen. Andererseits haben bereits andere Webserien gerade mit diesem
       Konzept für den Gelegenheitskonsum auf Youtube Erfolge gefahren: die
       [3][preisgekrönte Serie „The Guild“] etwa, deren sechste Staffel in diesem
       Jahr erscheint.
       
       Für Zuschauer in Deutschland dürfte „H+“ etwas schwieriger aber nicht
       unmöglich zu empfangen sein, da sie auf Youtube für deutsche IP-Adressen
       gesperrt ist. Grund ist, dass es in Deutschland und weiteren Ländern
       [4][ein „gesonderter Vertrieb“] geplant ist. Doch Form und Inhalt von „H+“
       sind perfekt für Menschen ausgelegt, die gerne in langen Schlangen stehen,
       um die neueste Technik auszuprobieren – ob die darauf warten wollen, darf
       bezweifelt werden.
       
       9 Aug 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.youtube.com/user/HplusDigitalSeries
 (DIR) [2] http://vimeo.com/46304267
 (DIR) [3] http://www.watchtheguild.com/
 (DIR) [4] http://twitter.com/HplusDigital/statuses/228232033267249152
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lalon Sander
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Youtube
       
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