# taz.de -- Internet-Soap auf Myspace: Lagerfeuer 2.0
       
       > MySpace.de startet die Webserie "They call us Candy Girls" und verspricht
       > soziales Fernsehen - denn die MySpace-Währung ist das Netzwerk.
       
 (IMG) Bild: Wie Sex and the City, nur jünger, billiger und mit mehr Drogen.
       
       Es gibt Freibier und am Ende Geschenke: eine Jutetasche, einen Handspiegel
       im Ansteckerformat, ein Feuerzeug, Kaugummis und ein Schweißband. Das
       Nötigste, für die Zielgruppe.
       
       Es ist der Abend, an dem das Web-2.0-Portal MySpace "die erste Web-TV-Soap
       Deutschlands" vorstellt. "Erste Web-TV-Soap Deutschlands" - das klingt nach
       Risiko! Kreativität! Pioniergeist! Eigentlich ist "They call us Candy
       Girls", eine Seifenoper in Kaugummi- und Schweißbandästhetik über vier
       Frauen Mitte 20, die in einem Club arbeiten und leben, nur die erste
       Web-TV-Serie von MySpace Deutschland. Es gibt solche Webisodes -
       Internetserien - bereits, "moabit-vice.de" etwa. Aber seis drum: Es ist ein
       Zeichen. Dafür, dass das Format, das bei MySpace USA längst erprobt ist, in
       den deutschen Markt wächst.
       
       Speziell für das Internet und die Nutzungsgewohnheiten von Kurzclip-Usern
       konzipiert, dauert keine Folge länger als ein paar Minuten, was die
       Erzählweise im Vergleich zur 25-Minuten-Fernsehsoap stark verändert, obwohl
       man ebenso viel erzählen will. "They call us Candy Girls" löst diese
       Herausforderung, indem die Hauptfiguren in der ersten Folge eher ein paar
       Mal durchs Bild huschen als eingeführt werden. Ein tragendes Thema der
       Serie wird mit dem Spruch "Wer ficken will, muss freundlich sein"
       etabliert, eine Figur bald als rabiate Drogengegnerin charakterisiert. Das
       Bemühen um Frische erinnert an einen verzweifelten Versuch des ZDF, junge
       Zuschauer zu gewinnen. RTL hat mit "Tutti Frutti" einst mehr gewagt.
       
       Andererseits ist "They call us Candy Girls" nur ein früher Versuch - und
       soll zweitens wohl kaum mehr als Nischenprogramm sein, vermutlich eben für
       eine Nische, in der Handspiegel und Schweißbänder benutzt werden. Die
       MySpace-Nische.
       
       "Warum überhaupt eine Web-TV-Show?", fragt Joel Berger, der Managing
       Director von MySpace Deutschland, bei der Präsentation. Und antwortet: "Wir
       wollen das Rad ein Stückchen weiterdrehen", nun, da alle von digitalem
       Fernsehen redeten. "Unser Fernsehen ist digital und sozial", sagt Berger.
       "Ich kann Freund der Hauptdarstellerin sein" - jede Hauptfigur hat ein
       eigenes Profil bei MySpace - und "mich mit anderen Nutzern austauschen".
       
       Man wolle, sagt er, "das Lagerfeuerfernsehen wirklich zum Leben erwecken".
       MySpace - jeder kann ein Profil anlegen und sich vernetzen - lebt vom
       virtuellen Lagerfeuer, an dem die Nutzer zusammenkommen. Davon, dass Nutzer
       einander einladen. Das Netzwerk ist die Währung. Durch die "Candy Girls",
       die weitere Aufmerksamkeit schaffen, soll es, das laut Unternehmensangaben
       in Deutschland 4,5 Millionen sogenannte Unique User pro Monat hat, sich
       vergrößern.
       
       So erfüllt die Webisode für MySpace eine ähnliche Funktion wie für das ZDF,
       das ebenfalls mit dem Format experimentiert. Auf [1][www.zdf.de] erzählt
       der Sender in kurzen Folgen die Vorgeschichte der Hauptfigur der Krimireihe
       "Ihr Auftrag, Pater Castell", in der sich klärt, wie er Sonderbeauftragter
       des Vatikans wurde. Wer das wissen will, bleibt offen, jedenfalls stärkt es
       hier wie da das Format das Kerngeschäft.
       
       Doch wenn das Fernsehen auf diese Art ins Netz kommt, heißt das nicht, dass
       es auch umgekehrt funktionieren muss: Als im Januar der Sender NBC die
       US-Webisode "Quarterlife", die via MySpace zu Fans gekommen war, für das
       Fernsehen aufbereitete, erlebte NBC eine Pleite. Jede Folge war im Netz von
       etwa 150.000 Menschen angeklickt worden. Genug, um im selbstreferenziellen
       Social-Networking-Betrieb ein Erfolg zu sein: Wenn nur jeder Dritte ein
       Schweißband kauft oder den Link zum Schweißbandkauf anklickt, ist alles
       bestens. Bei NBC aber schalteten nur 3,5 Millionen Menschen ein. Das war
       für US-Fernsehverhältnisse ein kleines Desaster.
       
       18 May 2008
       
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