# taz.de -- Songwriter Van Dyke Parks: Ein Gefühl von Unsterblichkeit
       
       > Geld verdiente Van Dyke Parks mit Fernsehmusik. Seine
       > wiederveröffentlichten Soloalben sind schöner. Sie dokumentieren seine
       > Suche nach Alleinstellung.
       
 (IMG) Bild: „Probiers mal mit Gemütlichkeit“: Jeder kennt die Melodien von Van Dyke Parks.
       
       Wenn Van Dyke Parks seine Karriere beschreiben soll, erzählt er eine
       Anekdote. Er sitzt mit einem Freund in einem Restaurant und wartet auf die
       Bedienung. Schließlich wird es seinem Freund zu viel, er steht auf, zeigt
       auf Van Dyke Parks und sagt zur Kellnerin: „Lady, Sie haben keine Ahnung,
       wer das mal gewesen ist.“
       
       Als Klarinettenschüler war er ein Wunderkind, heute verkörpert der
       69-jährige, in Los Angeles lebende Komponist die Geheimgeschichte der
       großen Ära des Pop. Jedes Mal, wenn Balu der Bär „Probier’s mal mit
       Gemütlichkeit“ brummt, lernen Kinder eine Melodie von Van Dyke Parks
       kennen. Und jedes Mal, wenn bittersüße Teenagerschmerzen und
       formvollendetes Musiknerdtum bei „Surf’s Up“ von den Beach Boys die
       Repeat-Taste bedienen, hat er seine Finger im Spiel gehabt.
       
       Zusammen mit Brian Wilson arbeitete er auch an „Smile“, dem Opus magnum der
       Beach Boys, der großen „Unvollendeten“ des Psychedelic-Pop, ein Album aus
       Songfragmenten, Spielzeuginstrumenten und Zitaten der englischen
       Romantikdichter. Für Brian Wilson ist es Höhepunkt und Tiefpunkt seiner
       Karriere. Er zerbricht an den Aufnahmesessions, erst 37 Jahre später wird
       er „Smile“ erstmals komplett live spielen.
       
       ## Zerbrochen an Aufnahmen
       
       Für Van Dyke Parks beginnt damit ein Weg als Solokünstler. Er lernt, wie
       man das Tonstudio als Instrument nutzt. Mit Hilfe der gerade neu
       eingeführten Achtspurtechnik verdoppelt er seine Stimme und kann seine
       komplexen Arrangements ohne großes Orchester mixen. Das Resultat dieses
       Experiments nennt er „Song Cycle“ – sein 1968 erschienenes Debütalbum, eine
       barocke Expedition ins Kalifornien der Counterculture, in der
       US-Musikgeschichte als Klischee montiert wird, ohne jemals die Songform zu
       verletzen.
       
       „Es gibt ein deutsches Wort, das ich fantastisch finde:
       Alleinstellungsmerkmal“, meint Van Dyke Parks. „Genau das wollte ich mit
       ’Song Cycle‘ erreichen.“ Das ist ihm gelungen. „Song Cycle“ ist
       musikgewordene Pop-Art, die nur die hohen kommerziellen Erwartungen seiner
       Plattenfirma nie erfüllen konnte. Sein Label Warner versprach allen Käufern
       der Platte ein zusätzliches Freiexemplar, damit sie im Freundeskreis
       Werbung machen konnten. Genutzt hat es nichts.
       
       Mit dem Wunderkind Van Dyke Parks war es ab diesem Moment vorbei. „Ein
       Genie bist du nicht“, meinte sein Vater, ein Psychologe, kurz nach
       Veröffentlichung des Debütalbums. Und so besann sich Van Dyke Parks auf
       seine Stärke – das Songwriting. „Mein Leben dreht sich um die Songfom“,
       bekennt er. „Ich möchte den Song als ein Gemeingut erforschen.“ 2003 stand
       er als Gast bei der Konzertreihe „Century of Song“ in Duisburg vor einem
       großen Stahlkessel und sang ein Lied über eine Ölpest und die Abhängigkeit
       vom „Black Gold“.
       
       ## Ruf des guten Amerikaners
       
       Damals, als der Hass auf die USA dazu diente, dass Deutsche sich ihrer
       Vergangenheit entledigen konnten, war er die Verkörperung des besseren
       Amerika. Und brauchte dafür nur einfache Gesten: eine Carhartt-Latzhose,
       ein Klavier und eine Zigarette. „Das war eine schreckliche Zeit“, erzählt
       er im Gespräch. „Amerika hatte seinen Glauben in die Kunst verloren.“ Und
       die Welt den Glauben an Amerika.
       
       Es gibt nur wenige Musiker, die diesen Glauben besser verstanden haben als
       Van Dyke Parks. Auf seinem zweiten, 1970 erschienenen Album „Discover
       America“ verliebt sich eine Gruppe von Trinidadern in die
       kulturindustriellen Ikonen des Nachkriegsamerika, den Schauspieler Jack
       Palance oder das „singende Wunderkind“ Bing Crosby. Sie lieben ein Land,
       das nie existieren wird, ungetrübt von der amerikanischen Real- und
       Geopolitik, die den Alltag in der Karibik bis heute immer wieder
       unerträglich gemacht hat.
       
       „Discover America“ ist die musikalische Umkehrung der Truman-Doktrin im
       Dienste des Antiimperialismus. Ein Calypso-Album mit der Verführungskraft
       der Wunschmaschine Hollywood – auf die schönste Weise unrein und doch mit
       bangem Blick auf die Notbremse der Geschichte komponiert: „Ich hatte immer
       das dunkle Verlangen, Menschen zu ändern und gleichzeitig auf jeder Party
       das Eis zu brechen.“
       
       Zu Beginn seiner Musikerlaufbahn spielte Van Dyke Parks zusammen mit seinem
       Bruder für 15 US-Dollar am Abend in den Coffeehouses von Long Beach Folk.
       „Ich habe den amerikanischen Traum erhalten“, beschreibt er diese Zeit 50
       Jahre später. In den frühen Sechzigern sah er dort den ersten Auftritt von
       Astrid Gilberto in den USA und schlich ihr in die Umkleide nach, traute
       sich aber nicht, sie anzusprechen. Der Sprachunterschied war zu groß.
       
       Aber ihre Musik wird ihn nie mehr loslassen. Anstatt sich wie andere
       Komponisten seiner Generation den Mikrotonleitern der indischen Musik
       zuzuwenden und sich damit zugleich von der Politik in den Idealismus zu
       verabschieden, spürt Van Dyke Parks der eigenen Faszination für
       lateinamerikanische und karibische Musik nach.
       
       Mit „Clang of the Yankee Reaper“ nimmt er 1975 ein zweites Album mit
       Steelband-Musikern auf. Seit zwei Jahren spielt er mit der
       guatemaltekischen Sängerin Gaby Moreno. „Wir führen eine Revue von
       Pan-Americana auf ’Spanglish‘ auf“, beschreibt er sein Programm. „Es sind
       englische Songs, damit man sie ’across the borderline‘ versteht.“
       
       Regelmäßig Konzerte zu spielen, das ist eine neue Erfahrung für den
       weißhaarigen Musiker. Nachdem er sich in den Siebzigern immer stärker aus
       dem Musikbusiness zurückgezogen hat, komponierte er wieder mehr Soundtracks
       für Film und Fernsehen. „Ich sitze beim Komponieren allein in einem Raum
       und denke nach“, erzählt er. „Irgendwann kommt meine Frau herein und sagt:
       ’Hör sofort auf.‘“ Geholfen hat es nicht. Die Darlings des Indierock lieben
       seine Musik.
       
       ## Kein Alphamännchen
       
       40 Jahre nach den Smile-Sessions ist Van Dyke Parks zum Grandseigneur
       geworden. Mit Robin Pecknold von den Fleet Foxes hat er gerade ein Konzert
       in London gespielt, auch die Orchester-Arrangements auf Joanna Newsoms
       Meisterwerk „Ys“ stammen von ihm. Parks zeichnete auch verantwortlich für
       die Orchesterarrangements von Rufus Wainwrights Debütalbum. „Ich bin kein
       Alphamännchen, sondern ein Teamplayer“, meint er. „Schon allein die Idee,
       dass meine Musik von einer jungen Musikergeneration gehört wird, verleiht
       mir ein Gefühl der Unsterblichkeit.“
       
       Und selbst bei den Musikern, denen man das Fantum zu den Beach Boys nicht
       sofort anhört, werden die Kompositionen von Van Dyke Parks hoch gehandelt.
       Seine letzte Studio-Kollaboration war eine Arbeit mit dem
       US-Dubstep-Produzenten Skrillex. „Er hat mich aus Belgien angerufen und
       sagte: ’Mr Parks, zusammen werden wir die Welt zerstören‘“, beschreibt er
       ihr Kennenlernen. „Ich kannte ihn nicht und habe dann ein Video gefunden,
       auf dem er Bier in seinen Laptop schüttet – ein Rebel without a cause.“
       
       Abgehalten hat ihn das nicht. In den Capitol Studios arrangierte er
       Skrillex’ Track „Scary Monsters and Nice Sprites“ für ein 60-köpfiges
       Orchester. „Mit diesem Musiker zu arbeiten, den ich nicht verstehe, war
       einer der kreativsten Momente meines Lebens“, erzählt er. „Ich habe getan,
       was ich immer getan habe. Ich habe versucht, nützlich zu sein.“
       
       Van Dyke Parks: „Song Cycle“, „Discover America“ und „Clang of the Yankee
       Reaper“ (alle bei Bella Union/Cooperative Music)
       
       15 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Werthschulte
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Berlin
 (DIR) Kalifornien
       
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