# taz.de -- Alpiner Offbeat: Die Tiroler Liebe zum Dub
       
       > "Hey O Hansen" wandeln hart an der Niedlichkeitsgrenze, ihr Austrodub
       > droht mitunter in Bereiche abzugleiten, für die der kluge Brite das Wort
       > cheesy erfunden hat.
       
 (IMG) Bild: Jamaikanische Musik wird von "Hey O Hansen" ins österreichische übersetzt.
       
       Es gibt Musiker und Musiken, die man schützen muss vor ihren Verehrern und
       verteidigen gegen ihre Liebhaber. Steely Dan muss man verteidigen gegen
       Leute, die deren Sarkasmus mit Zynismus verwechseln und Steely Dan in der
       Plattensammlung zwischen R.E.O. Speedwagon und Toto einsortieren. Randy
       Newman muss man verteidigen gegen Leute, die ihn für den Woody Allen der
       Popmusik halten. Und Reggae in allen Spielarten muss man verteidigen gegen
       Leute, die Homophobie und religiösen Wahn für den authentischen Ausdruck
       der vom US-Kulturimperialismus noch unangekränkelten jamaikanischen
       Roots-Culture halten.
       
       Vor diesen Leuten müssen sich Hey O Hansen bestimmt nicht in Acht nehmen.
       Die würden ihren Umgang mit jamaikanischen Musiktraditionen viel zu
       artifiziell und unauthentisch finden - was schon mal eine Stärke des
       Wien-Berliner Duos ist. Hey O Hansen muss man schützen vor Leuten, die
       Musik schätzen, die mit einem sogenannten Augenzwinkern daherkommt, vor
       Leuten, die gut finden, wenn jemand sich selbst nicht so ernst nimmt, vor
       Leuten, die Musik mit verspieltem Charme prima finden, die Easy Listening
       von James Last mit dem selben wissenden Grinsen quittieren wie den
       Barockpop von Van Dyke Parks, die Stereo Total ganz arg lustig finden und
       die Zimmermänner aber gar nicht.
       
       Solche Leute könnten sich für Hey O Hansen auch erwärmen. Da drohen
       vergiftete Komplimente und fürsorgliche Umarmungen bis zum Erstickungstod.
       Hey O Hansen wandeln hart an der Niedlichkeitsgrenze, ihr selbsternannter
       Austrodub droht mitunter in Bereiche abzugleiten, für die der kluge Brite
       das Wort cheesy erfunden hat, das mit käsig nur unzureichend übersetzt ist.
       Wenn es um die Beschreibung von Musik geht, ist das Englische dem Deutschen
       ja oft überlegen. So würde ich Hey O Hansen eine ausgeprägte Playfulness
       bescheinigen. Langenscheidt übersetzt das in Munterkeit, Ausgelassenheit
       und - welch schreckliches Wort! - Verspieltheit. Sicher spielen Hey O
       Hansen gern, aber verspielt sind sie nicht, verspielt sind höchstens
       Welpen.
       
       Helmut Erler und Michael Wolf sind aus Österreich nach Berlin gekommen und
       haben von dort den alpinen Offbeat mitgebracht, heißt es. In ihrer
       unverwechselbaren, meinetwegen leicht schrulligen Musik trifft der Offbeat
       der Tiroler Volksmusik auf den Offbeat der jamaikanischen, heißt es. Von
       Tiroler Volksmusik verstehe ich nichts, von der jamaikanischen verstehen
       Hey O Hansen so viel, dass sie nicht den weitverbreiteten Fehler machen,
       ihrer Liebe zum Dub dadurch Ausdruck verleihen zu wollen, dass sie sich
       sämtliche Manier(ism)en, Modeirrtümer und Mittelalterbräuche, auf die man
       in Jamaika treffen kann, zu eigen machen.
       
       Hey O Hansen haben kapiert, dass Respekt (R-E-S-P-E-C-T) nicht aus der
       kritiklosen, von unwürdigen Unterwerfungsgesten begleiteten Affirmation des
       kulturell Anderen kommt, sondern aus der Bearbeitung der Differenz und
       ihrer Ursachen. Deswegen gelingt ihnen sogar, was eigentlich scheitern
       muss: Elektrodub mit Tango zu kreuzen und dazu Französisch zu singen, einen
       Text von C.G. Jung, dem Pionier der analytischen Psychologie, von
       Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow sprechen zu lassen, Ukulelen und Harfen
       in Stellung zu bringen, echte oder falsche, keine Ahnung, egal.
       
       Hey O Hansen haben Sinn für die kleine Form ohne kleinlich zu werden, ihre
       Musik hat schwer erklärbare haptische Qualitäten und sie lädt ein zur
       gestischen und mimetischen Anteilnahme, wie sonst vor allem jamaikanische.
       Und ist dabei 100 Prozent weißes Mitteleuropa 1995 bis 2009. Um im
       Rocksprech zu enden: "Sonn und Mond" ist das Album, das Der Plan oder der
       ewig unterschätzte Andreas Dorau hätten machen können, hätte ihnen das
       Goethe-Institut 1991 einen Studienaufenthalt in Kingston spendiert.
       
       24 Jul 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Walter
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Countrymusic
       
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