# taz.de -- Video der Woche: „Yes, we sing“
       
       > Obamas Wandel vom Idol zum Drohnenkrieger ist für viele seiner
       > Unterstützer eine bittere Enttäuschung. Zwei von ihnen wehren sich mit
       > einem Lied.
       
 (IMG) Bild: Desillusioniert: Justin Monticello und Ryan Newbrough.
       
       BOSTON taz | Es ist eine fast verblasste Erinnerung. Ein Novemberabend in
       Chicago vor vier Jahren. Barack Obama war gerade zum ersten
       afro-amerikanischen Präsidenten der USA gewählt worden. „Change“ – Wandel –
       war endlich gekommen. „Yes, we can“, rief Obama in die Mikrofone, sie
       trugen es in die ganze Welt. Vier Jahre später ist von der Hoffnung nicht
       viel übrig geblieben außer dem wohlbekannten rot-blau-beigen Plakat von
       Shepard Fairey, auf dem neben Obamas Portrait in großen Lettern das Wort
       Hoffnung steht.
       
       Justin Monticello und Ryan Newbrough verarbeiten ihren Frust über diese
       Entwicklung in einem Video. Die Amerikaner haben Gotyes „Somebody That I
       Used to Know“ umgedichtet und singen ihrem Präsidenten ein Lied.
       Monticello, der im Video gemeinsam mit einer Freundin singt, konkurriert
       darin mit einer Wand um den blassesten unter den blassen Farbtönen.
       
       Was nach einem zwar inhaltlich kreativen, visuell jedoch nur leidlich gut
       umgesetzten Video aussieht, entpuppt sich als Produktion mit
       Überraschungsmoment. Vor einer Woche auf YouTube platziert, ist es bislang
       fast eine Million mal angesehen worden. Die Macher rufen lang vergessene
       Gefühle mit eingespielten Obama-Zitaten hervor.
       
       „Was als Flüstern begann ... wird eine Hymne, um diese Nation zu heilen“,
       ruft Obama seinen Fans im Februar 2008 in einer Rede zu. Doch Monticello
       durchbricht die Nostalgie. „Ich war so glücklich, ich hätte sterben
       können“, singt er mit leidendem Gesichtsausdruck. Um dann all das
       aufzuzählen, wofür es sich nicht mehr zu sterben lohnt: Obama, der
       Drohnenkrieger.
       
       ## Der Friedensnobelpreisträger mit Todesliste
       
       Der Friedensnobelpreisträger, der ein Todesliste führt und Osama bin Laden
       getötet hat. „Aber dann ist es wohl okay“, so der sarkastische Kommentar.
       Obama, der Guantanamo schließen wollte – und es nie getan hat. Der
       Präsident, der zwar die Gesundheitsreform umgesetzt hat, aber junge,
       arbeitslose, verschuldete Uni-Absolventen allein dastehen lässt. „Jetzt
       muss ich wieder bei meiner Mutter einziehen“, singt Monticello.
       
       Er und Newbrough waren 2008 Unterstützer der Obama-Kampagne. „Heute sind
       wir sehr desillusioniert“, schreiben die beiden taz.de. Was auch die
       Songauswahl erklärt. Die Metapher eines verschmähten Liebhabers, der sich
       verlassen fühlt, sei witzig wie passend, sagen Monticello und Newbrough.
       
       Sprachwitz zeigen sie, wenn sie als Lösung für das Guantanomo-Problem
       vorgeschlagen, die Gefangenen einfach auf das Dach von Mitt Romneys Auto zu
       schnallen. Ein Verweis auf eine leidige Geschichte, die Romney im Wahlkampf
       verfolgt. Er hatte vor mehr als 20 Jahren den Hund der Familie auf einer
       Autofahrt quer durchs Land in einem Zwinger auf dem Wagendach
       transportiert.
       
       Ironisch der Verweis, man müsse Haschisch ja nicht gleich legalisieren,
       Obama habe die Behörden lediglich von jemandem wie ihm selbst fernzuhalten.
       Der Präsident spricht offen über seine – harmlosen – Drogen-Experimente zu
       Unizeiten. Mormone Romney wäre in dieser Hinsicht jedoch kaum eine
       Alternative zu Obama im Weißen Haus. Monticello als auch Newborough halten
       sich ihre Wahlentscheidung dennoch offen.
       
       ## Kein inhaltlich ausgerichteter Wahlkampf
       
       „Die Themen, die uns bewegen, haben die Kandidaten noch viel zu wenig
       angesprochen“, kritisieren sie. Sie hoffen, mit ihrem Video dazu
       beizutragen, diese wieder mehr auf die politische Agenda zu setzen. Das ist
       jedoch trotz Aufmerksamkeit auf YouTube zweifelhaft. Mit Guantanamo gewinnt
       2012 niemand Wahlen in den USA.
       
       Schon eher mit der Romney-Hunde-Geschichte, die Obama derzeit gerne
       zitiert, jedoch auch vom personalisierten und wenig inhaltlich
       ausgerichteten Wahlkampf zeugt. „Ich brauche den Obama, den ich einmal
       gekannt habe“, singt Monticello am Ende des Songs. Er steht nicht länger
       blass vor einer beigen Wand sondern ist Teil des Symbols, das vom Glanz
       vergangener Zeiten zeugt: dem Hoffnungs-Plakat.
       
       17 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rieke Havertz
       
       ## TAGS
       
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