# taz.de -- Video der Woche: Bilderflut im Knusperhaus
       
       > Die Sphärenmusiker von Sigur Rós lassen 14 Filmemacher ihre Songs
       > visualisieren. Das ist zwar auch Werbung, aber vor allem eine
       > vergleichende Wahrnehmungsstudie.
       
 (IMG) Bild: In den Straßen von New York: Ein Mädchen tanzt durchs „Varúð“-Video.
       
       Am Schluss landet man dann wie eigentlich immer in den den Armen einer
       Autorität. Zuerst aber ist es doch eine noch offene und auch interessante
       Frage, was Menschen sehen, wenn sie Musik hören. Eine Interpretationsfrage.
       Denn so frei will die Musik schon sein, dass sie nicht wirklich gleich mit
       einer ganz präzisen Bedeutung notiert ist. Und damit ist sie, die Musik,
       halt auch ziemlich bedeutungsoffen.
       
       Es geht also um Ausdeutungen, und dafür haben die isländischen
       Sphärenmusiker von Sigur Rós mit dem [1][„Valtari mystery film experiment“]
       eine Versuchsanordnung eingerichtet, die auf den ersten und recht schnöden
       Blick natürlich schlicht als Werbemaßnahme für ihr vor kurzem erschienenes
       Album Valtari gesehen werden kann.
       
       Allemal interessanter aber ist es, dieses „Experiment“ als vergleichende
       Wahrnehmungsstudien zu betrachten im Feld des Seh-Hörens, am Beispiel der
       Arbeit von Sigur Rós, die mit ihrer Knusperknäuschen-Musik ja in so einem
       seltsamen Auenland wohnen, wo man von so lästigen Einrichtungen wie
       Hitparaden mit den normierten Songformaten einfach gar nichts wissen will.
       
       Und wie nun diese Musik gesehen werden kann, ist eben der
       Untersuchungsgegenstand der noch bis November laufenden Forschungsreihe,
       bei der die Musik des Valtari-Albums von insgesamt 14 Filmemachern
       visualisiert werden soll, und zwar ohne irgendwelche Vorgaben von Seiten
       der Band und damit bei größtmöglicher künstlerischer Freiheit. Was bereits
       jetzt, nach etwa dem ersten Drittel des „Valtari mystery film experiment“,
       erste Vergleiche möglich macht.
       
       Wo Ramin Bahrani zum Beispiel in seinem Beitrag zu dem „Ég Anda“-Track eine
       Collage [2][mit ziemlich symbolisch aufgeladenen Bildern] hörte, hat sich
       Ragnar Kjartansson mit genau der gleichen Musik vor Augen für [3][ein
       aufrechtes Aufklärungsvideo] entschieden mit den notwendigen Handgriffen
       zur ersten Hilfe, wenn sich der Tischnachbar mal beim Essen verschlucken
       solte. Und das ist schon eine recht eigenwillige Meditation über die
       meditative Musik von Sigur Rós.
       
       Auch der Titel „Varúð“ wurde beits zweimal ausgedeutet. Inga Birgisdóttir
       setzte dafür geheimnisvolle [4][Lichtzeichen in eine
       Postkartenberglandschaft], und bei dem frisch eingestellten Video [5][von
       Ryan McGinley] zu „Varúð“ sieht man zu der vor sich hinträumenden
       Sigur-Rós-Musik mit dem Geigenhimmel ein Mädchen mit güldenem Haar ganz
       entspannt durch die Straßen von New York hüpfen, was zur Erhöhung der
       poetischen Stimmung in Slow-Motion passiert. Jetzt nicht unbedingt die
       spannendste aller Geschichten. Aber unbedingt was für alle Fans von den
       gelben Taxis, die hier massenhaft zu sehen sind.
       
       So lässt man seine Gedanken treiben in der Musik und auch mit den Bildern,
       hört da, schaut dort, weil es ja schön ist, wie weit man bei so einem
       Musik-Sehen herumkommen kann. Und sitzt gleich mit dem nächsten
       vorbeifahrenden Taxi in dem Video plötzlich in einem älteren Hit von Joni
       Mitchell, den die kopfeigene Assoziationskette vorbeigeschickt hat:
       [6][„Big Yellow Taxi“] natürlich, was ja ein beinhartes Protestlied ist und
       damit bereits ziemlich weit weg von Sigur Rós.
       
       Dass selbst das Paradies noch gepflastert wird, singt Joni Mitchell in
       ihrem Lied, um daraus dann einen Parkplatz zu machen. Und wenn man jetzt
       noch ein wenig herumstochert im halbvergessenen Musikgeschichtswissen und
       im Netz, weiß man schnell, dass dieses „Big Yellow Taxi“-Lied auch
       reihenweise gecovert wurde, von den Counting Crows etwa, von Maire Brennan.
       
       Und nicht zuletzt von Bob Dylan. Womit man doch endlich seine Autorität
       gefunden hat.
       
       3 Aug 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.sigur-ros.co.uk/valtari/videos/
 (DIR) [2] http://vimeo.com/45775119
 (DIR) [3] http://vimeo.com/45183994
 (DIR) [4] http://vimeo.com/45184389
 (DIR) [5] http://vimeo.com/46501170
 (DIR) [6] http://en.wikipedia.org/wiki/Big_Yellow_Taxi
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Mauch
       
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