# taz.de -- Leverkusen zum Bundesligastart: Wie die Jungfrau zu Zwillingen
       
       > Bayer Leverkusen setzt als erster Bundesligist auf eine
       > Trainer-Doppelspitze – unfreiwillig, aber doch sehr selbstbewusst. Das
       > könnte ein Vorbild werden.
       
 (IMG) Bild: Auf derselben Wellenlänge: Leverkusens Sami Hyypiä (li.) und Sascha Lewandowski.
       
       Ist denn jetzt gar nichts mehr heilig? Rücken hierzulande auch noch die
       prominentesten Männerbünde von ihren strengen Hierarchieordnungen ab? Bayer
       Leverkusen schlägt heute beim Saisonauftakt in Frankfurt mit Cheftrainer
       Sascha Lewandowski und Teamchef Sami Hyypiä fraglos ein neues Kapitel der
       Bundesligageschichte auf.
       
       Zwei Chefs gleichberechtigt auf einer Trainerbank der Fußball-Bundesliga,
       beide auch noch ausgestattet mit einem Dreijahresvertrag? Eine Doppelspitze
       hat es in 50 Jahren noch nie gegeben. Zum Ende der vergangenen Saison
       wurden die beiden bereits als Nothelfer engagiert, um die Scherben, die
       Robin Dutt hinterlassen hatte, zu kitten. Der Rettungseinsatz war mit 14
       von 18 möglichen Punkten überaus erfolgreich und damit Grundlage für die
       nun langfristig angelegte außergewöhnliche Bindung.
       
       Als revolutionäre Avantgardisten wollen sich die Verantwortlichen von Bayer
       04 Leverkusen jedoch nicht feiern lassen. Die Geschichte ist in der Tat
       komplexer. Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser wird im Gespräch mit der taz
       vorab grundsätzlich: „Den Trainer, der alles alleine entscheidet, gibt es
       doch schon lange nicht mehr.“ Die Hierarchien seien im engen Wettbewerb, wo
       immer spezifizierteres Wissen gefragt sei, sowieso flacher geworden. Und
       die Kotrainer seien längst weit mehr als Hütchenaufsteller.
       
       ## Traditionell eine Interimslösung
       
       Warum aber hat sich diese Entwicklung noch nicht in den Strukturen
       niedergeschlagen? Warum hat bislang niemand einer Doppelspitze vertraut,
       abgesehen von Interimslösungen wie 2008, als Youri Mulder und Mike Büskens
       gemeinsam für mehrere Wochen Schalke 04 trainierten?
       
       Holzhäuser erinnert an das Duo Lars Lagerbäck und Tommy Söderberg, die von
       2000 bis 2004 die schwedische Nationalmannschaft gleichrangig betreuten.
       Ein einsames Beispiel im Fußball. In Schweden setzt man zudem grundsätzlich
       eher auf Teamarbeit. So führte das Trainergespann Ola Lindgren und Staffan
       Olsson jüngst das Herrenhandballteam bei den Olympischen Spielen
       überraschend zur Silbermedaille.
       
       In Leverkusen, räumt Holzhäuser freimütig ein, hätte man auch eine
       Einmannlösung bevorzugt. Als sich im Frühjahr die Trennung von Robin Dutt
       abzeichnete, habe man schon wochenlang nach einem Trainer gesucht, der über
       großen Sachverstand und Erfahrungen im Profibereich verfügt und der für die
       Spieler eine Autorität verkörpert. Weil aber keiner auf dem Markt war, der
       diesem Profil entsprach, sei man auf die Idee mit der Doppelspitze
       gekommen.
       
       Die Leverkusener Lösung ist also eine aus der Not geborene. „Mit
       Lewandowski allein hätte eine uns sehr wichtige Komponente gefehlt“, sagt
       Holzhäuser. Der 40-Jährige hatte zwar diverse Juniorenteams des Vereins
       erfolgreich trainiert, und im Klub attestiert man dem Taktiknerd
       Lewandowski „ein unglaubliches Wissen“, das Ansehen bei den Profis muss er
       sich aber erst noch erarbeiten.
       
       ## Auf derselben Wellenlänge
       
       Sami Hyypiä hingegen, der als Spieler in der englischen Premier League
       sowie in Leverkusen bei Fans und im gesamten Verein großen Eindruck
       hinterlassen hat, bringt dieses Ansehen schon mit. Sein früherer Kollege
       und nun „Untergebener“, Innenverteidiger Manuel Friedrich, sagt: „Er hat
       ein Verhältnis zu uns, das seinesgleichen sucht. Jeder hat Respekt vor ihm.
       Jeder glaubt Sami alles.“ Dem Finnen fehlt indes der Trainerschein, weshalb
       Lewandowski der offizielle Sprachführer ist.
       
       Lewandowski und Hyypiä, die erst der Job zusammenführte, erzählen davon
       stets wie von einer glücklichen Fügung. Bei ihren ersten Gesprächen hätten
       sie gemerkt, dass sie sich auf derselben Wellenlänge befinden. Holzhäuser
       sagt: „Das wussten wir schon vorher.“
       
       Um die Schwächen des Modells weiß der Geschäftsführer aber auch. In
       Krisenzeiten könnten die Trainer von Medien und Spielern leicht
       gegeneinander ausgespielt werden. „Wir haben uns zusammen sehr genau über
       solche Szenarien unterhalten“, sagt Holzhäuser. Welche Vorkehrungen oder
       Vereinbarungen man diesbezüglich getroffen hat, will er jedoch nicht
       verraten. „Wir wissen, dass das in gewisser Weise auch ein Experiment ist.
       Aber Bayer Leverkusen ist dafür bekannt, auch mal andere Wege zu gehen.“
       Manuel Friedrich erklärt lapidar: „Irgendwann hat man ja auch begonnen, mit
       einer Viererkette zu spielen.“
       
       Bemerkenswerterweise hat die Vereinsspitze dem neuen Duo einen noch
       längeren Kontrakt angeboten als einst Robin Dutt, der ja auch eine neue
       Erfolgsära begründen sollte. „Wir haben uns bewusst für einen
       Dreijahresvertrag entschieden, um damit unser Vertrauen auszudrücken“, sagt
       Holzhäuser. Auf die Frage, ob die Doppellösung Leverkusen am Ende mehr
       koste, antwortet Holzhäuser hingegen nur indirekt: „Qualität hat immer
       ihren Preis.“
       
       Ob die Doppelspitze von Leverkusen Vorbildcharakter in der Bundesliga haben
       wird, ist eher zu bezweifeln. Holzhäuser sagt einerseits: „Nur weil es
       Tradition ist, lediglich einen Cheftrainer zu haben, muss das noch lange
       nicht der einzig richtige Weg sein.“ Man sollte bedenken, dass die heutige
       Spielergeneration anders sozialisiert sei. Andererseits erklärt er, müsse
       man schon genau abwägen, inwieweit das Umfeld des Vereins für ein solches
       Experiment geeignet sei. Auch Manuel Friedrich meint: „Das muss schon sehr
       genau passen. Bei uns stimmt die Kombination einfach.“
       
       25 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Sami Hyypiä
 (DIR) Fußball-Bundesliga
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Trainer-Doppelspitze von Leverkusen: Gelungenes Experiment
       
       Mit Sami Hyypiä und Sascha Lewandowski hat Bayer Leverkusen zwei Chefs. Und
       weil beide sich zurücknehmen, hat Bayer Leverkusen Erfolg.
       
 (DIR) Die U17-Mannschaft bei Leverkusen: Der junge Profi und seine Jungs
       
       Stefan Reinartz spielt für Leverkusen in der Bundesliga und der Europa
       League. Nebenbei trainiert er die U17-Mannschaft des Clubs.
       
 (DIR) Fußball-Bundesliga: Frankfurt dreht das Spiel
       
       Aufsteiger Eintracht Frankfurt schlägt Leverkusen nach Rückstand mit 2:1.
       Am Nachmittag gewann Bayern locker in Fürth, auch Düsseldorf, Gladbach und
       Nürnberg siegten.
       
 (DIR) Bundesligastart für Bremen: Es wird schon werdern
       
       Vor der Auftaktpartie in Dortmund spielen beim jungen Bremer Team überall
       Zweifel mit. Die Aufstellung offenbart eine gewisse Unsicherheit zum
       Saisonstart.
       
 (DIR) H.-J. Watzke zur 50. Bundesliga-Saison: „Fußball ist demokratisch“
       
       Am Freitagabend startet die 50.Bundeliga-Saison. BVB-Geschäftsführer
       Hans-Joachim Watzke über den Verein, Schwulenfeindlichkeit und Fankultur im
       deutschen Fußball.
       
 (DIR) Wolfsburg vor dem Bundesligastart: Totalverweigerer rehabilitiert
       
       Weil der umstrittene Brasilianer Diego schwer vermittelbar ist, wird er
       beim VfL Wolfsburg zum Chef befördert. Nicht alle Fans sind mit der
       Entscheidung glücklich.