# taz.de -- An die Holzfäller von Lichtenhagen: Gaucks Eiche gefällt, sauber!
       
       > Ihr habt es gut gemeint, als ihr die frisch gepflanzte Eiche in Rostock
       > gefällt habt. Aber gut gemacht habt ihr das nicht. Eine Ermahnung.
       
 (IMG) Bild: Eine deutsche Eiche, die keinem anderen Zweck gedient hätte, als dass deutsche Nachbarn und ihre deutschen Köter daran pinkeln.
       
       Liebe Kinder, 
       
       in der Nacht zum Mittwoch habt ihr die Eiche [1][abgesägt], die am
       Wochenende in Rostock-Lichtenhagen im Beisein des [2][eitlen Zonenpfaffen]
       Joachim G. bei der [3][Veranstaltung] zum Gedenken an das Pogrom von 1992
       gepflanzt worden war. Für eure Tat habt ihr euch den niedlichen
       Gruppennamen „Antifaschistischer Fuchsschwanz“
       [4][//linksunten.indymedia.org/de/node/66240:ausgedacht] und werdet euch
       nun diebisch darüber freuen, dass die Denunzianten aus der Nachbarschaft
       euch nicht zur Strecke bringen konnten. Euer Erfolg sei euch gegönnt, und
       euer Kampf dient einer guten Sache.
       
       „Diese Kämpfe sind in der modernen Welt“, so [5][schrieb] Hegel einmal,
       „nichts weiteres als die Lehrjahre, die Erziehung des Individuums an der
       vorhandenen Wirklichkeit, und erhalten dadurch ihren wahren Sinn. Denn das
       Ende solcher Lehrjahre besteht darin, daß sich das Subjekt die Hörner
       abläuft, mit seinem Wünschen und Meinen sich in die bestehenden
       Verhältnisse und die Vernünftigkeit derselben hineinbildet, in die
       Verkettung der Welt eintritt und in ihr sich einen angemessenen Standpunkt
       erwirbt. Mag einer sich auch noch soviel mit der Welt herumgezankt haben,
       umhergeschoben sein – zuletzt bekömmt er meistens doch sein Mädchen und
       irgendeine Stellung, heiratet und wird ein Philister, so gut wie die
       anderen auch.“
       
       Noch aber seid ihr, liebe Kinder, mittendrin, und es ist euer Vorrecht, auf
       eure Irrtümer zu bestehen. Ihr werdet keinen Pfifferling auf Maßregelungen
       geben, erst recht auf welche im Fachblatt für abgelaufene Hörner. Und doch
       sei es euch gesagt: Ihr habt euren löblichen Absichten mehr geschadet als
       genutzt.
       
       ## Baum fällen, Haus versaufen, Sohn abtreiben
       
       Dabei spricht für euch, dass ihr euch von der Wald-und-Wurzel-Linken
       abhebt, die sich von den Kämpfen gegen die [6][Startbahn West] in Frankfurt
       bis zu den Auseinandersetzungen um den [7][Stuttgarter Hauptbahnhof] so
       gern mit Gestrüpp aller Art [8][verbrüdert;] einer Linken, die, um es mit
       [9][Marx] zu sagen, ihre Freiheitsgeschichte in den teutonischen Urwäldern
       sucht und die mit [10][Luther] noch im Angesicht des bevorstehenden
       Weltuntergangs nichts sinnvolleres zu tun weiß, als einen Apfelbaum zu
       pflanzen.
       
       Jeder Mann sollte im Leben einen Baum gefällt, ein Haus versoffen und einen
       Sohn abgetrieben haben, hat jemand mal im feministischen Trotz gesagt, und
       auch in dieser Hinsicht wart ihr, liebe Holzfällerkinder, brav. Zugleich
       habt ihr gezeigt, dass sehr wohl etwas die deutsche Eiche kratzen kann,
       nämlich das richtige [11][Werkzeug]. Und schließlich habt ihr ganz richtig
       erkannt, wie [12][verlogen] und [13][selbstgefällig] die Veranstaltung mit
       Gauck war und wie taktlos es ist, zu Ehren der Opfer rechtsextremer Gewalt
       eine Eiche zu pflanzen.
       
       Von Schreib-Schreib-Machern des Grauens wie [14][Ernst-Moritz Arndt] („Das
       ganze Teutschland soll es sein“), [15][Heinrich Hoffmann von Fallersleben]
       („Einigkeit und Recht und Freiheit“) und [16][Reinhard Mey] („Ich hab’ in
       meinem Handschuhfach ein Butterbrot“) besungen, auf D-Mark-Münzen und
       Kriegerorden geprägt, ist die Eiche das baumgewordene Symbol für
       Deutschtümelei schlechthin; wer Hand an eine Eiche legt, kann kein
       schlechter Mensch sein. (Anders verhält es sich übrigens mit Ahornen,
       Linden und Eschen, die sich als Alleebäume in Ostdeutschland größere
       Verdienste um den praktischen Antifaschismus erworben haben als alle
       amtlichen Mahn- und Gedenkredner zusammen.)
       
       ## Wie der Ossi in der Jogginghose
       
       Diese Eiche vor dem Sonnenblumenhaus aber hättet ihr, liebe Kinder, besser
       nicht angetastet. Denn so wie einst das [17][Bild] vom Ossi im
       Deutschlandtrikot und in vollgenässter [18][Jogginghose], in der einen Hand
       die Bierdose haltend, die andere zum deutschen Gruß erhoben, in seiner
       ganzen Scheußlichkeit der Welt vor Augen führte, was dort zusammenwuchs,
       hätte dieser Baum gute Dienste verrichtet. Eine deutsche Eiche, die keinem
       anderen Zweck dient, als regelmäßig von deutschen Nachbarn und ihren
       deutschen Kötern angepinkelt zu werden – doch, das wäre angemessen gewesen.
       
       Ihr hättet besser etwas anderes gemacht, um das Bild zu vervollkommnen:
       eine Reichskriegsflagge an der Baumkrone befestigt, gerne eine DDR-Fahne
       dazu. Und ein Schild „Spielen verboten – Eltern haften für ihre Kinder“
       daneben angebracht – damit auch der Gutmütigste kapiert, was für eine
       gottlose Gegend dieses Mecklenburg im Allgemeinen und dieses Lichtenhagen
       im Besonderen nicht nur im August 1992 war, sondern noch heute ist.
       
       29 Aug 2012
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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