# taz.de -- Widerstand in Syrien: Kochen für die Revolution
       
       > Mutige Frauen sammeln Spenden und bieten Rebellen Unterschlupf und warme
       > Mahlzeiten an. In ihrem Kampf für die Freiheit riskieren sie ihr Leben.
       
 (IMG) Bild: Kocht 50 Mahlzeiten am Tag für die Rebellen: Fatma Zahra Haswani.
       
       TELL RIFAT taz | Das syrische Regime hat ihren Ehemann verhaftet, einem
       ihrer Söhne rissen Geheimdienstler die Nägel aus, ein weiterer Sohn liegt
       schwer verletzt in einem türkischen Krankenhaus. Es gibt also gute Gründe,
       den Kampf für die Freiheit aufzugeben. Doch Fatma Sahra Haswani denkt nicht
       daran. „Ich habe mich von Anfang an an der Revolution beteiligt“, sagt sie.
       „Und ich werde es weiter tun, selbst wenn ich dafür mein Leben geben muss.“
       
       Tell Rifat, rund vierzig Kilometer nördlich von Aleppo, ist eine
       konservative Stadt. Sunnitische Kämpfer mit kurzen Bärten in Tarnhosen,
       T-Shirts und Turnschuhen beherrschen die Straßen. Frauen scheint es in
       ihrer Welt, in der es um Kampftaktiken und die Preise für Waffen geht,
       nicht zu geben. Umso überraschender ist die Begegnung mit Haswani. Sie
       straft alle Vorurteile, Frauen seien bloß Heimchen am Herd, Lügen.
       
       „Ich bin Kauffrau“, sagt die 45-jährige siebenfache Mutter. Wie viele Syrer
       hatte Haswani auf einen friedlichen Umsturz gehofft. Die Wende kam im
       Februar, als Regimetruppen im Kampf gegen die Rebellen in Homs mit brutaler
       Gewalt gegen die Zivilbevölkerung vorgingen. „Ich hasse Krieg und
       Blutvergießen“, sagt Haswani. „Aber das Regime lässt uns keine andere
       Wahl.“
       
       Während ihre Töchter und Söhne an der Universität von Aleppo friedliche
       Proteste organisierten, machte sich die Mutter auf den Weg zu ihrer ersten
       Mission. Haswani fuhr nach Aleppo und organisierte Hilfe für die
       Aufständischen. Dabei halfen ihr Kontakte zu reichen Geschäftsleuten in der
       Provinzhauptstadt. „Ich sammelte alles, was sie spendeten.“
       
       Von Aleppo brachte sie die Güter nach Hause, sortierte sie und machte sich
       auf den Weg ins belagerte Homs. Dutzende solcher Fahrten hat Haswani
       gemacht. Außer Lebensmitteln und Kleidung hat sie auch Medikamente an die
       Front gebracht. Immer die Angst vor Verhaftung im Nacken. „Wir haben so
       lange Unrecht und Folter erlebt“, sagt Haswani. „Wir müssen die Diktatur
       abschütteln.“
       
       ## Frauen organisieren den Untergrund
       
       In ganz Syrien gibt es Frauen wie Haswani. Ohne ihre Dienste im Untergrund
       wäre der Aufstand vermutlich längst zusammengebrochen. „Viele Frauen haben
       Angst, in die Hände des Regimes zu fallen und vergewaltigt zu werden“, sagt
       Haswani. „Deshalb halten sie sich im Hintergrund.“
       
       Die Festnahme von Familienangehörigen ist eine der Methoden, mit denen das
       Regime von Baschar al-Assad Druck auf die Rebellen ausübt. Sechs Wochen
       sperrte das Regime Haswanis Mann ins Gefängnis. Ihr 22-jähriger Sohn geriet
       nach einer Demonstration in die Fänge des Regimes. „Sie rissen ihm die
       Nägel aus“, sagt Haswani. Den Widerstand der Familie konnte das Regime
       damit nicht brechen. Im Gegenteil. Drei weitere Söhne kämpfen heute an der
       Front in Aleppo. Dabei erlitt ihr Ältester kürzlich so schwere
       Verletzungen, dass er zur Behandlung in ein Krankenhaus in der Türkei
       gebracht werden musste.
       
       Ihre Kurierfahrten in die Kampfzonen hat Haswani aufgegeben. Stattdessen
       kocht sie jetzt für die Rebellen. Darüber hinaus beherbergt sie Deserteure.
       Stolz führt sie uns zu der Kochstelle im begrünten Innenhof ihres Hauses.
       „Fünfzig Mahlzeiten koche ich hier jeden Tag.“ Und was gibt es zu essen?
       „Nudeln, Reis, Gemüse, manchmal auch Fleisch“, sagt Haswani. „Alles, was
       die Leute spenden.“ Unter einem riesigen Topf liegen Holzscheite.
       Gasflaschen zum Kochen gibt es in Tell Rifat keine.
       
       Seit sich die syrische Armee im Juli aus Tell Rifat zurückgezogen hat, ist
       die Stadt eine Bastion der Tawhid-Brigade, einer der am besten
       organisierten Einheiten in der Freien Syrischen Armee (FSA). Immer häufiger
       bombardiert die Luftwaffe die Stadt, die meisten Einwohner sind inzwischen
       geflohen. Haswani will bleiben. „Ich möchte in Freiheit leben wie ihr“,
       sagt sie. Sie wünscht sich ein islamisches, gleichzeitig freies und
       demokratisches Syrien. „Dazu will ich wie die Rebellen meinen Beitrag
       leisten“, sagt Haswani. Entschlossen streift sie die Hände über ihren
       langen Rock. „Die Revolution braucht mich.“
       
       2 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Inga Rogg
       
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 (DIR) Schwerpunkt Syrien
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