# taz.de -- Primatenzentrum in Göttingen: Forschung contra Quälerei
       
       > Das Primatenzentrum in Göttingen feiert sich selbst. Es kommen nicht nur
       > Glückwünsche. Tierschützer sprechen von „35 Jahre Tierquälerei“.
       
 (IMG) Bild: Im indonesischen Regenwald ist es sicher schöner als in Göttingen.
       
       Führungen und Vorträge sind geplant, ein anderthalbtägiges Symposium, und
       am Abend des 13. September ein „Science Slam“, bei dem ausdrücklich auch
       kritische Fragen zugelassen sind. Mit allerlei Veranstaltungen feiert das
       Deutsche Primatenzentrum (DPZ) mit Sitz in Göttingen sein 35-jähriges
       Bestehen.
       
       Während die dem Bund und dem Land Niedersachsen gehörende Einrichtung
       anlässlich des Jubiläums auf prächtige Forschungserfolge und stetiges
       Wachstum verweist, prangern Tierschützer die in Göttingen vorgenommenen
       Versuche mit lebenden Affen und „35 Jahre Tierqual“ an.
       
       „Die wissenschaftliche Breite des Primatenzentrums, die von der
       Verhaltensforschung über die Stammzellbiologie und Genetik bis hin zu
       Infektionsforschung und Neurowissenschaften reicht, macht das Institut
       einzigartig in Europa und ist die Grundlage für seinen langjährigen
       Erfolg“, sagt Ministerialrat Axel Kollatschny vom Niedersächsischen
       Wissenschaftsministerium in einem Geburtstagsgruß. Tatsächlich können sich
       einige Ergebnisse des Zentrums durchaus sehen lassen.
       
       Molekularbiologen des Zentrums entwickelten Mitte der 1990er Jahre die
       ersten Antikörper gegen Prione – die infektiösen Eiweiße gelten als Ursache
       von BSE und Krankheiten wie Creutzfeldt-Jakob und Alzheimer. Auf Grundlage
       dieser Ergebnisse brachte ein Unternehmen 1999 den ersten Schnelltest für
       BSE auf den Markt. Während der von Großbritannien ausgehenden BSE-Krise um
       die Jahrtausendwende war der Test wichtig, um infizierte Rinder schnell
       ausfindig machen zu können.
       
       ## Immer neue Affenarten
       
       Forschergruppen des DPZ entdeckten immer wieder neue Affenarten. Im Jahr
       2000 beschrieben Mitarbeiter den kleinsten Primaten der Welt – sie hatten
       den nur 30 Gramm schweren Berthe-Mausmaki zuvor auf Madagaskar aufgespürt.
       Die jüngste Entdeckung gelang 2010. DPZ-Genetiker wiesen nach, dass der in
       Vietnam beheimatete nördliche Gelbwangengibbon eine eigene Art ist.
       
       Schließlich entkräfteten DPZ-Wissenschaftler ein 100 Jahre altes Dogma der
       Biologie. Sie zeigten, dass im Gehirn ausgewachsener Primaten neue
       Nervenzellen gebildet wurden. Dies war bis dahin kategorisch bei allen
       erwachsenen Säugetieren ausgeschlossen worden.
       
       Von den Ärzten gegen Tierversuche setzt es zum Jubiläum harsche Kritik. Im
       DPZ würden mehr als 1.000 Affen acht verschiedener Arten zu
       Forschungszwecken gehalten und gezüchtet, sagte die Fachreferentin der
       Initiative, Corina Gericke, der taz. Dabei könnten soziale, intelligente
       und bewegungsaktive Tiere wie Affen niemals in Gefangenschaft artgerecht
       gehalten werden, schon gar nicht im Labor.
       
       Die angeblich guten Haltungsbedingungen dürften zudem nicht über die
       „qualvollen Tierversuche“ hinwegtäuschen. Über einen Zeitraum von rund 20
       Jahren seien in Göttingen durch elektrischen Strom im Gehirn von
       unbetäubten Totenkopfäffchen Schreie ausgelöst worden. Ziel dieser
       Experimente sei gewesen, die für Lautäußerungen dieser Affenart zuständigen
       Nervenbahnen zu studieren. „Solche Versuche sind nicht nur grausam, sondern
       auch vollkommen unsinnig“, so Gericke. „Sie dienen nur der zweckfreien
       Grundlagenforschung, also der Profilierung einzelner Experimentatoren.“ Als
       der verantwortliche Wissenschaftler vor einigen Jahren in Rente ging, brach
       das DPZ die Reihe ab.
       
       Nach Angaben von Geschäftsführer Michael Lankeit hat das Zentrum in den
       vergangenen zehn Jahren „stark zugelegt“ und seine Mitarbeiterzahl auf 400
       verdoppelt. Dabei seien die vielen Helfer und Studenten an den vier
       Freilandstationen in Peru, Senegal, Madagaskar und Indonesien noch gar
       nicht mitgezählt.
       
       19 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reimar Paul
       
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