# taz.de -- Kommentar Linkspartei: Die Retro-Partei
       
       > Die Linkspartei trägt weiter ihren ewigen Ost-West-Konflikt aus. Dabei
       > sollte sie lieber diskutieren welche Rolle sie in der Eurokrise spielen
       > will.
       
       Die Linkspartei hat sich stets sehr dafür gelobt, dass nur ihr eine
       Wiedervereinigung auf Augenhöhe gelungen sei. Es ist kurios, dass nun die
       Linke als einzige Partei unter einem handfesten Ost-West-Konflikt leidet.
       Und es sieht nicht so aus, als wäre der therapeutisch aus der Welt zu
       schaffen.
       
       Das gängige Klischee sortiert die Linkspartei in extreme Westfundis und
       vernünftige Ostrealos. Das ist ziemlich vergröbert. Die finstere Prognose
       von Ostgenossen, dass die Wahlniederlagen im Westen die Partei endgültig in
       eine Sekte verwandeln würden, haben sich jedenfalls nicht bewahrheitet. In
       Nordrhein-Westfalen, wo es bei den Landtagswahlen im Mai den härtesten
       Rückschlag gab, haben die Genossen kürzlich die Radikaleren vor die Tür
       gesetzt und eine moderate neue Spitze gewählt. Das Duo Katja Kipping und
       Bernd Riexinger praktiziert im Bund ideologische Lockerungsübungen.
       
       Umso verwunderlicher ist der Brief, den Ostfunktionäre kürzlich in Richtung
       Westlinke schrieben. Dort wird geklagt, dass niemand mit ordnungsgemäßer
       DDR-Biografie in der Parteispitze zu finden ist. Das hat etwas Regressives.
       Ausgerechnet jetzt in rostigen Rüstungen alte innerparteiliche Schlachten
       zu schlagen wirkt ziemlich retro.
       
       Viel wichtiger ist, welche Rolle die Linkspartei in der Eurokrise spielen
       will. Setzt sie auf Anti-EU-Populismus und antikapitalistische
       Untergangsfantasien oder auf solide, keynesianische Reformpolitik? Mit
       Ersterem kokettiert Sahra Wagenknecht, Letzteres repräsentieren
       etatistische, linkssozialdemokratische Politiker wie Axel Troost.
       
       Dass dieser Konflikt endlich sichtbar und hoffentlich ausgetragen wird, ist
       keine bloße Fortsetzung des immer gleichen, ermüdenden Flügelstreits. Es
       ist vielleicht der Zukunftskonflikt, an dem sich zeigen wird, ob die
       Linkspartei Konstruktives zu sagen hat. Wollen die Ostrealos in der
       Linkspartei dabei ernsthaft mitspielen – oder lieber die Vergangenheit
       verwalten?
       
       8 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Die Linke
       
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