# taz.de -- Preisdrückerei: Mitarbeiter zahlen Zeche
       
       > Die Sparpolitik des SPD-Senats hat auch Auswirkungen auf Firmen, die für
       > die Stadt arbeiten. Unternehmen wälzen Preisnachlässe brutal auf das
       > Personal ab.
       
 (IMG) Bild: Auch Opfer der Hamburger Sparpolitik: Fensterputzer.
       
       Die sogenannte Schuldenbremse hat nicht nur auf die Etats der Behörden
       Auswirkungen, sondern trifft zunehmend auch Privatunternehmen, die für die
       Stadt arbeiten. So vertritt der Rechtsanwalt Holger Thieß zurzeit fünf Glas
       und Fassadenreiniger, deren Unternehmen aufgrund des Wettbewerbsdrucks den
       Mitarbeitern die Löhne um 250 Euro gekürzt und gleichzeitig den Akkord
       heraufgesetzt haben.
       
       Wenn große private Gebäudereinigungs-Unternehmen einen
       Dienstleistungsvertrag mit der Stadt abschließen, müssen sie sich
       verpflichten, ihren Mitarbeitern den tariflichen Mindestlohn zu zahlen.
       „Vor diesem Hintergrund sahen die Verträge bisher eine Dynamik vor“, sagt
       Thieß. „Die Verrechnungssätze der Unternehmen entwickelten sich parallel zu
       dem Mindestlohn.“ Sei der Mindestlohn gestiegen, so sei der Vergütungssatz
       im gleichen Maße angehoben worden, sagt Thieß.
       
       „Doch das gilt spätestens ab 2012 nicht mehr“, berichtet Thieß und verweist
       auf ein Schreiben des Referats für Einkaufs- und Ausschreibungsdienste der
       Finanzbehörde. Darin werden alle „hausverwaltenden Dienststellen“
       angewiesen, nach dem 31. Dezember 2011 bei den Verträgen nur eine
       Preisanpassung von 2,2 Prozent anzuerkennen, obwohl der Stadt bekannt war,
       dass der Mindestlohn ab dem 1.Januar 2012 um 3,1 Prozent angehoben werden
       sollte.
       
       Die Deckelung könnte in einigen Unternehmen der Idee Vorschub leisten, den
       Mindestlohn zu unterschreiten, befürchtet Thieß. Das sei sozialpolitisch
       verfehlt und zudem rechtlich problematisch, sagt er. Denn nach dem
       Arbeitnehmerentsendegesetz sei der Mindestlohn zwingend einzuhalten. Und
       wer ordnungswidrig handele oder „fahrlässig nicht weiß, dass der
       beauftragte Unternehmer den Mindestlohn nicht gewährt“, so Thieß, sei ein
       Fall für die Zollfahndung. Denkbar sei zudem eine zivilrechtliche Haftung
       der Stadt.
       
       „Wir zahlen den gesetzlichen Mindestlohn“, beteuert der Geschäftsführer der
       Landesinnung der Gebäudereiniger, Wolfgang Molitor. Es gebe sogar bei der
       Innung eine Arbeitsgruppe mit dem Zoll, um die Einhaltung des Mindestlohnes
       zu gewährleisten. In der Branche werden die Löhne in Tarifverträgen mit der
       IG Bau ausgehandelt. „Wir bemühen uns immer gemeinsam, den Tarifvertrag für
       allgemeinverbindlich erklären zu lassen“, sagt Molitor. Das bedeute, dass
       er für alle Betriebe bindend sei. „Wir stehen ja unter Druck,
       qualifiziertes Personal zu ordern“, sagt Molitor.
       
       Daniel Stricker von der Finanzbehörde weist den Vorwurf zurück, den
       Mindestlohn bei den neuen Verträgen nicht berücksichtigt zu haben. Die
       Mindestlohnsteigerung sei nachvollzogen worden, sagt Stricker. Insgesamt
       sei für die laufenden Gebäudereinigungsverträge eine Erhöhung von 2,.2
       Prozent vereinbart worden, „für den gesamten Rechnungsbetrag und nicht nur
       für die lohnabhängigen Kosten des Auftragnehmers“. Daher falle sie geringer
       als die nominale Tarifsteigerung von 3,1 Prozent.
       
       Für die Tarifsteigerungen im Bereich Glasreinigung, wo mehr als der
       gesetzliche Mindestlohn gezahlt wird, sei mit der Innung eine Regelung
       getroffen worden, die über dem Mindestlohn liege. Zudem sei für Firmen, die
       die höheren bundesweiten Tariflöhne zahlen, eine prozentuale Anpassung
       vorgenommen worden, sagt Stricker.
       
       Das bestätigt Innungsgeschäftsführer Molitor. Die Stadt habe schon den
       Mindestlohn weitergeben, und auch die Tarife über dem Mindestlohn
       berücksichtigt. Jedoch habe die Stadt bei Fixkosten wie dem Geräteeinsatz
       oder der Chemie niedrige Preise verlangt. „Dabei wird das Benzin immer
       teurer“, sagt Molitor.
       
       Für den Anwalt Thieß ist klar: „Die Folgen des Preisdruck bekommen meine
       Mandanten zu spüren.“ Da der Arbeitgeber unter Druck geraten sei, habe er
       den auf das Personal abgewälzt. Seine Mandanten – spezialisierte Glas und
       Fassadenreiniger – lägen zwar noch über dem Mindestlohn, aber eine
       Lohnkürzung um 250 Euro und Mehrarbeit durch Akkordanhebung sei in der
       Branche kein Einzelfall mehr.
       
       10 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai von Appen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Mindestlohn
       
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