# taz.de -- Ägypten nach dem Botschaftssturm: Steilvorlage für die Extremisten
       
       > In Bengasi sind vier US-Bürger umgekommen, darunter der Botschafter in
       > Libyen. In Ägypten versuchen die koptischen Christen, den Schaden zu
       > begrenzen.
       
 (IMG) Bild: Wenige, lautstark und den Koran immer dabei: Protestierende vor der US-Botschaft in Kairo.
       
       KAIRO taz | Wieder mal liefern sich westliche Islamophobe und arabische
       Salafisten gegenseitig Steilvorlagen. Am Anfang stand ein in den USA
       produzierter antiislamischer Film. Am vorläufigen Ende stehen vier Tote im
       US-Konsulat in Bengasi, darunter auch der US-Botschafter in Libyen, Chris
       Stevens.
       
       Bereits am Mittwochmorgen, pünktlich zum Jahrestag des 11. September,
       machte in Kairo das Wort von einem in den USA produzierten Film die Runde,
       in der Prophet Mohammed verunglimpft werde. Ähnlich wie bei dem dänischen
       Karikaturenstreit blieb die pawlowsche Reaktion nicht aus. Islamistische
       TV-Kanäle riefen zu Protesten vor der US-Botschaft in Kairo auf, allen
       voran al-Hekma, der Sender des Salafistenführers Wesam Abdel-Wareth.
       
       Mehrere tausend Menschen, meist Salafisten, folgten dem Aufruf und zogen am
       Nachmittag vor die US-Vertretung, einen Festungsbau im Zentrum der
       ägyptischen Hauptstadt. Eine Gruppe Jugendlicher schaffte es, mit Leitern
       auf die Mauer zu klettern, in den Garten einzudringen, die wegen 9/11 auf
       Halbmast wehende US-Flagge herunterzuholen und zu verbrennen. Sie wurde
       durch eine schwarze Flagge ersetzt, auf der das muslimische
       Glaubensbekenntnis – Gott ist Gott und Mohammed sein Prophet – geschrieben
       stand.
       
       ## Ausgerechnet Bengasi
       
       Doch Kairo war nur ein Vorgeschmack. Am Abend attackierte im libyschen
       Benagsi eine Gruppe salafistischer Bewaffneter, die sich als „Unterstützer
       der Scharia“ bezeichneten, mit Panzerfäusten und Raketenwerfern das
       US-Konsulat und zündeten es an. Der zufällig anwesende US-Botschafter Chris
       Stevens und drei weitere Beamte des US-Außenministeriums kamen bei der
       Attacke ums Leben – ausgerechnet in der Stadt, in der der Aufstand gegen
       den Diktator Gaddafi begann.
       
       Zudem verdankt Bengasi unter anderem der US-Luftwaffe, dass ein
       Rachefeldzug der den Rebellen überlegenen Gaddafi-Truppen vor den Toren der
       Stadt gestoppt worden war. „Die Angreifer haben unsere Truppen und Bewacher
       des US-Konsulats einfach zahlenmäßig übertroffen“, versuchte sich Wanis
       al-Scharef, ein Beamter des libyschen Innenministeriums, zu rechtfertigen.
       
       Zu weiteren Spannungen in Ägypten dürfte die Tatsache beitragen, dass der
       Film von Morris Sadek, einem im US-Exil lebendenden und für seine extremen
       Ansichten bekannten ägyptischen Kopten beworben wurde. Einige radikale
       islamische Prediger versuchen bereits jetzt, aus dieser individuellen
       Kampagne eine Unterstützung der ägyptischen Christen für den Film zu
       machen. Vertreter der Kopten halten dagegen, um den Schaden zu begrenzen.
       
       Medhat Klada, der den in Europa aktiven christlich-ägyptischen
       Organisationen vorsteht, erklärte Sadeks Positionen für „nicht für die
       koptische Exilgemeinde repräsentativ“. Sadek sei ein Extremist, der die
       Menschen in Ägypten gegen die Christen aufhetze. Auch die
       Maspero-Jugend-Vereinigung, ein Zusammenschluss junger Kopten, die an dem
       Aufstand gegen Mubarak teilgenommen hatten, ließen auf ihrer Facebook-Seite
       verlauten, dass Sadek weder den koptischen Mainstream noch die
       christlich-ägyptische Diaspora repräsentiere.
       
       ## Kleine, lautstarke Minderheit
       
       Anders als der Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen vor sechs
       Jahren, findet diese neue Kontroverse in einer veränderten arabischen Welt
       statt. Zwar ist dort der Ärger allerorten über den Film groß, aber es ist
       die kleine und lautstarke Minderheit der Salafisten, die den Fall für sich
       politisch zu nutzen sucht. Sie stellen das Gros der Demonstranten und
       Angreifer in Kairo und Bengasi.
       
       Die Kontroverse trifft aber sowohl in Libyen als auch in Ägypten auf eine
       neue Dynamik. Die gestützten Diktatoren Gaddafi und Mubarak hatten die
       Salafisten immer als Schreckgespenst genutzt, auch während des dänischen
       Karikaturenstreits. Nach dem Motto: Wenn ihr keine Angriffe auf die
       Botschaften und westliche Einrichtungen wollt, dann unterstützt mich im
       Namen der Stabilität.
       
       Heute jedoch regiert in Ägypten mit Muhammad Mursi ein Präsident, der der
       konservativen Muslimbruderschaft entstammt und der in
       Regierungsverantwortung steckt – und damit auch für den Schutz
       ausländischer Botschaften zuständig ist.
       
       ## Erster Weckruf
       
       Noch versuchen sich die Muslimbrüder in einer Doppelrolle, verurteilen den
       Film und rufen zu friedlichen Demonstrationen auf. Ihr Sprecher Muhammad
       Ghozlan, forderte die Regierung der USA auf, sich für den Film zu
       entschuldigen und die Verantwortlichen zu bestrafen.
       
       Aber wollen die Muslimbrüder in Regierungsverantwortung bleiben, dürfen sie
       den Salafisten nicht den Islam auf der Straße überlassen. Gleiches gilt für
       die neue libysche Regierung. Die Kontroverse über den Film und die Angriffe
       auf US-Einrichtungen sind für die neuen demokratisch gewählten arabischen
       Führungen ein erster Weckruf: Sie können der politischen Konfrontation mit
       den Salafisten auf Dauer nicht mehr ausweichen.
       
       Neben der wirtschaftlichen Situation wird diese Konfrontation die größte
       politische Herausforderung für die neuen Herrschenden in Kairo und Tripolis
       werden. Dabei haben sie die moderaten Islamisten, Liberale, das Militär und
       das westliche Ausland auf ihrer Seite. Und das Ganze wäre sicherlich
       einfacher, gäbe es da nicht immer wieder diese islamophoben Provokationen
       aus dem Ausland, die Wasser auf die extremistischen Mühen der Salafisten
       lenken.
       
       12 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim Gawhary
 (DIR) Karim El-Gawhary
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kopten
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