# taz.de -- Proteste nach US-Botschaftsattacken: Tödlicher Film
       
       > Wütende Demonstranten setzen das US-Konsulat in Bengasi in Flammen. Obama
       > erhöht die Sicherheitsvorkehrungen, die ägyptischen Muslimbrüder rufen zu
       > landesweiten Protesten auf.
       
 (IMG) Bild: Die beschädigte US-Botschaft in Bengasi, Libyen.
       
       TRIPOLIS dapd/rtr | Tödliches Blutvergießen wegen eines islamkritischen
       Films: Wütende Demonstranten haben bei einem Angriff in der libyschen Stadt
       Bengasi den US-Botschafter und drei weitere Amerikaner getötet. Botschafter
       Chris Stevens wurde bei dem Versuch erschossen, mit einigen Mitarbeitern
       das Konsulat zu evakuieren, als dieses in der Nacht beschossen und
       niedergebrannt wurde, wie ranghohe Vertreter der libyschen Behörden am
       Mittwoch mitteilten. US-Präsident Barack Obama verurteilte die Angriffe und
       ordnete erhöhte Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz amerikanischer
       Diplomaten weltweit an.
       
       Auslöser der Proteste war ein von vielen Muslimen als blasphemisch
       empfundener Film. Der amerikanische Produzent und Regisseur Sam Bacile
       tauchte angesichts der Gewalteskalation unter. In einem Telefongespräch von
       einem unbekannten Ort aus verteidigte er zugleich sein provokatives Werk.
       In dem Film, von dem Ausschnitte im Internet über das Video-Portal Youtube
       zu sehen sind, wird der Prophet Mohammed beim Sex gezeigt und seine Rolle
       als Überbringer von Gottes Wort angezweifelt.
       
       Der 52-jährige Stevens hatte bereits während des Bürgerkriegs die
       US-Vertretung in Bengasi geleitet und wurde erst in diesem Jahr vom Senat
       in Washington als Botschafter in Libyen bestätigt. Bis zum Dienstag waren
       erst fünf US-Botschafter im Dienst getötet worden – der letzte war Adolph
       Dubs im Jahr 1979 in Afghanistan.
       
       Obama sagte, die USA würden mit der libyschen Regierung zusammenarbeiten,
       um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Terrorakte könnten die
       Entschlossenheit der USA nicht erschüttern. US-Außenministerin Hillary
       Clinton sagte, der tödliche Angriff sollte das Gewissen von Menschen aller
       Glaubensrichtungen erschüttern. Die Tat sei von einer „kleinen und
       grausamen Gruppe“ Extremisten verübt worden, nicht vom Volk oder der
       Regierung Libyens. Er sei durch nichts zu rechtfertigen, sagte Clinton. Sie
       zeigte sich besorgt, dass die Proteste sich auf andere Länder ausweiten
       könnten. Der libysche Interimspräsident Mohammed el Megarif entschuldigte
       sich bei den USA für den Angriff.
       
       Der UN-Sicherheitsrat beriet am Mittwoch in einer einstündigen Sitzung über
       die Lage in Libyen. Nach Angaben aus Diplomatenkreisen bemühten sich die
       USA um eine Erklärung des Gremiums zu den Angriffen.
       
       ## Angriff mit automatischen Waffen
       
       Die Angreifer hatten das Konsulat nach Angaben von Augenzeugen am
       Dienstagabend mit automatischen Waffen und Granaten beschossen. Die
       libyschen Wachleute zogen sich angesichts der zahlreichen Demonstranten
       zurück. Ein Großteil des US-Konsulats brannte nieder. Bei dem Angriff
       wurden auch mehrere libysche Sicherheitsbeamte getötet, wie der
       stellvertretende libysche Botschafter bei den Vereinten Nationen am
       Mittwoch in New York mitteilte.
       
       Auch in Kairo gab es am Dienstag Proteste. Dort stürmten Demonstranten auf
       das amerikanische Botschaftsgelände, rissen die US-Flagge herunter und
       hissten eine schwarze Fahne mit einem islamischen Glaubensbekenntnis: „Es
       gibt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist sein Prophet“. Die Flagge,
       ähnlich einem von Al-Kaida genutzten Banner, wird häufig von
       Ultrakonservativen in der Region verwendet.
       
       ## Video wird vorerst nicht entfernt
       
       Ein Sprecher von Youtube erklärte, die Webseite werde das Video nicht
       entfernen. Bacile, ein kalifornischer Immobilienunternehmer, der nach
       eigenen Angaben israelischer Jude ist und das Drehbuch für den
       zweistündigen Film schrieb, ihn produzierte und auch Regie führte, sagte,
       er habe mit solch einer Reaktion nicht gerechnet.
       
       Aus Kreisen der israelischen Regierung verlautete am Mittwoch, Bacile sei
       den Behörden nicht bekannt und werde nicht als israelischer Staatsbürger
       geführt. Die afghanische Regierung blockierte aus Sorge vor Protesten
       vorübergehend den Zugang zu YouTube.
       
       Nach den Angriffen holte die Außenpolitik auch den
       US-Präsidentschaftswahlkampf ein. Der republikanische Bewerber Mitt Romney
       kritisierte die Regierung von Amtsinhaber Obama scharf für deren erste
       Reaktion, die er als Schande bezeichnete. Darin habe das Weiße Haus nicht
       etwa die Angriffe verurteilt, sondern Verständnis für die Täter gezeigt,
       sagte Romney. Obamas Wahlkampfsprecher Ben LaBolt erklärte daraufhin am
       frühen Mittwochmorgen, er sei entsetzt, dass Romney den tragischen Tod
       eines Diplomaten nutze, um einen politischen Angriff zu starten.
       
       Bevor das gesamte Ausmaß des Zwischenfalls bekannt wurde, hatte das
       US-Außenministerium eine Stellungnahme veröffentlicht, in der in Libyen und
       Ägypten zur Ruhe aufgerufen wurde. Den Muslimen versicherte das
       Ministerium, dass die US-Regierung den islamkritischen Film im Internet,
       der den Unruhen zugrunde lag, sowie Beleidigungen des Islams verurteile. Zu
       diesem Zeitpunkt war die US-Regierung vom gewaltsamen Tod eines einzigen
       Konsularbeamten ausgegangen.
       
       In Ägypten haben Islamisten zu Massenprotesten gegen den Film aufgerufen.
       Die Muslimbrüder, aus dessen Reihen auch Präsident Mohammed Mursi stammt,
       forderten für Freitag landesweite Demonstrationen, wie Generalsekretär
       Mahmud Hussein am Mittwoch mitteilte. Die Muslimbrüder riefen alle
       gesellschaftlichen Gruppen zur Teilnahme auf.
       
       12 Sep 2012
       
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