# taz.de -- Kommentar Deutsche Visapolitik: Im Zweifel für die Reisefreiheit
       
       > Die Hürden bei der Visa-Erteilung schrecken keine Verbrecher ab. Sie
       > erschweren aber die Demokratisierung in autoritären Staaten.
       
 (IMG) Bild: Eintritt nur mit Erlaubnis der Schlapphüte: Polizist mit Hund an der Schengen-Grenze.
       
       Nicht-EU-Bürger, die sich in den deutschen Vertretungen ihrer Heimatländer
       um ein Besuchsvisum für die Schengen-Staaten bemühen, stehen offensichtlich
       wieder einmal unter Generalverdacht – und das stärker denn je.
       
       Wie sonst ist es zu erklären, dass sich die Bearbeitungszeiten für einen
       Visaantrag oft über mehrere Wochen hinziehen, die Antragsteller mehrmals
       vorgeladen und demütigenden Befragungen unterzogen werden, bei denen sie
       auch noch intimste Details ihres Privatlebens ausbreiten müssen? Zu allem
       Überfluss kostet die Eintrittskarte für Schengen-Land auch noch etwas –
       beispielsweise 60 Euro für Weißrussen. Diese Summe ist für viele Bewohner
       alles andere als unerheblich.
       
       Man braucht schon reichlich Fantasie, um derlei Gebaren mit einem zu großen
       Aufkommen an Anträgen zu begründen, dem die Mitarbeiter von Botschaften und
       Konsulaten nicht gewachsen seien. Vielmehr liegt der Verdacht nahe, dass es
       sich hier um gezielte Schikanen handelt. Und die scheinen vor allem den
       Zweck zu verfolgen, möglichst viele Reisewillige nachhaltig abzuschrecken.
       
       Die in diesem Zusammenhang stets so gern genannte Zielgruppe von
       Kleinstkriminellen und Banden dürfte das wenig beeindrucken. Denn sie
       findet bisher Kanäle für eine Einreise und wird das auch in Zukunft tun.
       Das nicht sehen zu wollen, ist nichts anderes als Realitätsverlust.
       
       Doch was auch immer die deutsche Visapolitik motiviert hat – die Erinnerung
       an die sogenannte Visa-Affäre unter Rot-Grün etwa –, vor allem an die
       osteuropäischen Anrainerstaaten der EU ist sie ein komplett falsches
       Signal. Sie führt das offizielle Credo für eine Unterstützung und Förderung
       der dortigen Zivilgesellschaft ad absurdum. Denn wie sollte der Prozess der
       Demokratisierung, von dem auch die Bundesregierung so gern redet, in diesen
       autoritären Staaten befördert werden, wenn gleichzeitig ganz normalen
       Bürgern ein Besuch im „freien Westen“ so schwer wie möglich gemacht wird?
       
       Nein, wer wirklich zu einem Wandel in diesen Ländern beitragen will, muss
       eine Erleichterung der Visavergabe unverzüglich auf die Tagesordnung
       setzen. Und zwar nicht nur für Geschäftsleute, wie es der Ostausschuss der
       deutschen Wirtschaft fordert, sondern für alle. Das heißt ohne Wenn und
       Aber: Im Zweifel für die Reisefreiheit – so wie unter Rot-Grün ab dem Jahr
       2000.
       
       18 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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