# taz.de -- Größte Proteste in Peking seit 1989: Chinesen im nationalen Inselkoller
       
       > Peking erlebt die größten Demonstration seit Niederschlagung der
       > Demokratiebewegung. Es geht um verhasste Japaner und die Besitzrechte an
       > fünf Inselchen.
       
 (IMG) Bild: Lautstarke antijapanische Proteste.
       
       PEKING taz | Ein Polizeihubschrauber kreist über der japanischen Botschaft
       in Peking. Ein seltener Anblick. Denn innerhalb des vierten Stadtrings
       herrscht normalerweise Flugverbot. Doch auch Demonstrationen werden in dem
       autoritär geführten Einparteienstaat ja sonst nicht geduldet. In diesen
       Tagen aber schon.
       
       Die Demonstranten ziehen an diesem Dienstagmorgen in Blöcken zwischen 40
       und 50 Menschen die Straße hoch vor das Botschaftsgebäude der verhassten
       Japaner. Hunderte von Polizisten begleiten sie im Spalier. „Schlagt die
       kleinen Japaner, die Inseln gehören uns“, skandieren die Demonstranten.
       Soldaten und Sicherheitskräfte haben das Botschaftsgelände mit Gittern
       weiträumig abgesperrt, aber selbst als aus der Menschenmenge Steine und
       Flaschen fliegen, schreiten die Polizisten nicht ein. So viel
       Demonstrationsfreiheit hat es in Peking seit der Niederschlagung der
       Demokratiebewegung vor mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr gegeben.
       
       Die 63-jährige Xu Jun nutzt diese Gelegenheit. Zusammen mit ihrer Freundin
       Liu läuft sie bereits zum zweiten Mal mit. „Keinen Zentimeter dürfen wir
       den Japanern überlassen“, sagt sie. China die Inseln zu klauen sei so, wie
       wenn jemandem in der Familie etwas geraubt werde. Dann müsse man ja auch
       zusammenhalten. „Liebe China, liebe das Vaterland.“
       
       ## Neuer Höhepunkt erreicht
       
       Chinas antijapanische Proteste haben am Dienstag einen neuen Höhepunkt
       erreicht. Zehntausende Demonstranten sind es in Peking, zu Tausenden gingen
       sie auch in den Städten Schanghai, Nanjing, Guangzhou, Wenzhou, Qingdao und
       Chongqing auf die Straße. Seit Japans Regierung drei der fünf seit 40
       Jahren ihr unterstellten Diaoyu/Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer
       einem Privatmann abgekauft hat, kocht die Stimmung in der Volksrepublik
       hoch.
       
       Die Chinesen empfinden den Kauf als Provokation. Sie behaupten, die Inseln
       gehörten China. Was den Protesten am Dienstag noch einmal zusätzlichen
       Zulauf brachte: An diesem 18. September jährte sich zum 81. Mal der
       sogenannte Mukden-Zwischenfall. Japanische Offiziere verübten an diesem Tag
       im Jahr 1931 einen Sprengstoffanschlag auf japanische Einheiten. Japans
       Armee nutzte diesen Anschlag als Vorwand, um Nordchina zu erobern. An einem
       solchen Tag ist der Hass auf Japan unter vielen Chinesen noch einmal
       besonders ausgeprägt.
       
       „Von wegen, die KP hat uns herangekarrt“, erwidert der 29-Jährige Tian Fei
       empört auf entsprechende Fragen. „Wir sind aus freien Stücken hier“,
       beteuert er. „Alle.“ Mit Kollegen und Freunden habe er sich am frühen
       Morgen in die U-Bahn gesetzt. Am Anfang der abgesperrten Straße, die zur
       japanischen Botschaft führt, hat ihm ein Mann eine Chinafahne in die Hand
       gedrückt, seinem Kumpel ein Mao-Bild und ihnen beiden ein Transparent mit
       der Aufforderung: „Boykottiert japanische Produkte“. Und warum Mao? „Der
       Vorsitzende war ein großer Führer“, antwortet Tian Fei. So jemanden brauche
       China heute.
       
       ## Tausende Fischerboote unterwegs
       
       Während des Marschs auf die Botschaft ruft er auf seinem Smartphone
       regelmäßig die Nachrichten ab. Tausende von Fischerbooten haben sich am Tag
       zuvor von der chinesischen Küste in Richtung der Inseln auf den Weg
       gemacht. Japanische Patrouillenschiffe stehen in Bereitschaft und erwarten
       sie. „Aber werden sie wirklich auf Hunderte von Fischern schießen“, fragt
       Tian Fei. „Das sollen sich die Scheißjapsen erst mal trauen.“ Inzwischen
       sei China stark genug, ganz Japan zu erobern und nicht nur diese paar
       Inseln.
       
       Schräg gegenüber der Botschaft auf der anderen Straßenseite beginnt die
       Lucky Street – an anderen Tagen eine beliebte Ausgehmeile in Peking. Jedes
       zweite Restaurant ist eine Sushi-Bar oder führt auch unter Chinesen
       beliebte japanische Gerichte wie etwa Teriyaki, Hühnerfleisch in einer
       speziellen Sojasoße, oder Tempura, frittiertes Gemüse.
       
       In diesen Tagen sind die Lokale geschlossen. Stattdessen stehen die zumeist
       chinesischen Besitzer vor ihren Läden und wedeln ebenfalls mit Chinafahnen.
       Ob sie nicht ärgerlich sind ob der Einnahmeausfälle? „Natürlich“, antwortet
       ein Sushi-Bar-Betreiber. Nur, was solle er machen? An ein generelles Ende
       seines Geschäfts glaubt er nicht. „Spätestens am Wochenende sind unsere
       Restaurants wieder voll.“
       
       18 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Lee
       
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