# taz.de -- Kommentar Inselkonflikt China/Japan: Entflammbarer Nationalismus
       
       > In China herrscht sowohl „Staatsnationalismus“ als auch
       > „Volksnationalismus“. Deshalb sind die antijapanischen Proteste für die
       > KP eine zweischneidige Sache.
       
       Demonstrationen für grundlegende politische Reformen bleiben in China tabu,
       doch nationalistische Proteste gegen Japan oder die USA werden oft für eine
       Weile mit offiziellem Wohlwollen bedacht. Denn sie haben für das Regime
       eine Funktion jenseits des Dampfablassens. Ihre Botschaft: Seht mal, Partei
       und Regierung handeln auf Wunsch der Bevölkerung, die in ihren
       nationalistischen Positionen noch viel radikaler ist.
       
       Seit dem Bankrott des Kommunismus ist der Nationalismus in China eine
       Ersatzideologie und die neben dem Wirtschaftswachstum wichtigste
       Herrschaftslegitimation der KP. Den „Staatsnationalismus“ von oben ergänzt
       ein „Volksnationalismus“ von unten. Beide verstärken sich gegenseitig, sind
       oft symbiotisch, aber auch Konkurrenten.
       
       Der „Volksnationalismus“ ist emotionaler, irrationaler und radikaler,
       während der „Staatsnationalismus“ das internationale Umfeld beachten und
       Kompromisse mit anderen Staaten vertreten muss. Unkontrollierter
       „Volksnationalismus“ kann dem Regime gefährlich werden. Erst recht, wenn
       ansonsten Demonstrieren offiziell kaum möglich ist. Nimmt der
       „Volksnationalismus“ überhand, kann er eine zu internationalen Kompromissen
       gezwungene Regierung angreifen und – wie aus Chinas Geschichte bekannt –
       hinwegfegen.
       
       Deshalb sind die antijapanischen Proteste für die KP eine zweischneidige
       Sache. Da keine Regierung in dem Konflikt ohne Gesichtsverlust
       zurückweichen kann und beide mit dem Status quo ante am besten bedient
       wären, kann Peking den Nationalismus nur begrenzt für Druck auf Tokio
       nutzen. Denn Peking muss auch wirtschaftlichen Schaden abwenden und die
       Situation beruhigen. Vor allem muss die KP verhindern, die Kontrolle zu
       verlieren, also eine Situation, in der die Demonstranten auch andere
       Forderungen erheben. Ein Spiel mit dem Feuer.
       
       17 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven Hansen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Chinesisch-japanischer Inselstreit: Zoff um ein paar Felsbrocken
       
       Japan und China streiten um eine kleine Inselgruppe nahe Taiwan. Worum geht
       es dabei und warum sind die unbewohnten Felsinseln so wichtig?
       
 (DIR) Inselstreit mit China: Japans Industrie hat Angst
       
       Die japanische Wirtschaft hat in China viel zu verlieren. Wegen des
       Inselkonflikts stehen japanische Fabriken in der Volksrepublik still.
       
 (DIR) Größte Proteste in Peking seit 1989: Chinesen im nationalen Inselkoller
       
       Peking erlebt die größten Demonstration seit Niederschlagung der
       Demokratiebewegung. Es geht um verhasste Japaner und die Besitzrechte an
       fünf Inselchen.
       
 (DIR) Antijapanische Proteste: China droht Tokio mit Sanktionen
       
       Nach den antijapanischen Aussschreitungen versucht Peking, die Proteste zu
       begrenzen – aus Selbstschutz. Derweil legen die Japaner ihre Fabriken
       still.
       
 (DIR) Streit um Inselgruppe: Chinas dreiste Japanhasser
       
       Wegen des Streits um ein paar Inseln nehmen die antijapanischen Proteste in
       China zu. In mehreren Städten brennen Autos japanischer Hersteller.