# taz.de -- Spiel „Angry Birds“: Es wirkt wie Voodoo
       
       > Das Handyspiel „Angry Birds“ gibt es nun für die Konsole. Wer steckt
       > eigentlich dahinter? Ein Besuch beim Entwickler des Spiels in der
       > finnischen Einöde.
       
 (IMG) Bild: Simples Spielprinzip, Riesenerfolg: Kamikaze-Vögel, die auf Schweine fliegen.
       
       Es gibt sie noch: die kleinen Start-Up-Unternehmen, deren Erfolg in
       schwindelnde Höhen steigt. Es gibt sie noch – trotz geplatzter
       Dotcom-Blase, Finanzkrise und der Schnelllebigkeit der neuen Medien. Die
       Firmen, die so schnell wachsen, dass ihre Mitarbeiter sich die Namen der
       ständig hinzukommenden Kollegen kaum merken können.
       
       Ein Beispiel ist Rovio Entertainment. Deren Serie „Angry Birds“ ist die
       erfolgreichste Mobilspiel-Marke aller Zeiten. Ein simpel zu bedienender
       Pausenfüller – den rund 200 Millionen Menschen jeden Monat regelmäßig
       spielen –, der beweist, dass Spieleblockbuster nicht immer teuer
       produzierte Grafikgranaten aus den Metropolen der USA sein müssen.
       
       Rund 20 Kilometer von Helsinki entfernt, liegt der finnische Ort Espoo. Die
       zweitgrößte Stadt des Landes wirkt mit knapp über 250.000 Einwohnern für
       deutsche Verhältnisse beschaulich. Hier befindet sich nicht nur der
       Hauptsitz des Handyherstellers Nokia, sondern auch der des
       Handyspieleherstellers Rovio Entertainment. In einem unscheinbaren
       Bürogebäude neben einem Schilf bewachsenen Ufer liegt eine andere Welt: Mit
       dem Fahrstuhl oben angekommen landen die Besucher in einem modernen
       Design-Büro voller junger Menschen, die hochkonzentriert vor ihren
       Bildschirmen sitzen.
       
       Die Wände im Flur sind komplett bemalt mit bunten Spielszenen aus „Angry
       Birds“, die Sofas im Präsentationsraum vollgestopft mit passenden
       Plüschvögeln. Das Spielelogo ziert ausliegende Mitteilungen und Magneten
       für Notizen. Selbst auf dem Display der Espressomaschine in der Café-Lounge
       wüten die virtuellen Kult-Vögel. DotCom-Klischee pur.
       
       ## Hier spricht man Englisch
       
       Ein Blick auf die Hinweisschilder für Mitarbeiter verrät: hier spricht man
       Englisch. Schließlich ist das Unternehmen so stark auf Wachstumskurs, dass
       es international zugeht. 18 Nationalitäten sind in der Zentrale in Espoo
       vertreten. „Wir sind so rapide gewachsen. Die Angry Birds wurden regelrecht
       ein globales Phänomen“, sagt Ville Heijari. Als Vizepräsident für
       Markenentwicklung sorgt er bei Rovio dafür, dass das so bleibt.
       
       Als der erste Teil der Serie Ende 2009 erschienen ist, haben noch zwölf
       Angestellte daran gearbeitet, im Jahr darauf waren es schon 28. Inzwischen
       widmen allein in Finnland über 400 Mitarbeiter ihren Arbeitsalltag den
       bunten Comic-Piepmätzen. Sie kümmern sich nicht nur um immer neue
       Fortsetzungen, sondern auch um weitere Vermarktungsmöglichkeiten und die
       inzwischen mehrere hundert weltweiten Lizenzpartner.
       
       Eine unglaubliche Erfolgsgeschichte, die nicht nur Entwickler von epischen
       Konsolenspielen mit Top-Grafik zum Staunen bringt. Das Prinzip von „Angry
       Birds“ ist extrem simpel: Vögel werden mit einer Zwille auf Schweine
       geschoßen, die deren Eier geklaut haben. Mal verschanzen sich die
       grinsenden Schweine hinter Glas, mal in komplexen Holzbauten. Verschieden
       farbige Vögel lösen Explosionen aus oder eignen sich besonders gut zum
       Zerstören bestimmter Materialien.
       
       Ein Physikspiel, bei dem es vor allem auf den Zielpunkt samt Flugbahn
       ankommt. Alles in bunter Comic-Grafik. Wie bei vielen Pausenspielchen ist
       eine Runde schnell vorbei, der Suchtfaktor bringt die Begeisterung. Nur
       noch schnell ein bis zwei Level spielen, noch eben das eine Gebiet mit
       Bestleistung abschließen und schon sind einige Spielrunden und Stunden
       vergangen.
       
       ## 648 Millionen Downloads auf allen Plattformen
       
       In vier Spielen sausen die Vögel auf Handy, Tablet und PC inzwischen durch
       die Luft. Insgesamt 648 Millionen Downloads auf allen Plattformen hat die
       Firma Rovio für das letzte Jahr vermeldet. Den Entwicklern spielt der
       allgemeine Boom der Handyspiele in die Karten. Hierzulande waren 32 Prozent
       aller verkauften Spiele im Jahr 2011 Games für mobile Geräte, 2012 sind es
       geschätzt 41 Prozent.
       
       Allein für mobile Telefone sollen 2012 laut Branchenverband BIU 10,8
       Millionen Spiele in Deutschland verkauft werden und einen Umsatz von über
       20 Millionen Euro generieren. Der Erfolg erklärt sich nicht nur durch die
       mittlerweile große Bandbreite an Genres, sondern auch durch den Preis und
       die einfach Verfügbarkeit.
       
       Ein passendes Handy oder Smartphone besitzen die meisten sowieso. Da muss
       nicht extra erst eine teure Konsole angeschafft werden. Die inzwischen
       leistungsstarken Geräte machen eine hübsche Grafik und teils komplexe
       Spielwelten möglich, die nichts mehr mit dem Geschicklichkeitsklassiker
       „Snake“ in Pixeloptik gemein haben und sich der Qualität von Konsolengames
       immer mehr annähern.
       
       Der Spaß kostet durchschnittlich weniger als zwei Euro pro Spiel. Da ist
       die Hemmschwelle, mal einfach etwas zu kaufen und auszuprobieren, viel
       geringer als bei einem herkömmlichen Produkt für 60 Euro. Zudem fällt der
       Gang ins Geschäft beim Mobilspiel-Download weg. In solch einem boomenden
       Umfeld scheint es leichter, ein mobiles Kultspiel zu schaffen. Dennoch ist
       wie bei jedem Kult ein wenig Glück auf Seiten der Erfinder dabei.
       
       ## Kettenreaktion der Fans
       
       Eine Art Voodoo in Form einer Kettenreaktion der Fans, die sich keiner so
       recht erklären kann. Dessen ist sich auch Rovio bewusst. Zwar sind die
       Mitarbeiter von ihrem Produkt überzeugt, tragen sogar stolz Werbepullover-
       und -T-Shirts ihres virtuellen Babys, wissen aber, dass ihr rasantes
       Wachstum auch auf Glück beruht. Nun suchen sie nach neuen Wegen, „Angry
       Birds“ weiter zu verbreiten.
       
       Nachdem am Dienstag das Mobilspiel „Bad Piggies“ erschienen ist, das das
       bekannte Spielprinzip umkehrt, kommen die Flattermänner am Freitag für die
       Spielkonsole in die Läden. „Angry Birds: Trilogy“ bringt die ersten drei
       Folgen plus Extra-Levels auf den Fernsehbildschirm. „Die Fans haben uns
       gefragt, ob wir nicht eine Konsolenversion machen wollen“, sagt Heijari.
       Die Levels sind etwas detailreicher aufgehübscht, das Spielprinzip bleibt
       dasselbe. Denn dass die Marke einen hohen Wiedererkennungswert besitzt,
       darauf legt Rvio großen Wert.
       
       Schließlich werden die Figuren der Finnen aus Espoo als eine Art
       Nationalsymbol gehandelt. In fast jedem Kiosk gibt es essbare Gummivögel in
       der Süßwarenecke, passende Plüschfiguren zieren die Auslagen der
       Souvenir-Händler und Schaufenster der Mobilfunkshops. Wenn die Entwickler
       auf Reisen, zum Beispiel in der Berliner U-Bahn, jemanden ihr Werk spielen
       sehen, sind sie immer noch stolz. Trotzdem flaut jeder digitale Boom
       irgendwann ab.
       
       ## Kleinen Entwicklern helfen
       
       Dafür wollen die Entwickler gewappnet sein und die Marke nachhaltig
       interessant machen: „Wir wollen nicht mehr nur Spieleentwickler sein“, so
       Heijari. „Wir sind nun eine Unterhaltungsfirma und wollen auf allen
       Bildschirmen verfügbar sein“. Schon jetzt macht Rovio 40 Prozent des
       Umsatzes mit Merchandising. Mit Malbüchern, Pullovern, Socken und
       Golfbällen.
       
       Das Unternehmen will mit seinem Bekanntheitsgrad kleinen
       Idependent-Entwicklern helfen, deren Spiele im Vertrieb zu veröffentlichen.
       Man wird nach dem Test mit der neuen Trilogie wahrscheinlich vermehrt auf
       Konsolenspiele setzen. Außerdem erscheint demnächst mit „Angry Birds Toons“
       eine mehrteilige Cartoon-Film-Serie. Die ausgestreckten Fühler reichen in
       alle Ecken der digitalen Unterhaltung. An Wörter wie Finanzkrise und
       Sparkurs denkt hier niemand in der kleinen, heilen DotCom-Welt der wütenden
       Vögel.
       
       „Angry Birds: Trilogy“ ist erhältlich ab dem 28. Oktober für PlayStation 3,
       Xbox 360 und 3DS. Ab 25 Euro
       
       27 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nina Ernst
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Konsole
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Renzension Little Big Planet Karting: Säcke, die auf der Fahrbahn rempeln
       
       Rasen, drängeln, schießen: die niedlichen Sackboy-Figuren aus der
       Spielereihe „Little Big Planet“ geben jetzt Gas in ihrem eigenen
       Kart-Spiel.
       
 (DIR) Neue App von Angry-Bird-Machern: Hier kommt Alex!
       
       Die Macher des beliebten Spiels „Angry Birds“ haben mit „Amazing Alex“ eine
       neue App für Apple- und Androidgeräte auf den Markt gebracht. Bisher mit
       großem Erfolg.
       
 (DIR) Datensicherheit bei Smartphones: Crowdsourcing gegen böse Androiden
       
       Die Zahl der schädlichen Apps für das mobile Betriebssystem Android steigt
       und auch offizielle Apps haben ihre Tücken. Forscher machen nun die Nutzer
       zu den Wächtern.