# taz.de -- Neue Gedichte von Günter Grass: Nächste Attacke auf Israel
       
       > Günter Grass, Deutschlands Vorzeigedichter und ehemaliger
       > Waffen-SS-Kämpfer, nimmt sich in seinem neuen Gedichtband wieder einmal
       > Israel vor.
       
 (IMG) Bild: Hat sich an Israel festgebissen: Günter Grass.
       
       LÜBECK dpa | In seinem neuen Gedichtband "Eintagsfliegen" liefert Günter
       Grass (84) wieder Zündstoff für politische Kontroversen mit Israel. Der
       deutsche Literaturnobelpreisträger würdigt in einem der insgesamt 87
       Gedichte den wegen Spionage zu 18 Jahren Haftstrafe verurteilten
       israelischen Nukleartechniker Mordechai Vanunu als „Held“ und „Vorbild“.
       
       Vanunu hatte 1986 im Ausland das geheime Nuklearprogramm Israels öffentlich
       gemacht. In dem Gedicht „Ein Held unserer Tage“ dichtet Grass über Vanunu:
       „So heißt der Held, der seinem Land zu dienen hoffte, indem er half die
       Wahrheit an den Tag zu bringen.“
       
       Eine Spionin hatte Vanunu nach Rom gelockt, der israelische Geheimdienst
       Mossad entführte ihn dort und brachte ihn nach Israel, wo er vor Gericht
       kam. Elf Jahre saß Vanunu im Gefängnis, kam danach unter Auflagen frei.
       Weil er sich dennoch mehrfach äußerte, musste er erneut einige Mal ins
       Gefängnis und lebt unter Hausarrest.
       
       ## Gedicht korrigiert
       
       Zwischen den Zeilen ruft Grass zum militärischen Geheimnisverrat auf –
       überall dort in der Welt, wo Vernichtungswaffen hergestellt werden: „Drum:
       Wer ein Vorbild sucht, versuche ihm zu gleichen, entkleide, werde mündig,
       spreche aus, was anderswo in Texas, Kiel, China, im Iran und Rußlands Weite
       erklügelt wird und uns verborgen bleibt.“ Die Kieler Werft HDW baut für
       Israel U-Boote, die nach Medienberichten atomwaffenfähig sein sollen.
       
       Bereits im April hatte Grass, der als junger Mann in Hitlers Waffen-SS
       diente und diese Mitgliedschaft jahrzehntelang verschwieg, mit dem Gedicht
       „Was gesagt werden muss“ Israels Regierung verärgert. Innenminister Eli
       Jischai sprach gegen den deutschen Dichter ein Einreiseverbot aus. Grass
       hielt in dem Text Israel vor, mit seinen Atomwaffen den ohnehin brüchigen
       Weltfrieden zu gefährden und das Recht auf einen militärischen Erstschlag
       gegen Irans Atomanlagen zu beanspruchen.
       
       Grass hat die zunächst in der Süddeutschen Zeitung veröffentlichte Fassung
       des Gedichts für den neuen Gedichtband stilistisch und in einem Punkt
       inhaltlich überarbeitet: So heißt es jetzt nicht mehr, die „Atommacht
       Israel“ gefährde den Weltfrieden, sondern „die gegenwärtige Regierung der
       Atommacht Israel“.
       
       ## Ode an Oskar Pastior
       
       Zu den Gedichten des Bandes gehört auch eins über den rumäniendeutschen
       Schriftsteller Oskar Pastior (1927-2006), der von 1961 bis zu seinem
       Verbleiben im Westen 1968 informeller Mitarbeiter des rumänischen
       Geheimdienstes Securitate gewesen war. Unter dem Titel „Verspäteter
       Schutzbrief für Oskar Pastior“ verteidigt Grass den unter anderem mit dem
       Büchnerpreis geehrten Autor. Pastior, selber Opfer des Stalinismus, habe
       aus größter Angst vor erneuter Haft im damals kommunistischen Rumänien
       gehandelt und später aus Scham geschwiegen. Erst vier Jahre nach dem Tod
       war die IM-Tätigkeit Pastiors, der Geheimdienstakten zufolge auch
       Spitzelberichte schrieb, bekanntgeworden.
       
       Den Kritikern wirft Grass vor, sich nur noch selbst unfehlbar gesehen und
       über Pastior den Daumen gesenkt und den Stab gebrochen zu haben. „Ich aber
       nehme Dich nun - verspätet, ich weiß - in den Arm; vielleicht gelingt es
       uns sprachlos zu weinen“, schließt das Gedicht.
       
       Die „Eintagsfliegen“ bieten neben politischen Gedichten - darunter Texte zu
       Europa, Griechenland und eine kritische Liebeserklärung an Deutschland
       (Titel: "Trotz allem") - auch viele sehr persönliche Texte. Darin geht es
       um die Mühsal des Alters, um den Verlust von Freunden und um Todesahnungen.
       Grass malte zu jedem Gedicht eine aquarellierte Federzeichnung mit
       Eintagsfliegen.
       
       30 Sep 2012
       
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