# taz.de -- DIE WAHRHEIT: Schwere Zeiten für Günter Grass
       
       > Rating: Moodys droht dem Literaturnobelpreisträger mit Herabstufung.
       
 (IMG) Bild: Notfalls will Günter Grass die Entscheidung der Agentur mit allen rechtlich gebotenen Mitteln anfechten.
       
       Die Ratingagentur Moody’s droht dem Schriftsteller Günter Grass mit dem
       Entzug der Bestnote „Aaa“. Grass stehe, wie es in einer Pressmitteilung
       heißt, „unter Beobachtung“, weil die Ratings seiner jüngsten Gedichte
       miserabel ausgefallen seien. Aus der engsten Umgebung des
       Literaturnobelpreisträgers Grass verlautet nun, dass er schärfstens gegen
       seine Beobachtung und Bewertung durch eine „dahergelaufene“ Ratingagentur
       protestiere und ihr das Recht aberkenne, ihm die Bestnote zu entziehen.
       
       Einerseits spreche ohnehin vieles dagegen, „literarische Kunstwerke
       schulmeisterlich zu benoten“. Andererseits habe selbst der allen gängigen
       Bewertungsmustern abholde Philosoph Theodor W. Adorno „Noten zur Literatur“
       veröffentlicht. Es gehöre sich jedenfalls nicht, einem renommierten und
       auch international anerkannten Schriftsteller eine Bestnote zu entziehen –
       auch dann nicht, wenn er von dieser Note bis zum Zeitpunkt ihres Entzugs
       noch gar nichts gewusst habe.
       
       Notfalls werde Günter Grass die Entscheidung der Agentur mit allen
       rechtlich gebotenen Mitteln anfechten und den Europäischen Gerichtshof für
       Menschenrechte anrufen, um die Bestnote „Aaa“ unwiderruflich festschreiben
       zu lassen. Es sei „ein Unding“, diese einmal erteilte Note nachträglich in
       Frage zu stellen – und das noch dazu vonseiten einer Agentur, die zu
       literarischen Urteilen überhaupt nicht befugt sei. „Geschenkt ist
       geschenkt. Wiederholen ist gestohlen!“
       
       Wie es der Zufall will, kommt just in diesen Tagen, in denen Grass
       energischer denn je um sein Renommee kämpft, eine automatische
       Günter-Grass-Distanzregelungs-Technologie auf den Markt, die von einem
       polnischen Anbieter entwickelt worden ist. Sie nennt sich „GRASS adaptive
       surf control“ und soll Internetnutzer vor jeder Kollision mit Günter Grass
       bewahren.
       
       Wer die „GRASS adaptive surf control“ aktiviert hat, den wird online kein
       Sterbenswörtchen von Grass mehr erreichen – kein Wahlaufruf, keine
       Interviewaussage, kein Foto, keine Filmaufnahme, kein Gedicht und kein
       Romanauszug und auch kein einziger Text mit irgendeiner offenen oder
       verdeckten Anspielung auf den umstrittenen Kaschuben. Die Nachfrage
       übertrifft die kühnsten Erwartungen. Selbst aus Kinshasa, Lummerland,
       Timbuktu und Gomorrha gehen Bestellungen in einer Vielzahl ein, die
       Rückschlüsse auf den globalen Überdruss an Grass erlaubt.
       
       Serienreif soll demnächst auch ein System sein, das alle Zeichnungen von
       Grass blockiert. Denn wie man weiß, hat er sich auch als bildender Künstler
       betätigt, und zwar so arg, dass es ihm der Dichter Robert Gernhardt einmal
       heimgezahlt hat: „Poeten, die nicht zeichnen können, / sollten’s besser
       lassen. / Das gilt für Günter Kunerten, / das gilt für Günter Grassen.“
       
       Unterdessen zirkulieren neue Gedichte von Grass im Internet. „Wenn es sein
       muss, lese ich auch / den Hethitern die Leviten sowie den Kabylen“, soll er
       gedichtet haben. „Und wenn sie nicht hören wollen, / dann müssen sie
       fühlen“. Züchtigen will Grass alle unbotmäßigen Volksstämme mit einem
       Interviewboykott und der Schließung sämtlicher Grass-Institute, von denen
       weltweit rund 21.000 Stück existieren. Sieben soll es allein in Lübeck
       geben, dreizehn in Wewelsfleth und sechzehn in Gdansk.
       
       Die meisten dieser Institute dienen der Dauerausstellung bildhauerischer
       und lithografischer Produkte aus der Werkstatt des vielseitig begabten
       Namenspatrons, dem seit einiger Zeit auch Ambitionen auf das Amt des
       UNO-Generalsekretärs nachgesagt werden. Doch mittlerweile weist die
       Erfolgskurve des 1959 abgehobenen Großschriftstellers so steil nach unten,
       dass der Bodenkontakt mit der Realität unvermeidlich erscheint. Der
       Aufschlag steht kurz bevor. Ballistiker der Nasa rechnen mit einem Erdbeben
       von planetarischem Ausmaß. Im Anschluss daran dürfte sich allerdings eine
       paradiesisch anmutende Ruhe einstellen.
       
       18 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gerhard Henschel
       
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