# taz.de -- Geflügel-Lobbyismus: Massenmast ist nicht gemeinnützig
       
       > Niedersachsens Geflügelwirtschaftsverband hat sich als gemeinnützig
       > ausgegeben, erweist sich aber als Sprachrohr für die Branchenriesen - mit
       > Hang zur Drohgebärde.
       
 (IMG) Bild: Nicht gemeinnützig, nie gewesen: Massenmast in Form des niedersächsischen Geflügelwirtschaftsverbands
       
       OLDENBURG taz | Auch in Niedersachsen ist Massenmast nicht gemeinnützig: In
       Folge von taz-Recherchen hatte der [1][NGW Niedersächsische
       Geflügelwirtschaft – Landesverband] e.V. am Donnerstagnachmittag das
       Finanzamt Oldenburg und die niedersächsische Oberfinanzdirektion vom
       Steuergeheimnis teilweise entbinden müssen. Ergebnis: „Der
       Interessensverband ist weder als gemeinnützig anerkannt noch hat er die
       Gemeinnützigkeit je beantragt“, so der Sprecher des Oldenburger Finanzamts,
       Christian Kläne, zur taz. Eine Spendenbescheinigung darf er daher nicht
       ausstellen.
       
       Eine einschlägige Selbstbezeichnung des NGW hatte zuvor für Kopfschütteln
       bei Steuerfachleuten und für Empörung im politischen Raum gesorgt ([2][taz
       berichtete]). „Das wäre ein Hohn“, hatte der landwirtschaftspolitische
       Sprecher der niedersächsischen Grünen-Fraktion, Christian Meyer, Zweifel
       angemeldet. „Wir nehmen den NGW als reinen Lobbyverband der Agrarindustrie
       wahr – eine Anerkennung kann nicht rechtens sein.“
       
       In diesem Sinne hatte zuvor Eckehard Niemann von der
       [3][Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft] (AbL) den NGW als „eher
       gemeinschädlich denn gemeinnützig“ bezeichnet – und die vermutete
       Anerkennung einen Skandal genannt.
       
       Quelle der Fehlinformation war die NGW-Homepage, die ihn als
       „gemeinnützigen überparteilichen Verband“ vorstellt. Auch sein
       Vorsitzender, Wilhelm Hoffrogge, hatte im Gespräch mit der taz diesen
       Status bekräftigt und dem AbL mit „rechtlichen Schritten“ gedroht. Daraus
       wird nun nix.
       
       Steuerrechtlich wäre diese Privilegierung anrüchig gewesen. Sie hätte den
       NGW nicht nur, wie alle Wirtschaftsverbände, von der Körperschaftssteuer
       befreit, sondern auch Spenden an ihn absatzfähig gemacht. Eine Anerkennung
       als gemeinnützig sei zwar für Interessensverbände „nicht per se
       ausgeschlossen“, sagt Silke Bruns vom Bundesfinanzministerium, „aber die
       Hürde der Selbstlosigkeit ist für sie fast nicht zu meistern“.
       
       Mit der Entbindung der Finanzbehörden vom Steuergeheimnis hat der NGW
       größerem Flurschaden vorgebeugt, was bleibt, ist der Makel, seine eigene
       Rolle geschönt dargestellt zu haben. Dazu passt, dass Hoffrogge zwar
       gegenüber der taz energisch verneint, in erster Linie die Interessen der
       Branchenriesen zu vertreten. Doch sind diese, mit nur wenigen Ausnahmen, in
       Niedersachsen beheimatet. Und ihr Einfluss im NGW ist hoch, wie die
       Zusammensetzung des Vorstands belegt: Stellvertretender Vorsitzender ist
       Karl Horstmann, Geschäftsführer der millionenschweren
       Geflügelzucht-Horstmann GmbH. Die ist eng mit Lohmann Tierzucht verbandelt,
       dem Weltmarktführer in Sachen Legehybride, der auch noch Gerhard Seemann
       ins Gremium entsandt hat, wo er mit Josef Kamphaus, Geschäftsführer bei
       [4][PHW] (Wiesenhof), fürs Thema Hühner-Zucht und Vermehrung zuständig ist.
       Puten-Fragen wiederum beantwortet Ewald John Drebing, Chef des [5][Moorgut
       Kartzfehn] von Kameke, deutscher Putenzüchter Nummer eins, und eng
       verbandelt mit [6][Heidemark]. Gemeinsam betreibt man die Lethetal
       Putenspezialitäten-Schlachterei in Ahlhorn.
       
       Auch die politischen Forderungen des NGW entsprechen den Wünschen
       industrieller Geflügel-Firmen: Als Niedersachsens Agrarminister Gert
       Lindemann im Februar einen Ausstieg aus der Kleingruppen-Käfighaltung von
       Legehennen bis 2023 ankündigt hatte, drohte Hoffrogge dem Land mit
       „Schadenersatzforderungen“, die „durchaus im Bereich von 50 Millionen Euro“
       liegen würden.
       
       Vor allem ein Mitvorstand dürfte sich gefreut haben: Bernd Meerpohl betreut
       im NGW die Fachgruppe Verbundwirtschaft, sonst ist er Chef der [7][Big
       Dutchman AG], des Marktführers bei „Stall-Lösungen“ und
       [8][„Haltungssystemen“]. So nennt das Unternehmen in der schönen Sprache
       der Werbung das, was dem Laien ein Käfig ist.
       
       4 Oct 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.ngw-landesverband.de/index.php?modul=sites&func=show&id=2
 (DIR) [2] /1/archiv/digitaz/artikel/
 (DIR) [3] http://www.abl-ev.de/
 (DIR) [4] http://www.phw-gruppe.de/
 (DIR) [5] http://www.kartzfehn.de/
 (DIR) [6] http://www.heidemark.de/
 (DIR) [7] http://www.bigdutchman.de/gefluegel/home.html
 (DIR) [8] http://www.bigdutchman.de/gefluegel/produkte/kleingruppenhaltung-kleinvoliere.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Tierquälerei
 (DIR) Landwirtschaft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Leistungszucht ist eine Qual für Tiere: Wachsen, bis es wehtut
       
       Gelenkprobleme und Fruchtbarkeitsstörungen: Nutztiere werden heute so stark
       auf Leistung gezüchtet, dass sie krank werden. Das zeigt eine neue Studie.
       
 (DIR) Industrielle Putenzucht: In Fleischfabriken lebendig begraben
       
       In Niedersachsen werden Puten gequält. Die Tierschutzorganisation Peta hat
       Anzeige erstattet und einige besonders widerliche Praktiken gefilmt.
       
 (DIR) Neuer Riesen-Schlachthof: Blutvergießen in Ahlhorn
       
       Der mittelständische Hühnerschlachter Kreienborg kehrt seiner
       Heimatgemeinde Wildeshausen, die ihn lange gehätschelt hat, den Rücken und
       will mit den Großen der Branche mithalten.
       
 (DIR) Tierschutz gilt nur für EU-Hühner: Käfighaltung als Exportschlager
       
       Hühner in Legebatterien zu halten, ist in Deutschland und der EU verboten.
       Trotzdem unterstützt die Bundesregierung den Bau solcher Käfige in der
       Ukraine.