# taz.de -- Streit der Woche: „Man darf kein Buch wegwerfen“
       
       > Elke Heidenreich findet, man müsse jedes Buch weitergeben. Der Satiriker
       > Martin Sonneborn hingegen steckt manche „ungeprüft in die Tonne“.
       
 (IMG) Bild: Ihre Bücher lesen Kranke und Gefängnisinsassen: Elke Heidenreich.
       
       „Man darf alles wegwerfen, sogar schal gewordene Liebe“, schreibt die
       Literaturkritikerin Elke Heidenreich in einem Gastbeitrag für die sonntaz,
       das Wochenendmagazin der taz. Man dürfe sogar „schimmeliges Brot wegwerfen
       und teure Seidenblusen, wenn man sie nun mal nicht mehr trägt.“ Doch eine
       Ausnahme gebe es: „Man darf kein Buch wegwerfen.“
       
       Man werde immer einen finden, der auch die blödeste Geschichte noch lese,
       und zudem habe sie „mehr Respekt vor einem Buch als vor schimmeligem Brot
       und alten Seidenblusen“. Freilich müsse man dennoch nicht alle Bücher
       selbst aufbewahren. Bei ihr kämen „zu viele Bücher ins Haus, sie verstopfen
       die Regale, die Tische, die Treppen, sie stapeln sich am Bett und im Bad“.
       Dann müssten „ein paar hundert raus, weil man sonst erstickt“. Heidenreichs
       Lösung: „Dann rufe ich Stadtteilbibliotheken an, Krankenhäuser,
       Gefängnisse, und es kommt jemand und trägt die Bücherberge ab.“
       
       Model Daniela Katzenberger hingegen vertritt in ihrem Gastbeitrag eine
       weniger dogmatische Haltung. Sie differenziert je nachdem, um was für ein
       Buch es sich handelt: „Ein Tagebuch oder Freundschaftsbuch darf man nicht
       wegschmeißen.“ Daran würden wichtige Erinnerungen kleben. Bei anderen
       Büchern sei es anders: „Mein Mathebuch hingegen habe ich als erstes
       weggeschmissen. Genauso ist es auch bei einem Physikbuch oder
       Hausaufgabenheft.“
       
       Der Satiriker Martin Sonneborn findet, man dürfe Bücher nicht nur
       wegwerfen: „Man muss sogar!“ Als Beispiele nennt er in seinem Gastbeitrag
       „das neue Buch von J. K. Rowling“, außerdem „das Geschreibsel der
       Ghostwriterin von Bettina Wulff“ sowie „sämtliche unlesbar langweiligen
       Erinnerungen von aktiven Politikern“. Das Buch „Bambini sind Balsamico für
       die Seele“ von Sandra Limoncini über Kindererziehung gehöre sogar
       „ungeprüft in die Tonne“. Danach sei auch endlich ausreichend Platz für
       sein eigenes, im nächsten Monat erscheinendes Buch.
       
       ## Der Inhalt wird nicht entsorgt
       
       Angelika Ridder, Leiterin des Goethe-Instituts in Freiburg, hält das
       Wegwerfen von Büchern für zulässig: „Nicht der Inhalt wird entsorgt -
       obwohl manche Bücher auch das ertragen müssten -, sondern das bedruckte
       Papier.“ Es habe ja auch niemand ein schlechtes Gewissen dabei, Zeitungen
       und Magazine in den Müll zu werfen. Das Buch sei im Vergleich dazu die
       „kostbarere Variante, die über weite Strecken zur Massenware geworden ist“.
       Jedoch dürfe „nur der Eigentümer Bücher aus seinem Bestand aussortieren und
       sie dem Recycling übergeben“. Und ein Tabu bleibt auch für sie: „Verbrennen
       geht nicht, das wäre aus historischen Gründen für mich nicht akzeptabel.“
       
       Auch Christine Polak, Buchhändlerin in Dresden, hat keine Probleme damit,
       Bücher wegzuwerfen: „Gedrucktes zwischen zwei Buchdeckeln ist kein Wert an
       sich.“ Als Beispiel nennt sie „den Liebesroman zweifelhafter Herkunft“.
       Möglicherweise habe sie in einer bestimmten Situation Freude daran gehabt,
       ihn zu lesen. Dies sei „aber noch lange kein Grund, ihn auf ewig in meinem
       Bücherregal zu archivieren“.
       
       Beata Bode, Inhaberin eines Antiquariats in Erfurt, hingegen macht sich für
       das Bücherrecycling stark und nennt eine Reihe von Alternativen zur
       Mülltonne. Man könne etwa „karitative Einrichtungen beschenken,
       Flohmarkthändler kontaktieren, Bücherpäckchen in der Weihnachtszeit
       wichteln, Familienfeiern (Bücherkorb in den Flur stellen), Buchspende an
       Schulbibliotheken, Bücherkiste im Stöberhaus abgeben“.
       
       Die Zeit der Bücherverbrennung sei glücklicherweise Geschichte, zahllose
       Schriftsteller, Autoren und Publizisten hätten emigrieren müssen, um
       schreiben zu können. Zudem seien vor einiger Zeit bei einem großen Brand in
       der Anna-Amalia-Bibliothek wertvolle Bestände vernichtet worden: „Ein
       unglaublicher Verlust, der mit der Suche nach nun fehlenden Werken in
       Antiquariaten noch ewig andauern wird.“ Es seien Unikate, Drucke, sogar
       Bücher aus "Goethes Hand" zerstört worden. Bode: „Das nur als Beispiel, und
       um sich das Geschehene in Erinnerung zu rufen.“
       
       Auch taz-Leser Marcel Schemien lehnt es ab, Bücher wegzuschmeißen: „Mit
       jedem Buch, das weggeschmissen wird, landet ein Stück Kultur im Mülleimer.“
       Ein heute vermeitnlich uninteressantes Sachbuch könne jedoch in 100 Jahren
       noch an Relevanz gewinnen, wenn der historische Zusammenhang deutlicher zu
       erkennen sei, führt er aus. Und noch ein Beispiel: „Ein öder Krimi kann für
       den Leser 20 Jahre später, wenn er ihn noch mal aus dem Regal zieht,
       plötzlich ein einziges Vergnügen sein.“
       
       Das verstaubte Lexikon der Großmutter könne wissenswerte Artikel über
       Stichwörter enthalten, die so heute vermutlich nicht mehr geschrieben
       werden würden. Schemien: „Selbst der Roman von Dora Heldt wird zukünftigen
       Generationen eine schonungslose Zustandsbeschreibung unserer derzeitigen
       Gesellschaft liefern.“ Wer ein Buch dennoch in seinem Bücherregal nicht
       mehr ertrage, solle es an einem öffentlichen Ort ablegen: „Irgendein
       Passant wird sich freuen.“
       
       Die sonntaz-Frage „Darf man Bücher wegwerfen?“ beantwortet außerdem Petra
       Hätscher, Direktorin der Universitätsbibliothek Konstanz – in der aktuellen
       Ausgabe der sonntaz.
       
       6 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Heiser
       
       ## TAGS
       
 (DIR) NS-Gedenken
       
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