# taz.de -- Aggressive Missionare an Unis: Mit Wasserkanne und Handtuch
       
       > Der Berliner Sektenbeauftragte warnt vor Missionaren der „Gemeinde
       > Gottes“. Sie haben es aktuell besonders auf Studierende abgesehen.
       
 (IMG) Bild: Dürfen wir mit Ihnen über Gott reden?
       
       BERLIN taz | Die Täufer kamen zu zweit zur Uni. „Die wollten mich taufen,
       die hätten das vor Ort gemacht“, sagt Anna entrüstet. Anna, 20, ist ganz
       neu in Berlin und fängt ihr Studium an, sie will ihren echten Namen nicht
       in der Zeitung lesen. Am zweiten Tag an der Technischen Universität
       sprachen zwei junge Männer sie auf dem Campus an. „Die sagten, sie seien
       Theologiestudenten und müssten Vorträge üben.“
       
       Weil sie den vermeintlichen Mitstudenten helfen wollte, erklärte Anna sich
       bereit zuzuhören. Doch ging das Gespräch dann nahtlos in einen
       Missionsversuch über, samt Bibelzitaten und Handy-Videos. Nachdem sie die
       Einladung zur Taufe in der Gemeinde abgelehnt hatte, schlugen die
       Missionare Anna vor, sie in einem Brunnen anbei zu taufen.
       
       „Als ich das ablehnte, wurden sie sehr persönlich.“ Die beiden seien
       komplett verständnislos gewesen, warum sie die „Einladung zum Heil“
       ablehne. Sie hätten die Welt in einem Raster dargestellt aus „Belohnung und
       Strafe. Sie waren sehr manipulierend.“
       
       Nach 40 Minuten konnte Anna die Werber abschütteln, indem sie versprach,
       mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Sie bekam einen Flyer und erfuhr da erst,
       mit wem sie es zu tun hatte: Mit der Gemeinde Gottes des
       Weltmissionsvereins.
       
       ## In Südkorea gegründet
       
       Sucht man Jürgen Heim* und Philip Adams* auf, trifft man zwei freundliche
       und gutangezogene Mittdreißiger, bereit zu einem Gespräch über ihre
       Religion. Sie sind Diakone der Gemeinde Gottes. 1964 wurde die
       Religionsgemeinschaft von Ahn Sang Hong in Südkorea gegründet. Missionare
       brachten sie nach Deutschland. Die Freikirche hat Räume in
       Berlin-Charlottenburg, nicht ganz leicht zu finden: keine Telefonnummer,
       keine Internetpräsenz.
       
       „Grundlage ist die Bibel“, sagt Heim. Viele Inhalte, zum Beispiel über die
       Wiederkunft Jesu Christi, seien in Vergessenheit geraten: Doch sei Jesus
       ein zweites Mal in die Welt gekommen: „Durch Ahn Sang Hong. Deshalb ist er
       auch Christus Ahn Sang Hong, die Wiederkunft Jesu Christi.“ Heim spricht
       besonnen, Adams ist eher schweigsam.
       
       Der christliche Sonntag wird samstags gefeiert, darauf legt Heim größten
       Wert. Das sei biblisch, das sei göttlich, deshalb nicht menschengemacht,
       und das „ist ein großer Unterschied“. Homosexualität ist abzulehnen. Neue
       Mitglieder werden meist getauft, auch wenn sie schon getauft sind.
       Vorschriften für all dies entnehmen die beiden Diakone der Bibel.
       
       Sie argumentieren flexibel und sanft, aber legen Nachdruck auf das, was sie
       für Gottes Willen halten. Präzisen oder kritischen Fragen weichen sie aus:
       Ob sie auch andere Bücher als die Bibel als Glaubensgrundlage verwenden?
       „Die Bibel ist Gottes Wort“, antwortet Heim. Ob er selbst aktiv
       missioniere? „Nur wenn mich jemand auf meine Religion anspricht“, antwortet
       Heim. Er fügt hinzu: „Es gibt Geschwister, die Theologie studieren, die
       üben bestimmte Themen und tragen sie anderen Studenten vor.“ Solchen wie
       Anna.
       
       ## „Das ist also eine Sekte, ja? Verdammt.“
       
       Im Internet berichten unter einem [1][Beitrag auf „DerMaschBlog“]
       KommentatorInnen aus mehreren großen Uni-Städten von ähnlichen
       Missions(versuchs)erlebnissen. User „V.“ beschreibt, was er/sie nach der
       Blitz-Taufe fühlt: „Jetzt bin ich grad richtig panisch. Das ist also eine
       Sekte, ja? Verdammt.“ Er/sie habe doch „nur höflich und nett sein“ wollen.
       „Was mache ich jetzt?“ Der Druck, den die Missionare aufbauten, sei „aus
       psychologischer Sicht problematisch“, sagt Sebastian Murken,
       Religionspsychologe an der Uni Marburg. „Ein Ritus, etwa eine Taufe, lässt
       einen nicht unberührt, auch wenn man nicht dran glaubt.“
       
       Jürgen Heim schätzt, dass zu einem Gottesdienst der Gemeinde Gottes in
       Berlin vielleicht sechzig oder siebzig Personen kommen. Das sind wenige,
       doch sind sie bereits der Stadtverwaltung aufgefallen. Anfragen gab es
       wegen „massivem Missionieren im universitären Umfeld unter Vortäuschung
       falscher Tatsachen, wie zum Beispiel, dass die Werber Theologiestudenten
       seien“, berichtet Stefan Barthel von der Senats-Leitstelle für
       Sektenfragen. Das Werben habe „stalkingähnliche Züge“ angenommen. „Mit
       Wasserkanne und Handtuch drängen sie unbedarfte Mitstudenten zur Taufe.“
       Das sei unredlich, Barthel spricht von der „Kategorie
       Versicherungsvertreter“.
       
       Anna sagt, dass sie sich sehr unangenehm gefühlt habe. „Jemand anderes
       hätte vielleicht Schiss bekommen“.
       
       * Die beiden Diakone haben kurz vor Veröffentlichung verlangt, ihre
       richtigen Namen doch nicht zu verwenden.
       
       9 Oct 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://dermaschblog.square7.de/2010/11/gottmutter/#comment-541
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Raphael Sartorius
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Evangelische Kirche
       
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