# taz.de -- Thorsten Lüthke über „Liquid Feedback“: "Warum probieren wir das nicht mal?"
       
       > Die Mitte-SPD will BürgerInnen per „Liquid Feedback“ einbinden.
       > Bezirksverordneter Thorsten Lüthke erklärt, warum er keine Angst vor
       > Lobbyisten hat.
       
 (IMG) Bild: "Es geht um konkrete Fragen: Wo biegt die Straßenbahn ab?"
       
       taz: Herr Lüthke, Ihre SPD will in Mitte „Liquid Feedback“ einführen. Warum
       sollte das klappen? Selbst die Original-Verwender, die Piraten, nutzen die
       Plattform nur mäßig. 
       
       Thorsten Lüthke: Ich war Mitglied in der Stadtteilvertretung Turmstraße. Da
       debattierten wir, was mit welchem Baum passiert, wo der Fahrradweg
       hinkommt, wie das Umfeld der Arminius-Markthalle gestaltet wird – mit 100
       Leuten. Da fragt man sich doch: Wie können wir mehr Menschen einbeziehen?
       Wenn wir 200 Bürger mehr dazu bringen, im Internet Stellung zu nehmen oder
       neue Ideen zu äußern, wäre das doch schon ein Gewinn.
       
       Worüber soll denn online abgestimmt werden dürfen? 
       
       Das Pilotprojekt beschränkt sich auf ein Sanierungsgebiet, das Aktive
       Zentrum Turmstraße, wo Maßnahmen durchgeführt werden. Da geht es um
       konkrete Fragen: An welcher Ecke biegt die Straßenbahn ab? Wie verbessern
       wir den Zustand der Turmstraße? Wir werden weiter Pläne aushängen und
       Bürgerwerkstätten machen, könnten das aber mit Liquid Feedback ergänzen.
       
       Können die Anwohner auch selbst Ideen vorschlagen? 
       
       Natürlich. Einen Rahmen vorzugeben wäre unattraktiv. Jede Initiative muss
       aber, wie bei den Piraten, eine Teilnehmergrenze überschreiten, um zur
       Abstimmung zu kommen.
       
       Und wie verbindlich ist die? 
       
       So verbindlich wie der gesamte Prozess der Bürgerbeteiligung, den wir
       derzeit haben.
       
       Also entscheidet am Ende doch das Bezirksamt? 
       
       Nein. Wir haben im Sanierungsgebiet jährlich rund 4 Millionen Euro
       Programmmittel. Vieles davon ist gebunden. Da heißt es: An dieser
       Straßenecke soll etwas passieren. Aber was genau, das könnte die erweiterte
       Bürgerbeteiligung bestimmen.
       
       Und wenn die Bürger abstimmen: Baut uns eine Bibliothek? 
       
       Wir werden Schwierigkeiten haben, etwas zu schaffen, was dem Bezirk
       dauerhaft neue Kosten aufbürdet. Aber die Frage, wo die Bibliothek stehen
       und wann sie öffnen soll, kann relevant sein.
       
       Haben Sie keine Angst, dass Lobbygruppen mit dem Portal ihre Interessen
       durchsetzen? 
       
       Und? Dann ist das eben so. Wenn sich eine Gruppe mit Gitarre vor die BVV
       setzt, reagieren wir ja auch darauf. Wenn die Gruppe statt einer Gitarre
       einen Laptop hat, was ist daran schlimmer? Das ist doch so in der
       Demokratie: Wer sich artikuliert, wird gehört. Wir wollen die Zahl derer,
       die sich artikulieren, erhöhen.
       
       Und was machen Sie mit den Alten, mit Bürgern ohne Internet? 
       
       Das Internet wird nicht das Allheilmittel sein. Da müssen wir uns immer
       wieder neue Sachen überlegen, wie wir mehr Leute mitnehmen. Aber nur weil
       Oma Krause immer noch nicht abstimmt, was sie vorher auch nicht gemacht
       hat, müssen wir die Idee nicht gleich verteufeln. Wir brauchen auch einfach
       mal Mut, etwas auszuprobieren.
       
       Und am Ende erweitert man das auf den ganzen Bezirk? 
       
       Ich glaube, Beteiligung hängt davon ab, ob ich etwas ganz konkret
       mitgestalten kann. Die Bezirke haben wichtige Aufgaben, aber ihre Arbeit
       ist häufig viel zu abstrakt. Wenn das Ganze klappt, wäre ich dafür, eine
       Form von Liquid Feedback einzuführen, die parallel zum Parlament
       Initiativen berät, wie Ausschusssitzungen. Aber erst mal sollten wir
       gucken, was passiert.
       
       Wollen Sie auch ein bisschen die Piraten ärgern, indem Sie ihnen deren Idee
       stibitzen? 
       
       Im Gegenteil. Wir als SPD sind eine supertolle Volkspartei, die aber
       einzelne Bevölkerungsgruppen derzeit nicht abbildet, ein Teil davon binden
       die Piraten. Es geht nicht um Klauen, sondern darum, zu verstehen, was
       hinter dem Phänomen steckt. Ich habe bei den Piraten viele spannende Dinge
       entdeckt, wo ich mich frage: Warum probieren wir das nicht mal für die
       gesamte Gesellschaft aus?
       
       24 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Piraten
       
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