# taz.de -- Haftstrafen für sieben Erdbebenforscher: Das Urteil von L’Aquila
       
       > Weltweit empören sich Wissenschaftler über das Urteil gegen
       > Erdbebenforscher. Es könnte gravierende Folgen für künftige Vorhersagen
       > haben.
       
 (IMG) Bild: Empörendes Urteil: Beim Beben von L’Aquila starben mehr als 300 Menschen.
       
       Weltweit sind Wissenschaftler empört über den Schuldspruch von L’Aquila.
       Ein Gericht hatte dort sieben Erdbebenforscher zu mehrjährigen Haftstrafen
       verurteilt, weil – so die Begründung – sie zu „ungenau, nicht vollständig
       und widersprüchlich“ vor einem Erdbeben gewarnt hätten.
       
       Mehr als 300 Menschen waren im April 2009 bei dem Beben von L’Aquila
       getötet worden. Vorab hatte der Wissenschaftler Giampaolo Giuliani auf
       seiner Webseite vor einem möglichen Beben gewarnt. Anlass waren
       Gasaustritte aus der Erde.
       
       Das sei falscher Alarm, hieß es bei den Behörden. Giuliani musste seine
       Warnung löschen. Auch eine Expertenkommission kam zu dem Schluss, dass es
       „unwahrscheinlich“ sei, dass größere Beben folgten. In ihrem Bericht, der
       erst nach dem Beben veröffentlicht wurde, stellte die Kommission aber auch
       klar, dass es keine Instrumente gebe, um ein Erdbeben vorherzusagen.
       
       Trotzdem ging der Vizechef der italienischen Zivilschutzbehörde, der auch
       dem Expertengremium angehörte, mit der Aussage „Keine Gefahr“ an die
       Presse. Er soll sogar gesagt haben, die Bevölkerung könne sich ruhig bei
       einem Glas Wein entspannen.
       
       ## „Perverses“ Urteil mit „lächerlicher Strafe“
       
       Für das italienische Gericht reichte das aus, um alle Mitglieder der
       Expertenkommission zu jeweils sechs Jahren Haft und zur Zahlung von 9,1
       Millionen Euro Schadenersatz zu verurteilen.
       
       Vor dem Urteil schon hatten rund 5.000 Wissenschaftler aus aller Welt in
       einem offenen Brief das Gerichtsverfahren kritisiert. Ein Vorhersage von
       Erdbeben sei nicht möglich, heißt es in den Schreiben. In dem britischen
       Wissenschaftsmagazin Nature ist sogar von einem „perversen“ Urteil sowie
       einer „lächerlichen Strafe“ die Rede.
       
       „Ich halte das für ein krasses Fehlurteil“, wird Christian Bönnemann,
       Leiter des „Seismologischen Zentralobservatoriums der Bundesanstalt für
       Geowissenschaften und Rohstoffe“ in Hannover, von der Nachrichtenagentur
       dpa zitiert. Er hofft, dass das Urteil in der nächsten Instanz aufgehoben
       oder zumindest reduziert wird. Sollte dies nicht geschehen, werde das
       gravierende Folgen für die künftigen Aussagen von Erdbebenforschern haben.
       
       Auch Giampaolo Giuliani, der Wissenschaftler, der im Internet vor dem
       Erdbeben warnte, hatte übrigens mit seiner Einschätzung falsch gelegen. Er
       hatte sich sowohl bei dem Ort als auch bei dem Zeitpunkt des Bebens
       getäuscht.
       
       26 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolfgang Löhr
       
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