# taz.de -- US-Wahl und Arabellion: Die alten Zeiten sind vorbei
       
       > Der nächste Mann im Weißen Haus wird die Entwicklung in der arabischen
       > Welt begleiten können. Die Zeit der Gestaltung ist jedoch zu Ende.
       
 (IMG) Bild: Barack Obama und Außenministerin Hillary Clinton 2009 zu Besuch in Kairo
       
       KAIRO taz | Noch sind die USA mit den Folgen von „Sandy“ beschäftigt. Aber
       wie immer der nächste US-Präsident heißen wird, ob Barack Obama oder Mitt
       Romney, die Arabische Welt wird gewollt oder ungewollt auch in Zukunft im
       Fokus der zukünftigen US-Außenpolitik stehen.
       
       Abgesehen von einem kurzen Streit der Präsidentschaftskandidaten über die
       Ursachen der Ermordung des US-Botschafter Chris Stevens in Libyen und den
       üblichen Gelöbnis beider, Israel zu unterstützen, spielte das Thema im
       Wahlkampf kaum eine Rolle. „Wir müssen die Bösen jagen und sicherstellen,
       dass wir sie stören“, erklärte Romney seine Nahoststrategie. „Wir müssen
       sie töten und sie beseitigen.“
       
       Obama gab sich staatsmännischer. „Im Hinblick auf den Nahen Osten brauchen
       wir eine starke, konstante Führung und nicht eine waghalsige und falsche,
       wie sie Romney in seinem Wahlkampf anbietet, die kein Rezept für Amerikas
       Stärke darstellt“, hielt er Romney entgegen. Er präsentierte sich als
       Oberkommandierender, der in den vergangenen vier Jahren für die Sicherheit
       der Amerikaner gesorgt habe.
       
       ## Washington hat seine Vasallen-Diktatoren verloren
       
       Ein Wahlkampfgeplänkel, das wenig aussagt. Denn der nächste Präsident steht
       mit Blick auf die Region vor einer riesigen Aufgabe. Washington hat einen
       Teil seiner Vasallen-Diktatoren in der arabischen Welt verloren, wo die
       US-Politik auf die vermeintliche Stabilität ihrer Staaten gesetzt hatte.
       Jetzt geht es darum, eine neue Strategie für die sich wandelnde arabische
       Welt zu entwickeln.
       
       Noch immer unterstützt die US-Regierung autokratische Regimes wie Saudi
       Arabien, während sie mit den Ländern im Wandel – Ägypten, Libyen und
       Tunesien – zwar im Dialog steht, aber zu ihnen noch keine neuen
       strategischen Beziehungen aufgebaut hat. Zu Staaten wie Bahrain oder
       Syrien, in denen es breite Protestbewegungen oder einen Bürgerkrieg gibt,
       existiert derzeit keine erkennbare US-Strategie.
       
       ## Obama hat immerhin aus Fehlern gelernt
       
       Für Amr Hamzawy, der in Berlin Politologie studierte und als liberaler
       Abgeordneter im inzwischen aufgelösten ägyptischen Parlament der
       Nach-Mubarak-Zeit saß, hat Obama immerhin etwas aus früheren amerikanischen
       Fehlern gelernt.
       
       „Als die palästinensische Hamas die Wahlen gewonnen hat, wurde sie von
       Washington boykottiert. Heute ist das Verhalten der US-Regierung gegenüber
       islamistischen Strömungen, die die Wahlen in Ägypten und Tunesien gewonnen
       haben, wesentlich zurückhaltender und rationaler“, sagt Hamzawy gegenüber
       der taz. „Heute stellen sich die Amerikaner dem arabischen
       Demokratisierungsprozess nicht mehr entgegen, sondern begleiten ihn,“ fügt
       er hinzu.
       
       Wenn seit Beginn des arabischen Aufstandes vor fast zwei Jahren ein
       Republikaner im Weißen Haus gesessen hätte, meint Hamzawy weiter, hätte
       Washington den arabischen Wandel wahrscheinlich aktiv blockiert und aus
       Sorge vor islamistischen Machtergreifungen die damaligen Präsidenten bis
       zuletzt unterstützt.
       
       ## Als Lehrmeister sind die USA diskreditiert
       
       Er warnt davor, dass sich die USA in der Region in Zukunft als
       demokratische Lehrmeister präsentieren. Auf diesem Feld seien sie als
       langjährige Unterstützer autokratischer Regimes diskreditiert. „Und die
       Golfregion ist nicht weit weg“, fügt Hamzawy hinzu. Ein Hinweis darauf,
       dass Washington dort seine Unterstützung undemokratischer Regime nahtlos
       weiterführt. Hatte Obama zu Beginn seiner Amtszeit noch den israelischen
       Siedlungsbau kritisiert, ist es um dieses Thema im Weißen Haus ganz still
       geworden.
       
       Aber hinsichtlich des Atomstreits mit dem Iran will sich Obama vom
       israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu keine „roten Linien“
       diktieren lassen, bei deren Überschreiten Washington zum militärischen
       Handeln gezwungen werden sollte. Gegenkandidat Romney hat versucht, diese
       Differenzen im Wahlkampf auszunutzen und fordert noch mehr Unterstützung
       für Israel und ein härteres Vorgehen gegen den Iran.
       
       ## Geschwächte Rolle
       
       Was Syrien anbelangt, bezeichnete Obama die Lage dort als „herzzerreißend“.
       Daher solle alles unternommen werden, um die syrische Opposition politisch
       zu unterstützen. Derzeit versucht das US-Außenministerium gerade offen, ein
       neues syrisches Oppositionsbündnis zusammenzuzimmern – als Alternative zum
       bisherigen ineffektiven und von der Muslimbruderschaft dominierten
       Syrischen Nationalrat. Romney fordert eine stärkere US-Einmischung in
       Syrien, ohne dies näher auszuführen.
       
       „Unser Land scheint den Gegebenheiten ausgeliefert zu sein, anstatt sie
       selbst zu bestimmen und zu gestalten“, wirft Romney Obama in einem Beitrag
       im Wall Street Journal vor. Ob es unter seiner Präsidentschaft anders wäre,
       ist zweifelhaft. Denn der Gewinner der US-Wahl kann den Wandel in der
       arabischen Welt begleiten oder versuchen ihn zu blockieren. Die Zeiten, in
       der das Weiße Haus per Anweisung an den Diktator die Ereignisse in der
       Region steuern konnte, die sind vorbei.
       
       6 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim Gawhary
 (DIR) Karim El-Gawhary
       
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