# taz.de -- Duisburger Filmwoche: Dokumente des fröhlichen Scheiterns
       
       > Lässt sich künstlerische Arbeit im Dokumentarfilm wiedergeben? Nicht ohne
       > Weiteres, befanden mehrere Filme bei der diesjährigen Duisburger
       > Filmwoche.
       
 (IMG) Bild: Klaus Kinski? Nein, es handelt sich hier um den Künstler Bernd Naber.
       
       Ein Mädchen streift durch ein Atelier und sagt immer wieder einen Text des
       schottischen Psychiaters R. D. Laing auf: „Sie spielen ein Spiel, sie
       spielen damit, kein Spiel zu spielen. Zeige ich ihnen, dass ich sie spielen
       sehe, dann breche ich die Regeln, und sie werden mich bestrafen. Ich muss
       ihr Spiel, nicht zu sehen, dass ich das Spiel sehe, spielen.“
       
       Das Mädchen hadert mit den Sätzen (sie spricht sie im englischen Original),
       während der Künstler in einem mit rotem Stoff abgetrennten Bereich in der
       Mitte des Raums fluchend mit der Gestaltung einer kleinen Tonfigur kämpft.
       
       In ihrem Film „Atelier“ spielen der Regisseur Peter Ott und der Künstler
       Michael Dreyer ein Spiel. Sie spielen mit den Grenzen des Dokumentarfilms
       und mit den Traditionen und Klischees des Künstlerporträts.
       
       Da sie ganz offen zeigen, dass sie spielen, brechen sie dabei sowohl die
       Regeln des nichtfiktionalen als auch des fiktionalen Erzählens. Belohnt
       wurde diese selbstreflexive Verweigerung gegenüber der Kinoillusion mit
       einer Einladung zur Duisburger Filmwoche.
       
       ## Vermeidung der üblichen Themen
       
       Die interessantesten Werke des 36. Festivals des deutschsprachigen
       Dokumentarfilms stellten Künstler und/oder deren Schaffen in den
       Mittelpunkt, mieden aber die üblichen Themen und Techniken des in den
       letzten Jahren ebenso beliebten wie festgefahrenen Genres des
       „Künstlerfilms“.
       
       „Atelier“ ist dabei ein Dokument des fröhlichen Scheiterns. Die offensive
       Fiktionalisierung wendet sich gegen alle Versuche, so etwas wie Kreativität
       „authentisch“ mit der Kamera einfangen zu können. Eine Tänzerin und eine
       Musikerin, die performen, während der Künstler malt, überziehen das
       Klischee von den Musen, die den männlichen und deutlich älteren Künstler
       inspirieren, bis ins Lächerliche. „Das alles ist natürlich total
       schrecklich.
       
       Das kann man eigentlich ja nicht machen“, erklärte Ott im Publikumsgespräch
       in Bezug auf solche Szenen in seinem Film. Man könne aber eben nur
       Schiffbruch erleiden bei der Übersetzung von bildender Kunst ins
       Filmmedium.
       
       „Atelier“ strapazierte den Begriff Dokumentarfilm im Programm der
       diesjährigen Filmwoche am weitesten, eine ähnliche Bewegung vom zunächst
       scheinbar rein beobachtenden bis zum offensichtlich Fiktionalen machte aber
       auch „Kern“ von Veronika Franz und Severin Fiala – ohne die Bürde der
       Übersetzungsleistung zwischen zwei verschiedenen Kunstgattungen zu haben.
       
       Im Mittelpunkt steht der Regisseur und Schauspieler Peter Kern. Was am
       Anfang wie die Beobachtung eines unwilligen Protagonisten erscheint, wird
       zu einem mit der Zeit immer undurchschaubarer werdenden Spiel mit Selbst-
       und Fremdinszenierungen. Schließlich übernimmt der Protagonist selber die
       Regie – was kein Ergebnis des Drehprozesses war, sondern von Anfang an
       geplant, wie die Filmemacher im Publikumsgespräch offenlegten.
       
       ## Die Gefahr jedes Künstlerfilms
       
       Am konventionellsten an „Kern“ ist die Verknüpfung von Leben und Werk. Dass
       sich Ersteres zum Schaden von Letzterem in den Vordergrund drängt, ist die
       Gefahr jedes Künstlerfilms – bei einem im wahrsten Sinne des Wortes
       überlebensgroßen Protagonisten wie Kern lässt sich das allerdings kaum
       vermeiden.
       
       Aber auch zwei radikale Gegenpositionen zu jeglichen Kurzschlüssen zwischen
       Biografie und Werk waren im Duisburger Programm zu finden. Zum einen
       „Perret in Frankreich und Algerien“ von Heinz Emigholz, der sich ganz in
       der Tradition seiner früheren Architekturfilme ausschließlich dem Schaffen
       von Auguste und Gustave Perret widmet.
       
       Gezeigt werden in meist starren, nie ästhetisierenden Einstellung und ohne
       jeglichen Kommentar dreißig Einzelbauten und Ensembles, die die ganze
       Schaffensperiode der französischen Architekten abdecken. „Zwar ’baut‘ ein
       Architekt mit seinem Werk auch seine Autobiografie, erfüllen tut sich diese
       aber erst in der Geschichte und mit dem gegenwärtigen Zustand seiner
       einzelnen Bauwerke“, schreibt Emigholz in einem Text zu seinem Film.
       
       Nicht Leben und Werk der Architekten werden hier also in Verbindung
       miteinander gebracht, sondern es wird deutlich, wie deren Gebäude die
       Lebenswirklichkeit der Städte verändern und durch sie verändert wurden.
       
       Im Gegensatz dazu stand im Programm „Jeremy Y. Call Bobby O. oder
       Morgenthau Without Tears“, in dem ein Künstler im Mittelpunkt steht, dessen
       Werk allerdings nie zu sehen ist. Regisseur und Kameramann René Frölke
       beobachtet und interagiert mit dem Deutschen Bernd Naber in seiner
       Wahlheimat New York, eine Figur wie aus einem frühen Film von Wim Wenders
       oder Jim Jarmusch.
       
       Der Maler scheint ständig auf Achse, immer in wichtige Aktivitäten
       verstrickt, doch der Sinn seines Tuns erschließt sich nicht recht.
       Letztlich ist „Jeremy Y. Call Bobby O.“ kein Künstlerfilm im eigentlichen
       Sinne mehr, aber dafür eine wunderbare Allegorie auf die Vergeblichkeit
       allen Strebens. Die Gemälde Nabers hat auch der Regisseur nie zu Gesicht
       bekommen – aber die könne man ja googeln, schlug er dem Publikum vor.
       
       13 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven von Reden
       
       ## TAGS
       
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