# taz.de -- Nationaltorwart René Adler: Eine Frage der Härte
       
       > René Adler ist zurück im Nationalteam, das nun gegen Holland antritt.
       > Muss sich Stammtorhüter Manuel Neuer um seinen Status sorgen?
       
 (IMG) Bild: Lässt nur Leistung für sich sprechen: Wie im März 2010 ist René Adler jetzt auch wieder in Fluglaune.
       
       René Adler ist anders. Anders als seine Torwart-Kollegen, denen man ja
       allerhand nachsagt. Sie seien ein bisschen verrückt, schnappten nach allem,
       was rund ist und sich bewegt, und sie würden, wenn sich ihre kleine Macke
       zu einer großen auswächst, so auftreten wie Oliver Kahn – als ein
       Silberrücken, der Konkurrenten mit großem Uga-Uga-Brustgetrommel in die
       Flucht schlägt.
       
       Adler ist eher ein Mann der leisen Töne, der sich in einer Pressekonferenz
       auch mal länger Zeit nimmt, um über das Thema Depression zu reden und in
       diesem Zusammenhang an Robert Enke zu erinnern, der sich vor fast genau 36
       Monaten das Leben genommen hat. „Morgen vor 3 Jahren ging ein guter Mensch
       und Kollege von uns. Helft zusammen mit gegen die Krankheit Depression“,
       hat Adler auf seiner Facebook-Seite geschrieben.
       
       Die Keeper kannten sich gut, sie waren auch durch ihre Herkunft miteinander
       verbunden; Enke wurde in Jena geboren, Adler in Leipzig. „Wir bewegen uns
       in einer Gesellschaft, in der scheinbar nur die Harten überleben, aber
       Sportler sind auch nur Menschen mit ganz banalen Sorgen“, sagte Adler am
       Montag.
       
       Er steckte nicht im Trikot des Hamburger SV, als er seinen kleinen Exkurs
       zum Thema hielt, sondern in der Kluft des Deutschen Fußball-Bundes. Die
       durfte er sich jetzt nach zwei Jahren Pause wieder überstreifen. Er wurde
       von Bundestrainer Joachim Löw für das Länderspiel gegen Holland (20.45 Uhr,
       ARD) an diesem Mittwoch nominiert.
       
       ## „Was machste dann nach dem Fußball, studieren vielleicht?“
       
       Zwischen Adlers letztem Länderspiel gegen Schweden und dem heutigen gegen
       den Erzrivalen liegt eine recht lange Zeit des Leidens. Sie begann mit
       einer Rippenblessur, wodurch er nicht an der WM in Südafrika teilnehmen
       konnte. Dann laborierte er lange an einer komplizierten
       Patellasehnenverletzung, wurde von Bayer Leverkusen ausgemustert und
       ablösefrei an den HSV weitergegeben.
       
       Das alles brachte Adler dazu, „dass ich mir schon Gedanken gemacht habe.
       Ich hab mir schon überlegt, was machste dann nach dem Fußball, studieren
       vielleicht?“ Die Leidenszeit erweiterte offenbar seinen Horizont. „Alles
       bei mir war sehr fokussiert auf den Fußball. Die nötige Distanz war nicht
       immer da, deshalb hat mir die Verletzung sogar geholfen.“
       
       Und weiter: „Ich habe relativ früh begriffen, dass sich im Spitzensport die
       Spreu vom Weizen im Kopf trennt. Eine gewisse Gelassenheit ist da nötig.“
       Ohne psychologische Unterstützung, so ehrlich gibt sich der 27-Jährige
       mittlerweile, hätte er diesen Weg aus der Sackgasse wohl nicht gefunden.
       
       Mit der Berufung durch Joachim Löw, der den Klassekeeper Adler hinter
       seinen Stammtorwart Manuel Neuer in einen Ausscheidungsprozess mit dem
       diesmal gesperrten Ron-Robert Zieler und dem nicht berücksichtigten
       Marc-André ter Stegen schicken will, hatte der Musterprofi gar nicht so
       früh gerechnet. „Wenn ich mir vorstelle, wo ich vor einem halben Jahr war,
       wo ich fast dem Karriereende nahe war, ist es wunderschön.“
       
       ## Moskauer Wundertaten
       
       Adler hat zuletzt in der Bundesliga bravourös gehalten. Er ist
       offensichtlich wieder der Alte. Hält er die Form, wird er zu einer ernsten
       Bedrohung für Manuel Neuer. Der ist jetzt der Gejagte. Doch für den
       Exschalker ist es gar nicht so einfach sich auszuzeichnen.
       
       Neuer bekommt beim FC Bayern München wenig zu halten. Umso deutlicher
       stechen seine Fehler hervor, von denen es in den vergangenen Monaten gar
       nicht so wenige gegeben hat. Während Adler hinter einer löchrigen
       HSV-Abwehr ein ums andere Mal glänzen kann, wird Neuer eigentlich nur im
       Training warmgeschossen.
       
       Und während es nach HSV-Spielen oftmals heißt, Adler habe „den Punkt
       festgehalten“ oder sogar den Sieg erst möglich gemacht mit seinen Paraden,
       kann Neuer lange auf solche Schlagzeilen warten.
       
       Für Adler spricht auch, dass er sich als Nummer eins im DFB-Team bereits
       mit exzeptionellen Leistungen ins kollektive Fußballgedächtnis
       eingeschrieben hat; erinnert sei nur an die großartige Partie Adlers gegen
       Russland in Moskau im Oktober 2009. Vergleichbares hat Neuer nicht
       vorzuweisen. Aber er kann auf eine starke Lobby vertrauen. Der FC Bayern
       München wird nicht so schnell zulassen, das sein Mann von der Position des
       Stammtorhüters verdrängt wird.
       
       14 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) F. Hellmann
 (DIR) M. Völker
       
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