# taz.de -- Streit um Flüchtlinge: Bezirksfürsten unter Druck
       
       > Sozialsenator Mario Czaja fordert von den Bezirken mehr Unterkünfte für
       > Asylbewerber. Notfalls will er Gebäude beschlagnahmen.
       
 (IMG) Bild: Protest von Flüchtlingen am Brandenburger Tor.
       
       Sozialsenator Mario Czaja (CDU) setzt den Bezirken die Pistole auf die
       Brust, mehr Asylbewerberunterkünfte zu schaffen. Dazu bringt er für die
       Sitzung in den Rat der Bürgermeister am Donnerstag eine Vorlage ein.
       Demnach muss Steglitz-Zehlendorf, das bisher nur 63 Asylbewerber
       beherbergt, gut 500 Plätze zusätzlich schaffen. Von Reinickendorf und
       Neukölln werden rund 400 zusätzliche Plätze erwartet. Aber auch
       Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg sollen
       eine dreistellige Zahl weiterer Betten akquirieren. Ziehen die Bezirke
       nicht mit, müssten notfalls an ihnen vorbei Gebäude beschlagnahmt werden.
       
       „Die Unterbringung von Asylsuchenden ist eine gesamtstädtische Aufgabe.
       Hier müssen sich Bezirke solidarischer untereinander verhalten“, so Czaja.
       Bisher beherbergen vor allem Lichtenberg und Tempelhof-Schöneberg viele
       Asylsuchende (siehe Grafik). „Die anderen Bezirke sollen sich an der
       Standortsuche beteiligen und mit dem Land besser als bisher kooperieren“,
       fordert Czaja vor allem in Richtung auf die Bezirksfürsten seiner eigenen
       Partei.
       
       Hintergrund ist die steigende Zahl neuer Asylbewerber in Berlin. Weil
       Wohnungen knapp sind, müssen diese vorrangig in Gemeinschaftsunterkünften
       wohnen. Derzeit betrifft das 4.900 Menschen. Czaja rechnet bis Ende März
       mit einer Erhöhung auf 6.000 Plätze. Anders als in den 1990er Jahren kann
       Berlin nicht auf die Pensionen zurückgreifen, die bei Touristen nicht
       gefragt waren und deren Betreiber sich freuten, sie dem Land gegen
       Bezahlung für Asylbewerber zu vermieten. Darum sind es jetzt vor allem
       öffentliche Gebäude wie ehemalige Schulen, Polizeigebäude und Bürohäuser,
       die auf die Schnelle in Asylbewerberheime umgewandelt werden.
       
       Czaja machte klar, dass seine Drohung kein leeres Geschwätz ist. Gesetzlich
       sei das Land berechtigt, zur Vermeidung von Obdachlosigkeit an den Bezirken
       vorbei Unterkünfte in Betrieb zu nehmen. Das sei bereits geschehen, etwa in
       Reinickendorf und Treptow-Köpenick, und werde bei weiterem Bedarf vor allem
       in den Bezirken geschehen, die sich bisher zurückhielten. „Berlin hat noch
       keine Turnhallen beschlagnahmt, sodass der Schulsport ausfällt.“ Eine
       Drohung?
       
       An den Bezirken vorbei zu handeln sei aber eine Notlösung, meint Czaja.
       Denn die Bezirke könnten viel dazu beitragen, die Akzeptanz für die neuen
       Nachbarn zu beeinflussen, wie es etwa Lichtenberg tue.
       
       Containerdörfer für die Unterbringung von Asylbewerbern will Czaja
       ebenfalls nicht haben. Ein solches Containerdorf ist in Rudow angedacht und
       wird derzeit geprüft. Czaja: „Es ist aber mehr als fraglich, ob dort
       überhaupt Wasser- und Stromanschlüsse möglich sind.“ Trotz dieser vagen
       Planung hat die NPD für den übernächsten Samstag nach Polizeiangaben eine
       Demonstration dagegen quer durch Rudow angemeldet. Angemeldet sind auch
       zwei Gegenveranstaltungen.
       
       14 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marina Mai
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Asylsuchende
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Protest in nächster Runde: Flucht vor dem Schnee
       
       Flüchtlinge aus dem Camp am Oranienplatz besetzen eine leerstehende
       Kreuzberger Schule. Zumindest bis Dienstag können sie dort bleiben, sagt
       der Bezirk.
       
 (DIR) Wilde Berliner Bezirke: "Wir sind nicht zuständig"
       
       Norbert Schmidt, Sozialstadtrat von Steglitz-Zehlendorf, über dringend
       benötigte Einrichtungen für Flüchtlinge.
       
 (DIR) Flüchtlinge: Vorsatz zur Versorgung
       
       Bezirke sagen Sozialsenator Czaja zu, mehr Unterkünfte zu schaffen. Doch es
       gibt Probleme.
       
 (DIR) Interview Berliner Integrationssenatorin: „Die Residenzpflicht muss weg“
       
       Berlins Integrationssenatorin Dilek Kolat unterstützt die Flüchtlinge, die
       seit Wochen vor dem Brandenburger Tor protestieren – aber nicht alle ihre
       Forderungen.
       
 (DIR) Flüchtlinge in Berlin: "Lichtenberg ist weltoffen"
       
       Flüchtlinge sind im Bezirk willkommen, sagt Bürgermeister Andreas Geisel
       (SPD). Aber auch die CDU-regierten Bezirke müssten Verantwortung
       übernehmen, fordert er.
       
 (DIR) Asyl in Berlin: Kopfkissen exklusive
       
       1.000 zusätzliche Plätze braucht Berlin allein in diesem Jahr für
       Flüchtlinge. Die Ausstattung von Notunterkünften steht in der Kritik.