# taz.de -- Präsident Mursi: Ägyptens neuer Pharao auf Zeit
       
       > Gerade war Ägyptens Präsident Mursi noch der Held des Waffenstillstands
       > von Gaza. Jetzt gibt er sich diktatorische Vollmachten und schafft sich
       > neue Feinde.
       
 (IMG) Bild: Mit Koran und Kreuz gegen Mursi.
       
       KAIRO taz | „Kann ein Diktator auf Zeit eine Demokratie voranbringen?“ Das
       ist die Frage, über die sich die Ägypter streiten, seit der ägyptische
       Präsident Mohammed Mursi sich per selbst verkündeten Verfassungsdekret über
       das Gesetz gestellt hat. Auf dem Tahrirplatz versammelten sich am Freitag
       die Gegner Mursis, vor dem Präsidentenpalast im Norden der Stadt seine
       Anhänger.
       
       In anderen Teilen kam es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen
       beiden Lagern. In Alexandria, in der oberägyptischen Stadt Assiut und in
       Port Said am Suezkanal wurden die Zentralen der Partei der
       Muslimbruderschaft gestürmt und angezündet.
       
       Laut dem Dekret sind Mursis Entscheidungen als Staatschef für Gerichte nun
       unantastbar. Damit ist die Gewaltenteilung in Ägypten endgültig aufgehoben,
       denn es gibt auch kein Parlament, das den Präsidenten kontrolliert. „Mursi
       hat sich damit zum neuen Pharao ernannt“, kritisierte der
       Oppositionspolitiker und ehemalige Chef der Internationalen
       Atomenergiebehörde Mohammed al-Baradei. Der ehemalige Chef der Arabischen
       Liga, Amru Musa erklärte, „dass die Ägypter kein Zurück zur Diktatur
       akzeptieren werden“.
       
       Mursi argumentiert, dass er diesen Schritt gehen musste, um die
       Institutionen von den Elementen des alten Regimes zu reinigen und die
       Revolution zu verteidigen. In seinem Dekret begann er auch bereits damit,
       indem er den Generalstaatsanwalt des Landes, Abdel-Maguid Mahmud, feuerte.
       Ein Mann, der von vielen als korrupt und Restposten des Mubarak-Regimes
       angesehen wird, und den viele dafür verantwortlich machen, dass die
       Vertreter des Mubarak-Regimes bisher nicht angemessen gerichtlich zur
       Rechenschaft gezogen wurden.
       
       Bereits im Oktober hatte Mursi versucht, den obersten Staatsanwalt zu
       entlassen, war allerdings gescheitert, weil er damit seine Kompetenzen
       überschritten hatte. Nun gibt er sich mit dem neuen Dekret dieses Recht.
       Mahmud wurde von dem Richter Talaat Abdullah ersetzt, der als erste Amtstat
       eine Neuauflage des Prozesses gegen den gestürzten Diktator Mubarak, dessen
       Innenminister al-Adly und die zuvor freigesprochenen sechs höchsten
       Sicherheitschefs aus der Mubaraks-Zeit verfügte.
       
       ## Neue Verfassung muss her
       
       Mursi kündigte auch an, alle Prozesse wieder aufzurollen, die Vertreter des
       alten Regimes und die Sicherheitskräfte und den Tod von Demonstranten
       betreffen. Bisher gab es in diesen Fällen kaum Verurteilungen. Erst am
       Dienstag wurden zwei Polizisten von einem Strafgericht in Kairo
       freigesprochen, die angeklagt waren, für den Tod von fünf Demonstranten
       verantwortlich gewesen zu sein.
       
       Das zweite große Thema, dass Mursi mit seinem neuen Schritt voranbringen
       will, ist dem Land endlich eine Verfassung zu geben. Eine untereinander
       total zerstrittene verfassungsgebende Versammlung hat in dem Dekret
       zusätzliche zwei Monate bekommen, um diese zu schreiben und einer
       Volksabstimmung vorzulegen. Viele der liberalen Mitglieder der Versammlung
       waren zuvor zurückgetreten, weil sie fürchten, dass die Mehrheit aus
       islamisch-konservativen Muslimbrüdern und ultrakonservativen Salafisten
       ihre Vorstellung einer Verfassung durchdrücken wollen. Es gab auch mehrere
       Klagen gegen die Versammlung. Mursi erklärte auch die
       Verfassungsversammlung als immun gegenüber den Gerichten.
       
       Mit seinen Entschlüssen hat sich Mursi viele Feinde geschaffen: die Justiz,
       die nun für ihre Unabhängigkeit kämpft, die Vertreter des alten Regimes,
       die nun fürchten, aus den Institutionen gedrängt zu werden, und die
       Liberalen, die eine islamisch-konservative Verfassung fürchten. Und viele
       der Tahrir-Aktivisten, die sagen, sie haben Mubarak nicht gestürzt, um nun
       einen neuen Diktator zu bekommen.
       
       Mursi ist mit seinem Dekret ein enormes politisches Risiko eingegangen.
       Wendet sich die Öffentlichkeit aber von ihm ab, weil die Menschen keinen
       neuen Mubarak wollen, dann sind die politischen Tage des ägyptischen
       Präsidenten gezählt.
       
       23 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim Gawhary
 (DIR) Karim El-Gawhary
       
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