# taz.de -- Berlins CDU vor der Bundestagswahl: Böse und gute Genossen
       
       > Die CDU wählt Monika Grütters zur Spitzenkandidatin und macht klar, dass
       > sie im Wahlkampf gegen die Bundes-SPD austeilen will, nicht aber gegen
       > die netten Genossen von hier.
       
 (IMG) Bild: Henkel und Grütters am Freitagabend.
       
       So dreist muss man erst mal sein. Sich wie Frank Henkel beim
       CDU-Landesparteitag entspannt aufs Rednerpult zu lehnen, sich für ein Jahr
       Regierungsbeteiligung zu feiern und den ganzen Komplex NSU. Schreddern,
       Koppers, Razziapannen nur mit einem Nebensatz zu streifen. Er sei stolz auf
       das Erreichte, „auch wenn die aktuellen Ereignisse das auf den Weg
       Gebrachte ein bisschen überschatten“, formuliert der Landesvorsitzende und
       Innensenator am Freitagabend vor rund 240 Parteifreunden. „Ein bisschen“
       
       Chuzpe heißt im Jiddischen diese Mischung aus Frechheit und Dreistigkeit.
       Henkel fühlte sich sichtlich über den Berg nach seinem offensiven Auftritt
       tags zuvor im Abgeordnetenhaus. Mimik und Gestik unterstreichen das. Henkel
       lehnt lässig am Rednerpult, lacht, grient, reagiert locker auf foppende
       Zwischenrufe oder eine umkippende Wahlkabine. Und die Partei fühlt sich
       wohl dabei. Die Stimmung ist äußerst entspannt an diesem Abend, an dem die
       Berliner CDU in der Bundesparteizentrale ihre Landesliste für die
       Bundestagswahl im nächsten Herbst aufstellt.
       
       Es ist ein starker Kontrast zur Listenaufstellung vor vier Jahren. Da war
       die Partei tief gespalten, der vormalige Landeschef Ingo Schmitt war für
       einen sicheren Listenplatz vorgesehen, fiel dann aber nach einer kleinen
       Revolution in der Partei durch. Dieses Mal folgt die Partei ohne Murren
       ihrem Vorstand und nominierte auf den ersten fünf Plätzen bisherige
       Bundestagsabgeordnete. Nummer eins ist wie 2009 Monika Grütters, die Chefin
       des Bundestagskulturausschusses.
       
       Sie, seit Jahren in einer Doppelrolle liberales und weibliches
       Aushängeschild der Berliner CDU, bekommt aber einen Dämpfer: Stimmten vor
       vier Jahren noch 81,5 Prozent für sie, sind es jetzt nur 72,8 Prozent -
       jeder vierte Delegierte will sie nicht als Spitzenkandidatin, viel für
       CDU-Verhältnisse. Sie mache im Bundestag einen guten Job, aber sie müsste
       sich mal öfter an der Basis sehen lassen, war aus Führungskreisen zu hören.
       
       Das schlechteste Ergebnis aber bekommt der einzige Muslim unter den
       Kandidaten, Korkman Özman: Selbst für den völlig nachrangigen Platz 13 von
       14 auf der Liste stimmen nur 66 Prozent für ihn. Einer war schon vorher mit
       seinen Bundestagsambitionen durchgefallen, ist an diesem Abend gar nicht
       dabei und dennoch Gesprächsthema: Michael Braun, Kurzzeit-Justizsenator und
       lange einer der stärksten Männer im Landesverband, hat Stunden zuvor
       angekündigt, Anfang 2013 nicht erneut als CDU-Kreischef in
       Steglitz-Zehlendorf zu kandidieren.
       
       Was die Partei schätzt, zeigt das Ergebnis für den im Landesverband sehr
       umtriebigen Generalsekretär Kai Wegner, der für Platz zwei der Liste
       antritt: 92 Prozent bekommt er nach einer kurzen, die Parteiseele
       streichelnden Rede, 20 Prozentpunkte mehr als 2009. Anders als Grütters hat
       Wegner in Spandau einen Wahlkreis, den er wie 2009 gewinnen kann – Grütters
       ist in Marzahn-Hellersdorf auf verlorem Posten. Ihre Versuche,
       Direktkandidatin im für wesentlich aussichtsreicheren Wahlkreis
       Charlottenburg-Wilmersdorf zu werden, scheiterten – die örtliche CDU
       stellte lieber ihren Vize-Bürgermeister auf. So muss Grütters wie 2009
       darauf hoffen, dass der CDU über die Zweitstimme mehr Sitze zustehen als
       sie Wahlkreise gelingt. Denn nur dann kommt die jetzt beschlossene
       Landesliste zum Einsatz, um Plätze aufzufüllen.
       
       Die Ausgangslage für die CDU ist allerdings deutlich besser als bei der
       vergangenen Bundestagswahl: Vor vier Jahren lag sie in Umfragen in Berlin
       bei knapp über 20 Prozent, bei der Wahl waren es 22. Heute sind es schon in
       Umfragen 27 Prozent. Über 30 Prozent müsste die CDU allerdings holen, damit
       auf Platz 8 der Landesliste ein 40-Jähriger die erfolgreiche
       Bundestagskarriere seiner Mutter fortsetzen könnte: Dort kandidiert Philipp
       Lengsfeld, der Sohn der früheren Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, die erst
       für Bündnis 90 und die Grünen, später für die CDU im Bundesparlament saß.
       
       Was im Wahlkampf zu erwarten ist, ließ Parteichef Henkel gut durchblicken:
       Klarer Kampf gegen die Bundes-SPD und ihren vermeintlichen „Problem-Peer“,
       den Spitzenkandidaten und Angela-Merkel-Herausforderer Steinbrück – nicht
       aber gegen die Berliner Wowereit-SPD . Bundestagswahl hin oder her, Henkel
       will das Klima im rot-schwarzen Bündnis bitte nicht leiden sehen: „Bei
       aller Wettbewerbssituation, die es natürlich auch im nächsten Jahr geben
       wird: Die Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner ist konstruktiv und
       vertrauensvoll.“
       
       24 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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