# taz.de -- Kolumne Besser: Kapitalismus? Klar, aber nicht bei uns
       
       > Deutsche Journalisten finden den Kapitalismus toll, solange es nicht um
       > ihren eigenen Arsch geht. Wenn es aber eine Zeitung trifft, ist die
       > Demokratie in Gefahr.
       
 (IMG) Bild: Versuchen Sie einmal, sich mit dem Internet zu bedecken und Sie werden sehen: die gedruckte Zeitung wird nicht verschwinden.
       
       Jemand, es könnte Georg Lukács gewesen sein, hat einmal bemerkt,
       Journalisten seien deshalb besonders verkommene Subjekte, weil bei ihnen
       die Aufspaltung des bürgerlichen Individuums in den Citoyen, der sich als
       Teil des Gemeinwesens versteht und als solcher handelt, und den Bourgeois,
       der rücksichtslos seine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt und
       verfolgen muss, auf eine zutiefst hässliche Form aufgehoben ist: In all
       seinem Tun, dem Schreibschreibmachen, wähnt sich der Journalist als Citoyen
       („Bleibt zu hoffen, dass …“), wo er doch nur seinen ureigenen Interessen
       als Marktteilnehmer nachgeht.
       
       In den vergangenen Wochen traten die Kolleginnen und Kollegen gleich in
       Kompaniestärke an, um den Beweis zu erbringen, dass diese wenig
       schmeichelhafte Feststellung so falsch nicht ist. Die Insolvenz der
       Frankfurter Rundschau und die Einstellung der Financial Times Deutschland,
       so war beinahe überall zu lesen, seien zwar die Folge „verpasster
       Gelegenheiten“ und „mangelnder Geschäftsmodelle“, bedrohten im Ergebnis
       aber nichts weniger als die Meinungsfreiheit, die Demokratie, den
       Weltfrieden – darunter machen es Journalisten, deutsche zumal, nicht.
       
       ## Ach, die Rundschau
       
       Doch was war geschehen? Die Financial Times Deutschland, die am Freitag zum
       letzten Mal erscheinen wird, hat in den zwölf Jahren ihres Bestehens keinen
       Cent verdient. Dass der Verlag nun bei diesem Produkt genau jene Kriterien
       von Rentabilität und Profit walten lässt, auf die Kommentatoren jener
       Zeitung stets so bescheidwisserisch wie kaltherzig verwiesen, wenn es,
       sagen wir, um das Schicksal von Nokia-Arbeitern oder Schlecker-Angestellten
       ging, ist für die Beteiligten vielleicht lehrreich und sicherlich
       unangenehm. Aber mehr auch nicht.
       
       Und die Frankfurter Rundschau? [1][Ach], die Frankfurter Rundschau, das
       wissen Sie doch selber.
       
       Als vor einem halben Jahr Schlecker dichtmachte, [2][kommentierte] die Welt
       – noch so ein alimentiertes Blatt, das nur deshalb existiert, weil der
       Verlag an anderer Stelle genug Geld mit rassistischen und notgeilen
       Dumpfbacken verdient – ganz abgebrüht:
       
       „Natürlich ist es ein schwerer Schlag für die 11.000 Mitarbeiterinnen der
       Drogeriekette, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Und es ist aus der Sicht
       jeder einzelnen Frau verständlich, dass sie sich so viel Abfederung und
       finanzielle Hilfe wie möglich wünscht. Doch als hilfsbedürftig und
       unselbstständig dargestellt zu werden, hilft ihnen nicht. […] Die
       Schlecker-Frauen sind in Wirklichkeit sehr eigenständig, und ihre Chancen
       auf dem Arbeitsmarkt stehen gut.“
       
       Die Pleite von Schlecker war nicht Folge davon, dass plötzlich niemand mehr
       Verwendung für Toilettenpapier und Duschgel gehabt hätte. Auch ist nicht
       bekannt, dass durch die Schlecker-Pleite irgendwo Toilettenpapier und
       Duschgel ausgegangen wären. Alles blieb wie gehabt, nur eben ohne
       Schlecker. Aber den Kapitalismus finden deutsche Journalisten auch nur
       solange klasse, wie es nicht um ihren eigenen Arsch geht.
       
       Besser: Die Zeitungsverlage beenden ihr selbstmitleidiges Jammern und
       schaffen das, was inzwischen jedem besseren [3][Pizzabäcker] gelingt: im
       Internet Geld verdienen.
       
       4 Dec 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://blogs.taz.de/hausblog/2012/11/28/care-paket-fr-dankt-mit-donnerndem-hohoho-tschi-minh/
 (DIR) [2] http://www.welt.de/debatte/kommentare/article106135904/Die-Schlecker-Frauen-werden-unter-Wert-verkauft.html
 (DIR) [3] http://pizza.de/ref/gad/?gclid=CLidusHG_rMCFdHLzAodg1wAZQ
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Deniz Yücel
       
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