# taz.de -- Abschiebung von Roma aus Deutschland: Mehr als nur Winterflüchtlinge
       
       > Roma werden laut einem EU-Bericht auf dem Balkan systematisch
       > diskriminiert. Dennoch werden viele Roma hier im Schnellverfahren
       > abgeschoben.
       
 (IMG) Bild: Roma aus dem Balkan werden sehr häufig für illegal erklärt
       
       MÜNCHEN taz | Die Geschichte, die Selma Demirova erzählt, geht ihr nicht
       leicht über die Lippen. Immer wieder muss die Frau aus Mazedonien, die
       ihren echten Namen aus Angst vor Repressalien in ihrem Heimatland nicht in
       der Zeitung lesen will, innehalten. Selma Demirova, wie sie hier heißen
       soll, gehört ebenso wie ihr Mann und ihr Sohn zur Minderheit der Roma.
       Diese Volksgruppe wird in Mazedonien laut einem Bericht der Europäischen
       Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRi) systematisch
       diskriminiert. Selma Demirovas Geschichte passt dazu.
       
       „Mein Mann war nicht zu Hause, als die Männer kamen“, erzählt die Frau mit
       dem langen, dunklen Haar. Er war als Taxifahrer unterwegs. „Die Männer
       wollten Schutzgeld von uns erpressen.“ Als sich Demirova und ihr damals
       16-jähriger Sohn weigerten zu bezahlen, hätten die Männer, die einem
       parteinahen Sicherheitsdienst angehören sollen, den Jungen geschlagen. Als
       die Mutter dazwischenging, sei sie vor den Augen ihres Sohnes vergewaltigt
       worden. Anschließend habe man ihr weder beim Arzt noch bei der Polizei
       helfen wollen, berichtet Demirova – aus Angst vor den Schlägern, und weil
       die Familie Roma seien.
       
       „Die Ärzte weigerten sich, mich zu untersuchen“, sagt sie. Die Polizei
       verhaftete den Sohn, statt die Anzeige aufzunehmen. Als es hieß, er solle
       für zwei Jahre ins Gefängnis, flüchtete die Familie im Juni dieses Jahres
       nach Deutschland. Auch bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration
       und Flüchtlinge (BAMF) haben Selma Demirova und ihr Sohn diese Geschichte
       erzählt.
       
       Offizielle Dokumente hätten ihre Geschichte erhärtet, sagt Rechtsanwalt
       Hubert Heinold, der die Familie vertritt. Trotzdem wurde der Asylantrag als
       „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt – und das innerhalb weniger Tage,
       obwohl andere Asylsuchende oft monatelang auf einen Termin und die
       Entscheidung über ihren Asylantrag warten. Die Familie hat Einspruch gegen
       den Bescheid eingelegt. Nun wartet sie auf ein Urteil des Gerichts.
       
       In der Tat bearbeitet das BAMF Asylanträge aus Serbien und Mazedonien
       derzeit mit erhöhter Priorität. Die Behörde begründet die Eile mit dem
       überproportional und ungewöhnlich hohen Aufkommen an Asylanträgen aus
       diesen Ländern seit diesem August. „Serbien lag mit 2.673 Erstanträgen auf
       Platz 1, Mazedonien mit 1.351 Erstanträgen auf Platz 2 aller
       Herkunftsstaaten“, so eine Sprecherin.
       
       ## Fast hundertprozentige Ablehnung
       
       Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat vermutet hinter den
       Schnellverfahren, die derzeit fast zu hundert Prozent zu einer Ablehnung
       der Asylanträge führen, eine politische Kampagne gegen Roma aus den
       Balkanstaaten. Diese Vorwürfe weist das Bundesinnenministerium zurück. Thal
       bleibt dabei: „Anlass für die Kampagne ist die Überfüllung der
       Erstaufnahmeeinrichtungen“, sagt er. „Statt den Platzmangel in den
       Unterkünften zu beheben, werfen die CSU-Innenminister den Roma vor, sie
       würden missbräuchlich Asylanträge stellen und kämen nur nach Deutschland,
       um die vom Bundesverfassungsgericht angehobenen Sozialleistungen in
       Anspruch zu nehmen.“
       
       Anwalt Heinold will nicht so weit gehen. Es sei gut möglich, dass unter den
       Roma, die besonders im Oktober und November nach Deutschland kamen, auch
       einige „Winterflüchtlinge“ seien, so Heinold. „Aber das ändert nichts an
       der Tatsache, dass die Behörden die Einzelfälle sorgfältig prüfen müssen.“
       Und das sei im Fall der Familie von Selma Demirova nicht geschehen. Eine
       Vergewaltigung, die im Heimatland nicht entsprechend geahndet werde, falle
       eindeutig unter den Schutzanspruch gemäß den Genfer
       Flüchtlingskonventionen, so der Rechtsanwalt.
       
       11 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marlene Halser
 (DIR) Marlene Halser
       
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