# taz.de -- Rechtsstreit um Suhrkamp: Die Chefin soll gehen
       
       > Seit Jahren streiten sich die Gesellschafter des Suhrkamp Verlags. Jetzt
       > wird Geschäftsführerin Ulla Unseld-Berkéwicz abberufen. Sie will Berufung
       > einlegen.
       
 (IMG) Bild: „Aus wichtigem Grund abberufen“: Ulla Unseld-Berkéwicz.
       
       BELRIN taz | Im Saal 3809 des Berliner Landgerichts herrscht am Montag
       nüchterne Atmosphäre. Der Vorsitzende Richter Hartmut Gieritz benötigt nur
       wenige Minuten, um die Entscheidung in den Verfahren 99 O 79/11 und 99 O
       118/11 zu verlesen; eine Erläuterung der Entscheidungsgründe entfällt. Es
       ist eines von zahlreichen Verfahren, mit denen sich die Gesellschafter des
       Suhrkamp Verlags seit Jahren gegenseitig bekämpfen.
       
       Entschieden wird über die Schadenersatzforderung des
       Suhrkamp-Gesellschafters Hans-Georg Barlach, der 39 Prozent am Verlag hält.
       Barlachs Vorwurf: Der Verlag habe die Villa der Gesellschafterin Ulla
       Unseld-Berkéwicz in Berlin-Nikolassee zum Teil für Veranstaltungen
       angemietet und damit Gelder zugunsten von Unseld-Berkéwicz veruntreut.
       
       Da die monatliche Warmmiete für den Verlag 6.600 Euro betrug und damit die
       jährliche Summe von 75.000 Euro überschritt, hätte Barlach seine Zustimmung
       geben müssen, so der Vorwurf. Privates und Geschäftliches seien unzulässig
       vermischt worden. Nun gab das Gericht Barlachs Argumentation recht: Die
       Geschäftsführung muss dem Verlag Schadenersatz in Höhe von 282.486 Euro
       zahlen.
       
       ## „Nicht entlastet“
       
       Brisant ist vor allem aber die zweite Entscheidung des Gerichts. Barlach
       hatte die Abberufung der Verlagschefin gefordert. Wie der Vorsitzende
       Richter verkündete, entschied das Gericht tatsächlich, Unseld-Berkéwicz und
       die übrige Geschäftsführung für das Geschäftsjahr 2010 nicht zu entlasten:
       „Es wird festgestellt, dass in der Gesellschafterversammlung der Beklagten
       vom 17. 11. 2011 folgender Beschluss gefasst worden ist: ’Frau Ulla
       Unseld-Berkéwicz wird als Geschäftsführerin aus wichtigem Grund abberufen.‘
       “
       
       Welches Ziel Hans-Georg Barlach mit seiner Fehde mit der Verlegerwitwe Ulla
       Unseld-Berkéwicz verfolgt, ist unklar. Barlach, 1955 in Ratzeburg geboren,
       verwaltet seit 1975 den Nachlass seines Großvaters, des bekannten deutschen
       Bildhauers Ernst Barlach. Der Enkel lebt in Hamburg, handelt mit Immobilien
       und war seit den 1980er Jahren auch als Medienunternehmer tätig. 1984 stieg
       er bei der Hamburger Rundschau ein, die er 1998 vollständig übernahm. Die
       Zeitung blieb im Minus, 2000 wurde das Blatt eingestellt.
       
       Hans-Georg Barlachs Interesse galt fortan vor allem der Hamburger
       Morgenpost. Als Barlach 2004 sämtliche Anteile erwarb, lag die Zeitung bei
       stabilen 100.000 verkauften Exemplaren. Doch Barlach verabschiedete sich
       auch hier wieder als Verleger und verkaufte 2006 an die Finanzinvestoren
       VSS und Mecom.
       
       Seinen Einstieg 2006 beim Suhrkamp Verlag über den Schweizer Unternehmer
       Andreas Reinhart und dessen Volkart Holding bezeichnete Investor Barlach
       als „kulturelles Engagement“. Rätselhaft bleibt bis heute, was er damit
       meint. Barlachs Engagement bei Suhrkamp erfolgte zu einem Zeitpunkt, als es
       erhebliche Unruhe und Erbstreitigkeiten in dem damals noch in Frankfurt
       ansässigen Verlag gab. Die Witwe des Suhrkamp-Verlegers, Ulla
       Unseld-Berkéwicz, sah die Übernahme des 29-Prozent-Anteils Reinharts von
       Anfang an als feindlichen Akt. Über die Siegfried und Ulla Unseld
       Familienstiftung kontrolliert sie heute 61 Prozent der Verlagsanteile.
       
       2008 stellte das Amtsgericht München ein Verfahren gegen Barlach und seinen
       Kompagnon, den Investmentbanker Claus Grossner, wegen übler Nachrede über
       Unseld-Berkéwicz ein. Barlach und Grossner mussten aber jeweils 15.000 Euro
       an eine gemeinnützige Organisation überweisen. Barlach und Grossner hatten
       Unseld-Berkéwicz wiederholt eine unseriöse Geschäftsführung unterstellt.
       Ein Verdacht, dem der jetzige Berliner Urteilsspruch nachträglich in die
       Hände arbeitet. Nach dem Ausscheiden von Verlegersohn Joachim Unseld hält
       die Medienholdig Winterthur um Unternehmer Hans Barlach die restlichen 39
       Prozent der Suhrkamp-Anteile gegen die 61 Prozent von Ulla
       Unseld-Berkéwicz’ Familienstiftung.
       
       ## Verlag geht in Berufung
       
       Als Suhrkamp-Gesellschafter reichte Barlach 2011 Klage beim Berliner
       Landgericht gegen die dreiköpfige Verlagsleitung –die Geschäftsführer Ulla
       Unseld-Berkéwicz, Thomas Sparr und Jonathan Landgrebe – ein. Der Suhrkamp
       Verlag war im Jahr 2010 nach Berlin gezogen. Der Klage waren wiederum zwei
       einstweilige Verfügungen der Suhrkamp-Mehrheitsgesellschafter gegen Barlach
       vorausgegangen. Hans-Georg Barlach war für die taz nach Urteilsspruch am
       Montag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
       
       Für Suhrkamp ist die Entscheidung ein harter Schlag. „Wir sind schockiert“,
       fasste Tanja Postpischil, Leiterin von Suhrkamps Presseabteilung, das
       Urteil zusammen. Man werde „auf jeden Fall in Berufung gehen“.
       
       Mit diesem Montag ist im Gesellschafterstreit des Verlags eine weitere
       Eskalationsstufe erreicht. Erst in der vergangenen Woche hatte es am
       Landgericht Frankfurt am Main eine Verhandlung gegeben, da Barlach die
       Auflösung der Suhrkamp Verlags GmbH & Co. KG beantragt hat. Nach seiner
       Vorstellung würde er den Verlag dann im Alleingang weiterführen. Sollte
       Barlach auch in dieser Sache recht bekommen, könnte dies das Aus für den
       Traditionsverlag bedeuten. Die Entscheidung in Frankfurt wird für den 13.
       Februar erwartet.
       
       Mit dem Berliner Urteil könnte es wahrscheinlicher geworden sein, dass
       „einer der namhaftesten Teilnehmer am deutschen Literaturbetrieb zu
       verschwinden droht“, wie der Frankfurter Richter Norbert Höhne in der
       vergangenen Woche bemerkt hatte. Einen Suhrkamp Verlag ohne
       Unseld-Berkéwicz kann man sich nur schwer vorstellen. Suhrkamp-Autor
       Rainald Goetz saß während der Verhandlung am Montag jedenfalls im
       Gerichtssaal und machte Notizen.
       
       10 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) T. C. Boehme
 (DIR) A. Fanizadeh
       
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