# taz.de -- taz-Thema: Wie sicher ist Berlin?: "Videoüberwachung ist trügerisch "
       
       > Wie kann der öffentliche Raum sicherer gemacht werden? Ein Gespräch mit
       > TU-Forscher Jan Abt.
       
 (IMG) Bild: Sehen und gesehen werden - darauf setzen die Befürworter von Videoüberwachung.
       
       taz: Herr Abt, ist es in der Großstadt nicht irrational, den Anspruch zu
       haben, sich jederzeit und überall sicher zu fühlen? 
       
       Jan Abt: Das ist nicht irrational, sondern ein normales menschliches
       Bedürfnis. Und zwar in jeder Stadt, nicht nur in Berlin. Andererseits
       richten wir Menschen uns auch in der Welt ein, die uns umgibt: Man gewöhnt
       sich daran, dass es unsichere Orte gibt. Wenn aber aufsehenerregende
       Gewalttaten geschehen, beginnt man, sich Fragen zu stellen, die man sich
       sonst nicht stellen würde.
       
       Dann werden Forderungen nach mehr Polizei und Videoüberwachung laut? 
       
       Ja, reflexartig. Wobei beides aber meist nicht zu Ende gedacht wird. Nach
       Videoüberwachung wird schnell gerufen, weil die Annahme besteht, das sei
       schnell gemacht und verursache wenig Kosten. Man braucht aber auch Leute,
       die sich die Videos anschauen und eingreifen, wenn etwas passiert.
       
       Bringt Videoüberwachung tatsächlich mehr Sicherheit? 
       
       Zur Prävention von Affekttaten wie spontanen Prügeleien nützt sie nicht.
       Videoüberwachung kann dort aber die Aufklärungsquote erhöhen. Bei geplanten
       Taten führt sie eher zur Verdrängung: Die Täter warten eben an einem
       anderen, nicht überwachten Ort auf ihr Opfer. Auch die Erwartung, dass bei
       Videoüberwachung schneller Hilfe da ist, ist falsch: Es dauert häufig zu
       lange, bis jemand kommt. Videoüberwachung kann trügerisch sein und auch
       dazu führen, dass eigene Sicherheitsvorkehrungen unterlassen werden oder
       die Hilfsbereitschaft Anwesender sinkt.
       
       Und mehr Polizei? 
       
       Auch das erhöht nicht unbedingt das Sicherheitsgefühl. Viele Menschen
       werden durch mehr Polizeipräsenz eher verunsichert, weil sie sie für ein
       Indiz von Gefahr halten. Die Annahme ist: Wo viel Polizei ist, muss auch
       viel passieren. Wirkungsvoll ist dagegen, wenn ich darauf vertrauen kann,
       dass ich im Problemfall von Anwesenden unterstützt werde – und die nicht
       wegschauen.
       
       Wie sicher kann man eine Großstadt wie Berlin machen? 
       
       Da müssten Sie erst die Frage beantworten: Was verstehen wir unter
       Sicherheit? In Berlin gibt es lokal sehr verschiedene Lebensstile. Was in
       Wilmersdorf als unsicher gilt, ist in Friedrichshain vielleicht kein Thema.
       Fragen Sie Ordnungsamtsleiter, bekommen Sie in jedem Bezirk eine andere
       Antwort auf die Frage, was als Problem angesehen wird. Zudem müssen wir
       diese Frage auch in Zusammenhang damit diskutieren, wie urban wir leben
       wollen. Eine Großstadt kann kein gut ausgeleuchtetes Fußballfeld sein. Zur
       Stadt gehören das Fremde, die Vielfalt, überraschende Situationen. Wir
       müssen immer neu diskutieren, wie viel davon wir akzeptieren wollen. Dazu
       gehört eine Diskussion über Werte, die schon in der Schule beginnen sollte.
       
       Wie soll Ihr Projekt Sicherheitsempfinden stärken? 
       
       Wir wollen die Akteure, die mit dem Thema im öffentlichen Raum befasst
       sind, zusammenbringen. Unsicherheit entsteht, wenn die konträr handeln:
       Wenn etwa das Stadtplanungsamt einen schönen neuen Platz baut und sich das
       Ordnungsamt hinterher beschwert, dass dabei Ecken entstanden sind, die zu
       Schmuddelecken werden. Oder wenn Maßnahmen, die an einem Ort zur Beruhigung
       führen, Probleme nur an einen anderen Ort verlagern. Um das zu vermeiden,
       braucht es ein Zusammenspiel aller Akteure.
       
       INTERVIEW:
       
       15 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alke Wierth
       
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