# taz.de -- Syrische Flüchtlinge im Libanon: Die Kinder bleiben unter sich
       
       > 80 Prozent der syrischen Flüchtlingskinder gehen nicht zur Schule. Oft
       > fehlt das Geld für Schulbücher oder Platz an der Schule. Manchmal werden
       > sie gemobbt.
       
 (IMG) Bild: Im Libanon wird oft auf Englisch oder Französisch unterrichtet
       
       QABB ELIAS taz | Der elfjährige Firas wird viel nachholen müssen, sollte er
       irgendwann wieder zur Schule gehen können. Gerade war das erste Halbjahr
       der dritten Klasse vorbei, da musste seine Familie das südsyrische Daraa
       verlassen. „Mittlerweile hat er sogar die Buchstaben wieder vergessen“,
       sagt seine Mutter Umm Firas. Seit der Flucht in den Libanon vor einem Jahr
       gehört der Unterricht für Firas zu den Erinnerungen an seine syrische
       Heimat.
       
       Hunderte, manchmal Tausende Syrer täglich überqueren die Grenze zum
       benachbarten Libanon. Mit 170.000 von ihnen steht das
       UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Kontakt; mindestens 4 Prozent der
       Bevölkerung des Libanons machen die Neuankömmlinge bereits aus. Über die
       Hälfte von ihnen sind Kinder.
       
       Obwohl die staatlichen Schulen von der Regierung angewiesen wurden, die
       syrischen Kinder aufzunehmen, bleibt Firas zu Hause. Dabei könnte er den
       Weg zur nächsten Schule zu Fuß laufen. Seine Eltern haben ein ärmliches,
       aber zentral gelegenes Zimmer in Qabb Elias gemietet, 25 Kilometer von der
       syrischen Grenze entfernt. Doch das Geld, das sein Vater als Tagelöhner auf
       dem Bau verdient, reicht gerade für die Miete. Die Gebühr von vierzig
       Dollar im Jahr für die Schule, erklärt Umm Firas, könnten sie sich nicht
       leisten.
       
       Einem Bericht der Hilfsorganisation World Vision zufolge gehen 80 Prozent
       der syrischen Kinder im Libanon nicht zur Schule. „Einige haben schon in
       Syrien ein Jahr verpasst“, sagt Patricia Mouamar von World Vision. „Jetzt
       verpassen sie im Libanon ein weiteres.“ Neben der Schwierigkeit,
       Aufnahmegebühren und Schulbücher zu bezahlen, sei oft der Schulweg zu lang.
       Vor allem aber mangele es in den Schulen an Platz.
       
       „Mit mehr als 85.000 syrischen Kindern im Libanon“, meint Mouamar, „sind
       die Schulen überfordert.“ Im Obergeschoss der Schule von Qabb Elias hat die
       Organisation ein Kinderzentrum für Vier- bis Siebenjährige eingerichtet.
       Drei Stunden täglich spielen sie hier, singen, malen und lernen. Für die
       Eingangstür haben die Kinder ein buntes Plakat gebastelt mit der Aufschrift
       „World Vision – Kinderfreundlicher Raum“. Darunter schimmert noch das Logo
       von Unicef durch. Im Klassenraum nebenan hat sich eine norwegische NGO
       eingerichtet. „Unsere Kinderzentren sind keine Alternative zum regulären
       Unterricht“, betont Mouamar, „sondern ein Angebot für Kinder, die an den
       Schulen keinen Platz finden.“
       
       ## „Ich kann kein Französisch“
       
       Doch selbst wer das Glück hat, einen Platz an einer staatlichen Schule zu
       bekommen, steht vor Problemen. In einem kleinen Schuppen um die Ecke von
       Firas’ Herberge hat sich eine Großmutter mit ihren Enkeln eingerichtet.
       Fadi und seine Schwester Asmaa besuchen die Schule in Qabb Elias. „Aber der
       Unterricht ist auf Französisch“, erzählt Fadi. Ob er denn alles verstehen
       würde? Er schüttelt den Kopf. „Ich kann kein Französisch.“ Asmaa zählt
       stolz einige erste Worte Französisch auf, die sie in der libanesischen
       Schule gelernt hat.
       
       Die Sprachbarriere sei das größte Problem, berichtet Randa, die als
       Sozialarbeiterin an einer Schule in Beirut arbeitet und ihren vollen Namen
       nicht in der Zeitung lesen möchte. Anders als in Syrien werden viele Fächer
       auf Französisch und Englisch unterrichtet. Nun müssten die Lehrer teilweise
       auf mündliche Prüfungen ausweichen. Andere Schulen bieten
       Nachmittagsunterricht auf Arabisch und nach syrischem Lehrplan an.
       
       Auch das Zusammenleben von syrischen und libanesischen Kindern sei nicht
       immer einfach, erzählt Randa. „Einige Schüler aus Syrien versuchen, sich zu
       integrieren, aber die meisten bleiben in den Pausen unter sich.“ Witze und
       Sticheleien seien an der Tagesordnung. Das Mobbing syrischer Schüler sei
       „besorgniserregend“, heißt es in einem UNHCR-Bericht. Schwere Fälle sollen
       künftig zur Anzeige gebracht werden. Einmal, erzählt Umm Firas, sei ihren
       Kindern hinterhergerufen worden: „Würdet ihr zu irgendetwas taugen, hätte
       Baschar euch nicht aus seinem Land geworfen.“
       
       2 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jannis Hagmann
       
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