# taz.de -- Autobahn-Ausbau: Betonpiste im platten Land
       
       > Im niedersächsischen Landtagswahlkampf agitieren die Grünen gegen einen
       > Weiterbau der Autobahn A 20: Dieser sei nicht finanzierbar.
       
 (IMG) Bild: Wie weit sie führen wird, ist ungewiss: Küstenautobahn in Mecklenburg-Vorpommern.
       
       HIMMELPFORTEN taz | So eine Autobahn ist ein Mordstrumm. 55 betont lange
       Schritte macht Norbert Welker vom Umweltverband BUND, um zu zeigen, wie
       breit die Rollbahn wäre, die einmal in Milchstelle bei Himmelpforten das
       Stader Land durchschneiden soll. Sie läge auf einem zwei bis fünf Meter
       hohen Damm in der flachen Landschaft, von einer Lärmschutzwand um weitere
       sechs Meter zur chinesischen Mauer aufgestockt.
       
       Welker gehört zu einem Bündnis, das sich gegen einen Weiterbau der
       Ostsee-Autobahn A 20 in Niedersachsen wehrt. An diesem Dezembertag hilft er
       der grünen Direktkandidatin für den Wahlkreis Stade, Ursula Männich-Polenz,
       das Thema im Landtagswahlkampf unterzubringen. Männich-Polenz hat einen
       Hybrid-Bus mit Elektro- und Dieselantrieb der KVG Stade gechartert, und
       grüne Landtags- und Bundestagsabgeordnete eingeladen. An diesem
       Planungsabschnitt wollen sie zeigen, warum die schwarz-gelbe
       Verkehrspolitik des Landes vom Ansatz her zum Scheitern verurteilt ist.
       
       Geplant ist, die Autobahn in einem Tunnel östlich von Glückstadt unter der
       Elbe hindurchzuführen und quer durchs platte Land an Bremervörde vorbei zum
       Wesertunnel zwischen Bremen und Bremerhaven zu führen. Von dort aus könnten
       die Laster dann weiterrollen Richtung Niederlande oder zum Tiefwasserhafen
       in Wilhelmshaven. Auf dieser „Küstenautobahn“ könnte man von der polnischen
       bis zur niederländischen Grenze durchfahren.
       
       Die grüne Bundestagsabgeordnete Valerie Wilms (Pinneberg) hält das für
       unnötig. Auf dem A-20-Abschnitt längs der Ostsee seien heute nur 50 bis 60
       Prozent der in der Planung angenommenen Fahrzeuge unterwegs. Und um die
       Container zwischen den Häfen an der Nordseeküste und denen im Baltikum
       auszutauschen, sei der Verkehr mit kleinen Zubringer-Schiffen („Feedern“)
       ökonomisch und ökologisch viel vorteilhafter.
       
       Auch die Idylle in Orten wie Oldendorf, Burweg oder Himmelpforten mit
       seinem Weihnachtsmann-Postamt bliebe gewahrt. Die Dörfer hier nehmen sich
       reichlich Raum. Viele alte Bauernhäuser mit Stall sind umgebaut zu
       Wohnhäusern. Gräben und Knicks durchziehen das Gebiet. Ab und an ist auch
       mal eine Gänseschar anzutreffen.
       
       Trotzdem sind sich die Einwohnerschaften in puncto Autobahnplanung nicht
       einig. Im nahe der geplanten Autobahn gelegenen Dorf Himmelpforten selbst
       etwa sprach sich vor einigen Jahren eine Mehrheit des Gemeinderats gegen
       die Autobahn aus. Der Rat der gleichnamigen Samtgemeinde war dafür.
       
       Auch Jan Tiedemann (SPD), der Bürgermeister der Nachbargemeinde
       Hechthausen, setzt große Hoffnungen auf die Autobahn. „Die wenigen Firmen,
       die wir haben, brauchen die Autobahn für ihre Logistik und um Arbeitskräfte
       zu gewinnen“, argumentiert er. Ohne einen besseren Verkehrsanschluss sei es
       schwer, expansionswillige Betriebe zu halten und neue anzusiedeln. „Man
       fährt von uns aus eine Stunde bis zur nächsten Autobahn“, sagt er. Auch für
       viele Hechthausener, die auf der schleswig-holsteinischen Seite der Elbe
       arbeiten, wäre die Autobahn eine Erleichterung. Heute sind sie auf die
       Fähre Glückstadt-Wischhafen angewiesen.
       
       Gerade diese Leute sind nach Ansicht des grünen Landtagsabgeordneten Enno
       Hagenah in den nächsten 20 Jahren gekniffen. So lange werde es dauern, bis
       die Autobahn gebaut werde – wenn sie überhaupt jemals komme. Denn der
       Bundesverkehrswegeplan, in dem die Piste steht, sei heillos
       unterfinanziert. 92 Prozent der für Niedersachsen vorrangig vorgesehenen
       Straßenbauprojekte des Bundes seien nicht finanziert, bestätigt der grüne
       Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler (Rotenburg) unter Berufung auf
       [1][Zahlen aus dem Bundesverkehrsministerium].
       
       „Soll hier die nächsten 15, 20 Jahre Agonie herrschen?“, fragt Hagenah. So
       lange werde hier auch nicht investiert werden, weder in Fährverbindungen
       noch sonst wie. Dazu komme, dass die A 20 wahrscheinlich
       überdurchschnittlich teuer werde.
       
       Die Autobahn soll zwar über plattes Land gezogen werden, dessen Untergrund
       hat jedoch seine Tücken. Das zeigt sich bei Ritschermoor, wo
       Männich-Polenzens Hybrid-Bus über ein welliges Landsträßlein schaukelt.
       „Moorstraßen leben“, sagt die Landtagskandidatin und prognostiziert, dass
       tonnenweise Sand aufgeschüttet werden müsste, um die Autobahn zu
       stabilisieren, wenn nicht gar eine Pfahlgründung nötig werde.
       
       Weitere Verteuerungen seien durch die notwendigen Brücken und
       Entwässerungsanlagen zu erwarten, warnt der Landtagsabgeordnete Hagenah.
       Die Landesregierung müsse daher zuerst den Baugrund untersuchen, daraus
       eine Kostenschätzung ableiten und dann entscheiden, fordert er. Derartige
       Showplanungen blockierten Alternativen wie den Ausbau des öffentlichen
       Verkehrs.
       
       Die A 20 ist allerdings nicht die erste Autobahn, die durchs Moor gebaut
       wird: 30 Kilometer entfernt ist die A 1 gerade auf sechs Spuren ausgebaut
       worden. Und von Stade nach Hamburg wird gerade die A 26 gebaut. Für
       Himmelpforten wie für Hechthausen müsste das eigentlich reichen, findet
       Hagenah.
       
       1 Jan 2013
       
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