# taz.de -- Asylbewerber-Protest in Wien: Hungern im Seitenschiff
       
       > Dutzende abgelehnter Asylbewerber protestieren mit einem Hungerstreik in
       > der Wiener Votivkirche. Der Erzbischof hat bis auf weiteres Kirchenasyl
       > zugesagt.
       
 (IMG) Bild: Auch Jesus war ein Asylsuchender. Protestcamp in der Wiener Votivkirche.
       
       WIEN taz | Als indischer Spion sei er vom pakistanischen Geheimdienst
       verfolgt worden, sagt Mir Jahangir aus dem pakistanischen Teil Kaschmirs.
       Der 25-jährige Student der Betriebswirtschaft sitzt, in einen schwarzen
       Anorak gehüllt und das Haar von einem roten Kopftuch bedeckt, auf einem
       Matratzenlager in der Wiener Votivkirche.
       
       Seit Tagen befindet er sich in Hungerstreik, um auf sein Schicksal
       aufmerksam zu machen. Als Aktivist der pakistanischen Studentenorganisation
       NSF hat er sich für die Unabhängigkeit der geteilten Provinz Kaschmir
       eingesetzt. Zu Hause sei er deswegen nicht sicher.
       
       Ali Nainab, 32 Jahre alt, kommt aus dem Swat-Tal, wo die Taliban seit zwei
       Jahren ein Terrorregime ausüben. Zu allem Überfluss schickten die USA dann
       noch ihre Drohnen. „Die töten unschuldige Menschen“, klagt der stämmige
       Mann in der blauen Winterjacke.
       
       Zwischen 40 und 45 Asylsuchende kampieren seit Wochen in einem Seitenschiff
       der neugotischen Votivkirche, unweit der zentralen Wiener Ringstraße. Unter
       dem Rippengewölbe und umgeben von Heiligenstatuen wirken die Männer in oder
       auf ihren Daunenschlafsäcken wie aus einer anderen Welt.
       
       ## Nicht anerkannte Konfliktregionen
       
       Die meisten kommen aus Pakistan, zwei aus Afghanistan, einer aus
       Bangladesch, einige aus den Maghreb-Staaten. Gemeinsam ist ihnen, dass ihre
       Asylanträge abgelehnt wurden. Manche haben schon einen zweitinstanzlichen
       Bescheid und stehen vor der Abschiebung. Sie kommen aus Konfliktregionen,
       die als solche nicht anerkannt seien. Die österreichischen Behörden würden
       Anträge aus diesen Ländern generell zurückweisen, beschweren sich
       Betroffene. Pakistanische Asylwerber hatten zuletzt eine Anerkennungsquote
       von einem Prozent.
       
       Die Beurteilung der Asylgründe sei Sache des unabhängigen Asylgerichts,
       weist Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums, jede
       Einflussnahme seiner Chefin zurück. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner
       lud am Mittwoch Vertreter aus dem Protestcamp in der Votivkirche in ihr
       Büro. Das Gesprächsklima sei konstruktiv gewesen, bestätigt ein Teilnehmer.
       
       Die Ministerin habe zugesagt, jeden Fall zu prüfen und jeder Beschwerde
       über die Qualität der Bundesbetreuung oder der Dolmetscher nachzugehen. Sie
       schloss aber aus, das Regelwerk zu ändern. Dass manche Bestimmungen auf
       europäischer Ebene festgeschrieben sind, macht es ihr auch leicht, weitere
       Gespräche zu verweigern.
       
       Ende November waren Flüchtlinge aus Aufnahmezentren in Nieder- und
       Oberösterreich nach Wien gekommen und hatten vor der Votivkirche ein Camp
       aufgeschlagen. Sie fordern eine bessere Unterbringung, professionelle
       Dolmetscher, aber auch die Löschung ihrer Fingerabdrücke in der Datenbank,
       die europaweit verhindert, dass Flüchtlinge in mehreren Ländern Asylanträge
       stellen. „Wenn Österreich uns kein Asyl gibt, soll es zumindest erlauben,
       dass wir es woanders versuchen“, sagt Ali.
       
       ## Vor Sonnenaufgang platt gemacht
       
       Zwischen Weihnachten und Silvester rückte dann die Polizei mit Baggern an
       und machte vor Sonnenaufgang das Lager platt. Einige der Lagerinsassen
       flüchteten in die Votivkirche. Dort wacht ein von der Erzdiözese
       angeheuerter Sicherheitsdienst über den Eingang. Den haben sich auch die
       Flüchtlinge gewünscht, sagt Klaus Schwertner, Sprecher der Caritas Wien.
       Denn wiederholt seien rechtsextreme und auch betrunkene Provokateure in die
       Kirche eingedrungen und hätten die Asylwerber beschimpft.
       
       Schwertner sieht allerdings auch vonseiten der Unterstützergruppen
       problematische Verhaltensweisen. Immer wieder hätten manche Aktivisten ihre
       Schützlinge durch Einflüsterungen aufgewiegelt. Auch der niederbayrische
       Anarchist Hans-Georg Eberl soll Medien zufolge mit den Protesten eigene
       politische Ziele verfolgen.
       
       Am Mittwochnachmittag demonstrierten wieder zwischen 200 und 300
       Aktivistinnen und Aktivisten vor der Votivkirche und zogen, bewacht von
       fast ebenso vielen Polizisten, zum weiträumig abgeriegelten
       Innenministerium. Dort fand, was draußen niemand wusste, das Gespräch mit
       vier Flüchtlingsvertretern statt. Es soll, so die Ministerin, das letzte
       gewesen sein.
       
       Eine Räumung der Kirche steht nicht an. Dazu bedürfe es, so
       Ministeriumssprecher Grundböck, „einer Aufforderung des
       Verfügungsberechtigten“, also den Pfarrer. Erzbischof Christoph Kardinal
       Schönborn, dem dieser untersteht, hat bis auf Weiteres Kirchenasyl
       zugesagt.
       
       3 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
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