# taz.de -- Korruption in Bolivien: Erpresst, beraubt und inhaftiert
       
       > Der Fall eines US-Investors hat einen Korruptionsskandal öffentlich
       > gemacht. Die bolivianische Regierung hat nun die Chance, zielstrebiger
       > gegen Bestechung vorzugehen.
       
 (IMG) Bild: Der US-Investor Jacob Ostreicher kurz nach seiner Freilassung am 18. Dezember 2012.
       
       BERLIN taz | Jacob Ostreicher ist in Bolivien derzeit ein bekannter Mann.
       Der US-Amerikaner war nach Santa Cruz gekommen, um im prosperierenden
       Agrarsektor zu investieren. Doch dann geriet er ins Visier eines perfiden
       Erpressernetzwerks. Nach fingierten Anschuldigungen landete er im Juni 2011
       in Haft und wurde erst Mitte Dezember nach Zahlung einer Kaution
       freigelassen.
       
       Seitdem vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue Details über das Netzwerk
       aus Polizisten. Staatsanwälten, Richtern und Politikern ans Licht kommen,
       die den vermögenden US-Amerikaner erpressten, seinen Besitz beschlagnahmten
       und Teile davon verkauften. Am Freitag sagte der Anwalt Ostreichers, Jimmy
       Montaño, vor der Staatsanwaltschaft aus und forderte eine Ausweitung der
       Ermittlungen.
       
       „Wir brauchen eine lückenlose Aufklärung. Da habe ich die volle
       Unterstützung von Präsident Evo Morales und Innenminister Carlos Romero“,
       erklärt Nardi Suxo. Die Menschenrechtsanwältin ist die dienstälteste
       Ministerin im Kabinett Morales und steht dem Ministerium für Transparenz
       vor. Dessen Aufgabe ist es, die weitverbreitete Korruption in Bolivien zu
       bekämpfen.
       
       Die Erfolge der letzten Jahre können sich sehen lassen. 120 Millionen
       US-Dollar hat das Ministerium für die Regierung in La Paz von
       Auslandskonten zurückgeholt, 64 Urteile wurden auf Basis der Recherchen der
       Mitarbeiter des Ministeriums gefällt. Derzeit sind drei Verfahren gegen
       Exminister anhängig.
       
       ## Pilotprogramm gegen Bestechung
       
       Diese Erfolge werden auch vom UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung
       in Wien anerkannt. Laut einer Studie von 2012 zeigt Bolivien „viel Einsatz,
       die Gesetze und Institutionen den internationalen Standards anzupassen“.
       Dazu gehört auch das seit März 2010 geltende Gesetz zur
       Korruptionsbekämpfung und ein neues Pilotprogramm aus dem Ministerium von
       Nardi Suxo.
       
       „Da legen 150 führende Mandatsträger, darunter Präsident Morales sowie auch
       ich, ihr Einkommen offen und lüften ihr Bankgeheimnis“, so die Ministerin.
       Für sie und die Regierung Morales ist der Fall Ostreicher ein herber
       Rückschlag bei den Bemühungen, die Korruption einzudämmen.
       
       Für den Kampf gegen die Korruption hat die 50-jährige Ministerin auch
       persönlich einen hohen Preis bezahlt. Erst wurde ihr Büroleiter, dann ihr
       Sohn zusammengeschlagen. Ihre Tochter ging nach Drohungen ins Ausland.
       Obendrein gab es zahlreiche Angriffe auf Mitarbeiter des Ministeriums. Für
       die Ministerin ist das keine Überraschung, denn Korruption gehörte lange
       zum bolivianischen Alltag. Widerstände seien da nur normal.
       
       Doch im Kontext der Ermittlungen um den Erpresserring und den Fall Jacob
       Ostreicher bläst Boliviens Anti-Korruptions-Kämpferin nun der Wind ins
       Gesicht. In einem Fernsehinterview mit Red UNO warf Ostreicher dem
       Generalstaatsanwalt, dem UN-Botschafter des Landes Sacha Llorenti und auch
       Nardi Suxo Untätigkeit vor. Zudem kursieren Gerüchte, dass sie den
       Erpresserring gedeckt habe oder auch Teil des Ringes sei.
       
       ## Kritik an der Ministerin
       
       Das verweist die zierliche Frau ins Reich der Märchen. Doch der Beschuss
       zeigt Wirkung. Unklar ist derzeit, ob Nardi Suxo nach der anstehenden
       Kabinettsumbildung noch Regierungsverantwortung tragen und auch weiter
       gegen Mandatsträger in den eigenen Reihen ermitteln wird.
       
       Damit hat sie sich wenig Freunde gemacht. So häuften sich die Angriffe auf
       die Ministerin, nachdem dank ihrer Recherchen der ehemalige Direktor des
       staatlichen Erdölunternehmens YPBF, Santos Ramírez, wegen Bestechlichkeit
       für zwölf Jahre hinter Gittern verschwand.
       
       Doch der Vorwurf der Untätigkeit wie im Fall Jacob Ostreicher ist neu, und
       den lässt die Ministerin nicht auf sich sitzen. Vor vier Wochen hat sie
       zwei Anwälte mit dem Fall betraut. Sie sollen Herkunft und Verbleib des
       Vermögens des US-Amerikaners ermitteln sowie die Umstände seiner Verhaftung
       klären.
       
       8 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Knut Henkel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Bolivien
 (DIR) Schwerpunkt Korruption
 (DIR) Bolivien
 (DIR) Chile
 (DIR) Farc
 (DIR) Bolivien
 (DIR) Evo Morales
 (DIR) Bolivien
 (DIR) Ausbeutung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Boliviens Präsident Morales: US-Hilfswerk zu politisch
       
       Staatspräsident Evo Morales verweist die Organisation USAID des Landes.
       Angeblich verfolge sie politische Ziele. Die USA dementiert die Vorwürfe.
       
 (DIR) Bolivien verklagt Chile: Es geht um Meer
       
       Nach mehr als 130 Jahren verlangt Bolivien seinen Zugang zum Pazifik
       zurück. Vor dem Internationalen Gerichtshof klagt das Land gegen den
       Nachbarn Chile.
       
 (DIR) Kolumbianische Kriegsreporterin: Triumph der Hartnäckigkeit
       
       Sie wurde entführt und vergewaltigt. Trotzdem gibt sie ihren Kampf gegen
       den kolumbianischen Bürgerkrieg nicht auf: die Reporterin Jineth Bedoya.
       
 (DIR) Investitionen blieben aus: Bolivien verstaatlicht Flughäfen
       
       Die Konzerntochter des spanischen Flughafen-Betreibers Abertis gehört jetzt
       dem Staat Bolivien. Die spanische Regierung warnt vor Verschlechterung der
       Beziehungen.
       
 (DIR) Export von Kokablättern: Bolivianer dürfen kauen
       
       Die UN erlauben Bolivien, den Genuss von Kokablättern zuzulassen. Präsident
       Evo Morales will die Pflanze nun in alle Welt exportieren.
       
 (DIR) Bolivien enteignet Energiekonzern: Streitkräfte besetzen Betriebe
       
       Der spanische Konzern soll zu hohe Strompreise genommen haben. Laut
       Opposition will die Regierung aber nur von einem Korruptionsskandal
       ablenken.
       
 (DIR) Hausangestellte von Diplomaten: Ausbeutung in der Immunität
       
       Antonia R. musste für eine Diplomatin 14 Stunden am Tag arbeiten, wurde
       beschimpft und bekam ihren Lohn zu spät. Nun hat sie eine Nachzahlung
       erstritten.
       
 (DIR) Coca-Cola in Bolivien: Imperialisten dürfen bleiben
       
       Coca-Cola werde aus Bolivien vertrieben, wurde dieser Tage vermeldet. Wie
       sich herausstellt handelt es sich um einen Irrtum – was wenig überrascht.