# taz.de -- Kommentar Trennung der Wulffs: Ein bürgerliches Trauerspiel
       
       > In der Tragödie der Wulffs können sich viele Leute selbst erkennen.
       > Vielleicht ist der Abscheu, der ihnen entgegen schlägt, gerade deshalb
       > besonders groß.
       
 (IMG) Bild: Inszeniertes Glück: das Ehepaar Wulff.
       
       In eine Mietwohnung in Hannover ist er also jetzt umgezogen. Wenn man sich
       vorher hätte überlegen müssen, welche Nachricht die größtmögliche Häme im
       Hinblick auf den ehemaligen Bundespräsidenten auslösen könnte: Diese wäre
       es gewesen. Schließlich war es ein Hauskredit, gewährt unter
       undurchsichtigen Umständen und für eine auch ästhetisch umstrittene
       Immobilie in Großburgwedel, die den tiefen Sturz von Christian Wulff
       eingeleitet hatte. Nun hat er also sogar das Haus verloren, und für die
       ehemalige First Lady ist es das Letzte, was vom einstigen Leben im Glamour
       geblieben ist.
       
       Das politische Berlin, für Klatschgeschichten immer aufgeschlossen, ahnte
       es schon länger. Einen Neuen soll Bettina Wulff haben, auch dessen Name
       wurde bereits gestreut. Klar doch. War abzusehen, dass sie nicht an der
       Seite eines Gescheiterten würde bleiben wollen. So hatte sie nicht
       gewettet. Wollte sie nicht einfach immer nur nach oben, im Rampenlicht
       stehen? Böse Zungen sagen, dass sie in drei Jahren ins Dschungelcamp
       einziehen wird. Derlei Spott ist kleine Münze, ein letzter Tritt auf Leute,
       die schon am Boden liegen.
       
       Zu besichtigen ist ein bürgerliches Trauerspiel. Das niemanden sonderlich
       berühren würde, könnten sich nicht so viele Leute in irgendeiner Szene des
       Stückes selbst erkennen. In dem Bedürfnis, eine bedeutende Rolle zu
       spielen, auf roten Teppichen zu laufen, gefragt und bewundert zu sein,
       dürften die Wulffs – wenigstens zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Lebens
       – einander so unähnlich nicht gewesen sein. Vielleicht ist der Abscheu, der
       beiden entgegen schlägt, gerade deshalb so besonders groß, weil sie diese
       Sehnsucht auch mit vielen anderen Leuten teilen.
       
       Die Geschichte von Bettina Wulff ist in gesellschaftspolitischer Hinsicht
       nicht besonders interessant, jedenfalls nicht im Hinblick auf das, was man
       von ihr bisher weiß. Für Christian Wulff gilt das nicht. Er erlebt die
       Geschichte eines Mannes, der seine Maßstäbe verloren hat. Für das, was man
       tut, und für das, was man nicht tut.
       
       Die Trennung von seiner ersten Frau und seine Liebe zu Bettina machte Wulff
       zu einem Zeitpunkt öffentlich, zu dem sich zahlreiche
       Hauptstadtkorrespondenten auf Einladung des damaligen niedersächsischen
       Ministerpräsidenten in Hannover aufhielten. Der Termin war gewiss nicht
       zufällig gewählt. Während eines Sektempfangs schlenderte Christian Wulff
       seinerzeit von Grüppchen zu Grüppchen und erzählte - jedes Mal aufs Neue –
       mit leuchtenden Augen vom überraschenden Glück, das ihm widerfahren sei.
       Wie der Darsteller einer Soap, der eine Szene mehrfach drehen muss,
       bemerkte ein Beobachter bissig.
       
       ## Vielleicht hätte es dauerhaft funktioniert
       
       Falsch klang das, was Wulff sagte. Süßlich, kitschig. Aber wie hätte er
       sich ausdrücken sollen, ohne sein Ansehen zu gefährden, ohne seine
       politische Zukunft in einer konservativen Partei zu riskieren? Dafür gab
       und gibt es schon lange keine allgemeingültigen Kriterien mehr.
       
       Die Taktik von Wulff hat ja funktioniert, zumindest ein paar Jahre lang.
       Wäre die leidige Angelegenheit mit dem Hauskredit nicht ruchbar geworden:
       Vielleicht hätte es dauerhaft funktioniert, und das Ehepaar Wulff wäre –
       nach außen hin glücklich – gemeinsam gealtert.
       
       Und dann? Dann hätte niemand etwas gemerkt. So aber wird Christian Wulff in
       steigendem Maße zum Sinnbild einer Gesellschaft, die unsicher ist
       hinsichtlich ihres eigenen Wertesystems: Reichtum und Glamour werden
       bewundert – und zugleich beneidet. Wer den Staat lächelnd um Steuern
       bescheißt und das auf Partys erzählt, gilt als clever. Wer sich allerdings
       dabei erwischen lässt, stürzt tief. Schicke, möglichst junge
       Lebenspartnerinnen zeugen von der eigenen Potenz. So lange – und nur so
       lange – sie bleiben.
       
       ## In welcher Gesellschaft will die Union leben?
       
       Erstaunlich, dass die Unionsparteien noch immer so hohe Umfragewerte
       verbuchen können, obwohl vieler ihrer Repräsentanten das, wofür
       Konservative einstmals standen, im Privaten längst nicht mehr vertreten.
       Man blicke auf Horst Seehofer, auf Ole van Beust oder auf Karl-Theodor zu
       Guttenberg.
       
       Es wäre verständlich, wenn Christian Wulff es ungerecht fände, – auch – für
       Ungereimtheiten in den Biografien einstiger Parteifreunde in Mithaftung
       genommen zu werden. Das wäre sein persönliches Problem. Aber er ist, nicht
       ohne eigenes Zutun, zugleich zum Symbol für das bröckelnde Wertesystem von
       Konservativen geworden. Daran können alle für Angela Merkel erfreulichen
       Meinungsumfragen nichts ändern. Irgendwann werden auch die Unionsparteien
       ernsthaft darüber reden müssen, in welcher Gesellschaft sie eigentlich
       leben wollen.
       
       7 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Gaus
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Christian Wulff
 (DIR) Bettina Wulff
 (DIR) Ehe
 (DIR) Bettina Wulff
 (DIR) Christian Wulff
 (DIR) Christian Wulff
 (DIR) Bettina Wulff
 (DIR) Bettina Wulff
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Neustart für die Wulffs: Zusammen, getrennt, zusammen
       
       Christian und Bettina Wulff haben ihre Ehe stets gut inszeniert. Auch, als
       sie zu Ende war. Jetzt haben sie wieder geheiratet – etwas stiller.
       
 (DIR) Christian Wulff als Mahnmal: Vollends gescheitert? Nein!
       
       Christian Wulff ist jetzt Single. Er verkörpert mit seiner Trennung den
       Typus des neuen, starken Mannes, der nicht gepanzert durchs Leben laufen
       muss.
       
 (DIR) Die „Bild“ und die Wulffs: Treffer! Versenkt!
       
       Seit dem Ehe-Aus von Christian und Bettina Wulff wissen wir: Bei „Bild“
       schreibt der Chef Kai Diekmann noch selbst. Nur warum?
       
 (DIR) Ehe-Drama bei den Wulffs: "Betty, du bist undankbar"
       
       Die Paartherapie für das Ehepaar Wulff ist endgültig gescheitert, Christian
       und Betty haben sich getrennt. Die taz.nord veröffentlicht das Protokoll
       der letzten, entscheidenden Sitzung.
       
 (DIR) Trennung der Wulffs: „Haben wir noch etwas gemeinsam?“
       
       Die Trennung ist das letzte Kapitel im medialen Abstieg der Wulffs. Aus dem
       glamourösen Politikerpaar wurde ein Paar wie viele andere.
       
 (DIR) Christian und Bettina Wulff trennen sich: Der Ex-Präsident ist ausgezogen
       
       Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff und seine Frau Bettina haben
       sich getrennt. In ihrem Buch hatte Bettina Wulff bereits von Eheproblemen
       berichtet.
       
 (DIR) Ehekrise bei den Wulffs: Lass dir helfen und rede darüber
       
       Nach der Pleite im Präsidialamt haben die Wulffs einen Paartherapeuten
       beschäftigt. Bettina macht das nun öffentlich: Gut so!