# taz.de -- Kirche und Abtreibung: Katholischer Schwangerschaftskonflikt
       
       > Beratung? Ja. Hilfe zur Abtreibung? Nein. Mit dieser Haltung stößt die
       > katholische Kirche auf Ablehnung – und das auch bei Katholiken.
       
 (IMG) Bild: Katholische Kirche lehnt Abtreibungsberatung ab.
       
       BERLIN taz Klaus Günter Annen hat wieder zugeschlagen. Vor wenigen Tagen
       hat der Industriekaufmann aus Weinheim in Baden-Württemberg an zahlreiche
       Frauengesundheitseinrichtungen in der Republik eine Mail geschrieben:
       „Tötung eines ungeborenes Kindes MORD!“
       
       Seit Jahren kämpft der [1][Lebensschützer] gegen Ärztinnen und Ärzte, die
       Abtreibungen durchführen, und geht gegen Familienplanungszentren wie pro
       familia vor, die Frauen in Schwangerschaftskonflikten beraten.
       
       Die Mail trifft in eine aufgeladene gesellschaftliche Debatte über die
       „Pille danach“, Abtreibungen und die Frage, wann Leben beginnt – ausgelöst
       durch einen Vorfall in Köln, bei dem eine junge Frau nach einem
       Vergewaltigungsverdacht für die Beweisaufnahme in zwei katholischen
       Krankenhäusern abgewiesen wurde. Begründung: Um eine ungewollte
       Schwangerschaft zu verhindern, hätte man über die „Pille danach“ reden
       müssen. Das aber verbietet die katholische Kirche.
       
       Wie beeinflussen der Kölner Eklat und der aktuelle Diskurs junge Frauen und
       Mädchen, die ihre Sexualität gerade finden?
       
       „Schwangerschaftsabbrüche sind wieder tabuisiert und kriminalisiert“, sagt
       dazu die Psychologin Ines Scheibe: „Darüber reden viele Mädchen nur noch
       mit ihrer besten Freundin.“ Die Chefin der
       Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle des konfessionslosen Humanistischen
       Verbandes in Berlin spricht regelmäßig mit Schulklassen über Sex,
       Verhütung, Schwangerschaft.
       
       ## Abtreibung sei Mord
       
       Manche Mädchen seien inzwischen stark verunsichert, sagt Scheibe. Da
       erzählten zum Beispiel Lehrerinnen und Lehrer im Biologieunterricht in der
       10. Klasse, dass Abtreibung Mord sei. „Eine Mörderin will natürlich keine
       sein.“ Aber auch reife Frauen stünden stark unter Druck. „Die katholische
       Kirche und ihre Lebensschützermaximen haben großen Einfluss“, sagt Scheibe.
       
       Die katholische Kirche ist in diesen Tagen vorsichtig mit Aussagen zu dem
       Thema. Zahlreiche Schwangerschaftsberatungsstellen der Caritas, der
       Wohlfahrtsorganisation der katholischen Kirche, wollten der taz kein
       Interview geben. Sie verwiesen auf die Regeln, die seit 2001 für
       Caritas-Beraterinnen gelten: keine Konfliktberatung, keine Ausgabe des
       Beratungsscheins, der nötig ist für einen Abbruch, und keine „Pille
       danach“.
       
       Die Mitarbeiterin einer Beratungsstelle in Berlin, die ihren Namen nicht in
       der Zeitung lesen will, findet das alles „furchtbar“: „Wir dürfen uns weder
       mit Abtreibungen noch mit der ’Pille danach‘ beschäftigen. Damit stehen wir
       im Konflikt mit dem Vatikan und der Amtskirche.“
       
       Damit trifft die Beraterin den Nerv vieler Katholikinnen und Katholiken in
       Deutschland. Laut einer gerade veröffentlichten Milieustudie über
       „religiöse und kirchliche Orientierungen“ distanzieren sich inzwischen
       viele Kirchenmitglieder von der katholischen Sexuallehre, vom Umgang der
       Kirche mit Frauen, Homosexuellen, Geschiedenen.
       
       ## Vatikan-Beschluss
       
       Das tun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Donum Vitae (Geschenk des
       Lebens) bereits seit 2001 – seit die katholische Kirche aus der
       Schwangerschaftskonfliktberatung auf Anweisung des Vatikan ausgestiegen
       war. Damals gründete sich der Verein als Antwort auf den Vatikan-Beschluss;
       er ist nicht der Amtskirche unterstellt, beschäftigt aber viele Mitglieder
       des Zentralrats der Katholiken.
       
       Ariane Heller, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, spricht daher von
       einem „Spagat“ für die Organisation: Donum Vitae verstehe die Verschmelzung
       von Ei- und Samenzelle als Leben, stelle aber Beratungsscheine aus. „Die
       Entscheidung der Frau steht für uns über dem Leben des ungeborenen Kindes“,
       sagt Ariane Heller.
       
       Trotzdem wenden sich viele gläubige Frauen lieber an konfessionslose
       Beratungsstellen, wenn sie sich entschlossen haben, ein Kind nicht
       auszutragen. „Sie gehen dahin, wo sie tatsächlich Hilfe bekommen“, sagt
       Ines Scheibe vom Humanistischen Verband. Und Martina Zilezinski von der
       Berliner Schwangerschaftsberatungsstelle Balance rät Mädchen, die zu ihr in
       die Beratung kommen: „Wenn ihr die ’Pille danach‘ braucht, geht nicht in
       ein katholisches Krankenhaus.“
       
       30 Jan 2013
       
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 (DIR) Simone Schmollack
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